Tischtennisprofi Boll über die WM: „Jeder muss über sich hinauswachsen“

Der Ausnahmekönner Timo Boll erklärt, warum das deutsche Team bei der Tischtennis-WM in Dortmund schwer zu bezwingen sein wird und wie man China ins Wanken bringt.

Boll mit Ball. Bild: dpa

taz: Herr Boll, am 1. April wird Deutschland Weltmeister. Ein ganz dummer April-Scherz?

Timo Boll (lacht): Wenn man es liest, würde man es erst einmal nicht glauben! Die Chinesen sind als Mannschaft eine Macht, wir wollen aber nicht schon vorher aufgeben.

Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass man China bezwingt?

Wir konzentrieren uns nicht auf China. Wir müssen erst einen schweren Weg gehen und die anderen Kontrahenten bezwingen, um ins Finale zu gelangen. Sollte es dann in Dortmund wieder zum Endspiel gegen die Chinesen kommen, freuen wir uns darüber und werden alles probieren. Im letzten Finale vor zwei Jahren in Moskau verkauften wir uns beim 1:3 ganz gut und spürten, dass etwas möglich ist, wenn sie unter Druck stehen. Die Chinesen werden auch nervös.

31, spielte bereits mit 14 Jahren in der Bundesliga. Als erster Deutscher stieß er vor zehn Jahren in die absolute Weltspitze vor. Im Januar 2003 übernahm er die Nr. 1 der Weltrangliste. Im vergangenen Jahr holte der 15-fache Europameister und zweifache Weltcup-Sieger in Rotterdam mit Bronze seine erste Einzelmedaille bei einer WM.

Südkorea und Japan erwarten die Experten im Halbfinale.

Das sind sicher die härtesten Konkurrenten. In den letzten Jahren kämpften wir gegen Südkorea und Japan um die Plätze hinter China, das ist kein Selbstläufer. Wenn wir gut spielen, konnten wir die aber immer schlagen – und meine Mannschaftskameraden sind auch bereits alle gut drauf.

Ohne einen fitten Timo Boll und zwei Siege von Ihnen dürfte die Titel-Wahrscheinlichkeit aber gegen null tendieren.

Ich finde meine Form noch bis zum ersten Match in Dortmund. Es hilft jedoch nicht nur ein überragender Timo Boll, da muss jeder im Team über sich hinauswachsen! Wir brauchen drei und nicht nur zwei Punkte.

Warum sind Sie auf Formsuche?

Im WM-Jahr und vor Olympia ist natürlich jeder hoch motiviert. Entsprechend ging ich im Training zu Werke – und man schießt leider leicht übers Ziel hinaus. Meine Schulter ist gereizt durch die vielen tausend Vorhand-Topspins. Ich werde aber medizinisch gut betreut und hoffe, dass ich nicht nur körperlich fit in die WM gehe, sondern auch in besonderer Form bin.

Dass Sie in der Weltrangliste vom Stammplatz in den Top vier auf Platz sechs abrutschten, gibt keinen Anlass zur Sorge?

Nein. Wir planten eh, dass ich weniger spiele und mich auf die Höhepunkte konzentriere. Die Koreaner spielten dagegen viel, jedes Turnier – die sind hoffentlich bei der WM dann ausgebrannt. Ich sehe Platz sechs nicht als Drama, für mich geht es nicht vorrangig darum, in der Weltrangliste ganz oben zu stehen. Die Turniere sind wichtiger, das praktizierte ich auch schon vor der letzten Einzel-WM so und war erfolgreich damit.

Rührt Ihre Schulterverletzung womöglich von dem Signier-Marathon Ihrer Biografie „Timo Boll: Mein China“ her? Die schaffte es sicher auch deshalb kurzzeitig in die „Spiegel“-Bestsellerliste, weil Sie in alle 10.000 Exemplare der Erstauflage ein Autogramm geschrieben haben!

Ja, das war schon eine Heidenarbeit. Die zweite Auflage wird aber bestimmt nicht mehr handsigniert (lacht)! Jedenfalls dementiere ich hiermit, dass die Verletzung vom Schreiben der Autogramme herrührt!

Dimitrij Ovtcharov rückte auf Platz zehn der Weltrangliste vor. Kann er denn auch einen Chinesen oder zumindest Südkoreaner als schärfsten Rivalen bezwingen?

Auf jeden Fall, das hat „Dima“ schon gezeigt. Wenn er gut drauf ist, kann er mit seinem sehr speziellen Stil selbst die besten Leute schlagen.

Bastian Steger besiegte Ovtcharov bei der deutschen Meisterschaft knapp. Sind der Saarbrücker und Ihre Düsseldorfer Vereinskameraden Patrick Baum und Christian Süß leistungsmäßig nah genug dran für eine Sensation gegen das übermächtige Reich der Mitte?

Ah, für jeden von uns ist es schwer. „Dima“ oder ich müssen eben einen Punkt vorlegen, damit die Chinesen ins Wackeln kommen. Danach gebe ich jedem von uns eine Chance. Wir haben eine super Truppe, vielleicht die beste Nationalmannschaft, die wir je hatten. Solch eine Leistungsdichte besaßen wir noch nie. Deshalb ist Deutschland schwer zu schlagen.

Mit Dortmund verknüpft jeder Tischtennis-Fan eines: den WM-Sieg von Bundestrainer Jörg Roßkopf mit Steffen Fetzner im Doppel 1989. Setzt Roßkopf das als Motivation ein für seine Schützlinge?

(Schmunzelt): Joooo.

Er erzählt also jeden Tag davon?

Nee, das nicht. Jörg ist kein Prahlhans, der uns dauernd seinen Erfolg unter die Nase reibt. Es war aber damals eine Riesengeschichte fürs Tischtennis, dass die beiden quasi als Nobodys Weltmeister wurden – und wenn wir in Dortmund am 1. April auch gewännen, wäre die Sensation genauso groß wie 1989.

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