Todesstrafe in Weißrussland: Trotz Protesten kein Pardon

Präsident Lukaschenko lehnt es ab, die angeblichen U-Bahn-Attentäter zu begnadigen. Ob Kowaljow und Konowalow bereits exekutiert wurden, ist unklar.

Der Beschuldigte Wladislaw Kowaljow im Angeklagten-Käfig im Gericht in Minsk, September 2011. Bild: reuters

BERLIN taz | Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus/Weißrussland, kennt kein Erbarmen. Am Mittwochabend berichtete das erste staatliche Fernsehen, dass der Autokrat es abgelehnt habe, die beiden Todeskandidaten Dmitri Konowalow und Wladislaw Kowaljow zu begnadigen. Grund für die Entscheidung sei die besondere Gefahr für die Gesellschaft, die von den beiden ausgehe, sowie die schweren Konsequenzen ihrer Taten.

Am 30. November 2011 hatte das Oberste Gericht in der Hauptstadt Minsk die beiden 25-Jährigen zum Tode verurteilt. Sie sollen für mehrere Bombenanschläge verantwortlich sein, darunter das Attentat auf eine Minsker U-Bahn-Station am 12. April vergangenen Jahres. Dabei waren 15 Menschen getötet und rund 300 verletzt worden.

Derzeit ist unklar, ob die Verurteilten bereits im staatlichen Auftrag getötet wurden. „Ein Wunder ist nicht geschehen. Wurden die ’Terroristen‘ erschossen?“, fragte die weißrussische Menschenrechtsorganisation „Chartyja 97“ auf ihrer Website am Donnerstag. Und: „Es sind viele Fragen offen geblieben. Aber auf diese kann jetzt niemand mehr antworten.“

Belarus ist das einzige Land in Europa, in dem die Todesstrafe – meist per Genickschuss – noch vollstreckt wird. Nach Angaben von Amnesty International wurden seit 1991, dem Jahr der Unabhängigkeit, 400 Menschen hingerichtet. Unabhängige Gerichte gibt es nicht, Richter erhalten ihre Anweisungen, wer zu welchem Strafmaß zu verurteilen ist, von ganz oben.

Auch der Prozess gegen Dmitri Konowalow und Wladislaw Kowaljow, die bereits einen Tag nach dem U-Bahn-Anschlag festgenommen worden waren, war eine Farce. Für keinen einzigen der Anklagepunkte konnte die Staatsanwaltschaft stichhaltige Beweise vorlegen. Beide Beschuldigte gaben mittlerweile an, ihre Geständnisse während der Ermittlungen unter Folter abgelegt zu haben.

Die Verurteilung der beiden löste in Belarus eine Debatte über die Todesstrafe aus – und eine Welle der Solidarität mit Konowalow und Kowaljow. 270.000 Menschen unterschrieben einen Appell, das Urteil nicht zu vollstrecken. Auch ein 27-Jähriger, der bei dem Minsker Anschlag beide Beine verloren hat, gehörte zu den Unterzeichnern.

Mit äußerster Härte gegen Kritiker

Eine derartige Aktion ist in Belarus alles andere als selbstverständlich. Denn seit den gefälschten Präsidentenwahlen vom 19. Dezember 2010, bei denen Lukaschenko offiziellen Angaben zufolge 80 Prozent der Stimmen gewann, lässt der Staatschef seine Handlanger mit äußerster Härte gegen seine Kritiker vorgehen.

Bei Massenprotesten am Abend des Wahltages wurden rund 3.000 Menschen festgenommen. Zwei oppositionelle Präsidentschaftskandidaten, Andrej Sannikow und Mikolai Statkewisch, wurden wegen „Schürens von Massenaufruhr“ zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Aufenthaltsort von Sannikow, der regelmäßig in andere Haftanstalten verbracht wird, war zwischenzeitlich nicht bekannt. Angaben von Angehörigen zufolge soll der 58-Jährige schwer erkrankt sein. Medizinische Hilfe werde ihm weitgehend vorenthalten. Auch so könne man die Todesstrafe vollstrecken, nur etwas langsamer, so ein belarussischer Oppositioneller, der anonym bleiben möchte.

Der Leiter des Minsker Menschenrechtszentrums Vjasna, Ales Bialiatzki, der angeblich Gelder aus dem Ausland veruntreut haben soll, sitzt genauso im Gefängnis wie der Aktivist Sergej Kavaljenko. Sein ursprüngliches Vergehen war das Hissen der ehemaligen belarussischen Nationalflagge.

Druck auf kritische Medien

Repressionen gegen Anwälte, die Oppositionelle verteidigen, sind genauso an der Tagesordnung wie Druck auf kritische Medien und unabhängige Journalisten. Erst am vergangenen Mittwoch wurde Andrej Dinko, Chefredakteur der oppositionellen Zeitung Nascha Niwa, die Ausreise nach Litauen verweigert. Dynko steht auf einer schwarzen Liste von Lukaschenko-Kritikern, die das Land derzeit nicht verlassen dürfen.

Diese Liste ist eine weitere Antwort des Präsidenten auf Einreiseverbote und Kontosperrungen für hochrangige Mitarbeiter des Regimes, die die Europäische Union im Februar ausgeweitet hatte. In einer ersten Reaktion hatte Minsk den Vertreter der EU sowie den Botschafter Polens des Landes verwiesen.

In Brüssel herrscht derzeit Ratlosigkeit. Das wurde auch am Donnerstag nach Bekanntwerden der Entscheidung Lukaschenkos deutlich. Eigentlich hatte das EU-Parlament über eine Resolution abstimmen wollen, mit der die Verhängung von Wirtschaftssanktionen sowie eine Absage der Eishockeyweltmeisterschaft 2014 in Belarus gefordert werden sollte. Die Abstimmung wurde um zwei Wochen verschoben, um dem Regime eine weitere Möglichkeit zu geben, die Situation zu verbessern. Zudem appellierte der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, an Lukaschenko, seine Entscheidung zu überdenken und ein Moratorium über die Todesstrafe zu verhängen.

Die Grünen-Politikerin und Osteuropaexpertin Marieluise Beck bezeichnete die verweigerte Begnadigung einen Akt tiefster Barbarei, Gnaden- und Rechtlosigkeit. Sollten die Hinrichtungen wirklich vollzogen werden, so sei für Lukaschenko der Weg nach Europa endgültig versperrt.

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