Tod des Talibanchefs Mullah Omar: Strategisch platzierte Todesnachricht

Offenbar sollte die Kunde vom Tod Mullah Omars die Verhandlungsposition der Taliban schwächen. Sein Nachfolger spielt da nicht mit.

Trauergebet für den verstorbenen Mullah Omar im pakistanischen Peschawar.

Trauergebet für den verstorbenen Mullah Omar im pakistanischen Peschawar. Foto: reuters

KABUL taz | Nach fast zwei Tagen Schweigens haben die Taliban zugegeben, dass ihr Gründer und oberster Führer Mullah Muhammad Omar Mudschahed gestorben ist – und das schon vor einiger Zeit. Die Erklärung, die sie Freitagvormittag auf ihre Webseite stellten, trägt aber wenig zur Erhellung der Umstände bei. Er sei „einer Krankheit erlegen“, heißt es schlicht, die Familie habe das bestätigt.

Wann und wo der etwa 55-jährige Mullah Omar starb, ließen sie offen. Ein afghanischer Gewährsmann der taz in der Südprovinz Zabul, wo Mullah Omar Medienberichten zufolge begraben worden sei, hat davon nichts gehört. Begräbnisse in aller Stille aber sind nicht afghanischer Stil.

Fast gleichzeitig verkündeten die Taliban ihren neuen Anführer: Mullah Achtar Muhammad Mansur, seit 2010 Omars Stellvertreter. Im 2001 beendeten Taliban-Emirat war er Minister für Zivilluftfahrt, dann Chef der kleinen Taliban-Luftstreitkräfte – beides keine Schlüsselämter.

Ob er zu den Gründern der Bewegung gehörte, ist unklar. Er wuchs aber nicht weit von Mullah Omars Heimstatt in der Provinz Kandahar auf, woher bis heute der Kern der Taliban-Führung kommt.

Prestige durch Kampf gegen die USA

In den letzten fünf Jahren hat Mansur die Taliban aus ihrer Sicht erfolgreich im Kampf gegen die US-Übermacht geführt, die sich nun militärisch weitgehend zurückgezogen hat. Das hat ihm Prestige eingebracht.

Mansur folgt Omar nicht nur in seinem politischen Amt als Taliban-Chef, sondern auch als religiöser Führer, als Amir ul-Momenin (Oberhaupt der Gläubigen, also der Muslime). Das ist ein Versuch, Mullah Omars religiöse Legitimität auf ihn zu übertragen und so die Einheit der Taliban-Bewegung zu bewahren. Die war in letzter Zeit schweren Belastungsproben ausgesetzt, weil immer mehr Zweifel über Mullah Omars Zustand aufkamen.

Der Nachricht vom Tod Omars kam also zu einem strategisch wichtigen Zeitpunkt. Gerade hatte die Regierung Pakistans ihren Kabuler Kollegen den langgehegten Wunsch erfüllt, Direktgespräche mit den Taleban anzubahnen. Afghanistans seit fast einem Jahr amtierender neuer Präsident Aschraf Ghani will unbedingt den Krieg beenden, um das Land in Ruhe wirtschaftlich zu entwickeln und aus der übermächtigen Abhängigkeit von ausländischen Mitteln zu befreien. Das erste Treffen fand am 8. Juli bei Islamabad statt.

Mansur schlägt zurück

Aber Mansur spielte nicht mit und widersetzte sich Pakistans Einflussnahme. Er verlegte die Politische Kommission, den Verhandlungsführer der Taliban, aus Pakistan nach Katar. Pakistan schäumte – und brachte zu den Gesprächen mit Kabul Taliban-Vertreter mit, die Mansur nicht autorisiert hatte.

Gerade als Mansur protestierte, kam die Nachricht vom Tode des Taliban-Chefs. Sie könnte von Pakistans Geheimdienst ISI lanciert worden sein, um Mansur zu entmachten. Doch der schlug zurück, berief seinen Führungsrat ein, der ihm die Nachfolge Omars gab und ihm, dem neuen Amir, die Gefolgschaft schwor.

Jetzt wird Pakistan mit Dissidenten versuchen, die Kontrolle über die Taliban wieder zu gewinnen. Die nächsten Friedensgespräche wurden erst einmal abgesagt.

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