Tödlicher Konflikt in Berg-Karabach: Kriegsgefahr im Kaukasus

Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidschan erschüttern Berg-Karabach. Beide Seiten mobilisieren Soldaten.

Freiwillige versammeln sich in Jerewan, Armenien.

In Jerewan versammeln sich Freiwillige: Sie wollen für Armenien in Berg-Karabach kämpfen Foto: Melik Baghdasaryan/photolure/reuters

BERLIN taz | Der Konflikt in Berg-Karabach im Südkaukasus ist am Sonntag eskaliert wie selten zuvor. Nach armenischen Angaben startete Aserbaidschans Militär am Morgen Bombenangriffe auf die Region, um die sich die beiden Länder streiten, und griff dabei auch Ziele in Berg-­Karabachs Hauptstadt Stepanakert an. Bewohner*innen von Berg-Karabach berichten der taz, dass die aserbaidschanischen Streitkräfte auch zivile Ziele wie Wohnhäuser und Schulgebäude angegriffen hätten, und sprechen von Hunderten Toten.

Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, für die Eskalation verantwortlich zu sein. „Aserbaidschan bombardiert gezielt die armenische Zivilbevölkerung“, sagt der Ombudsmann für Menschenrechte in Berg-Karabach, Artak Beglaryan. Aserbaidschan widersprach den Angaben und erklärte seinerseits, es habe auf einen armenischen Angriff reagiert.

Armenien schoss nach eigenen Angaben mehrere Hubschrauber und Drohnen ab. Aserbaidschans Regierungschef verkündete, die aserbaidschanische Armee habe sechs Dörfer eingenommen. Behörden in Berg-Karabach streiten das jedoch ab. Das Internationale Rote Kreuz mahnte am Sonntagnachmittag beide Seiten zum Schutz der Zivilbevölkerung.

Der Territorialkonflikt um das mehrheitlich von Ar­me­nie­r*in­nen bewohnte Gebiet Berg-Karabach, das zu Sowjetzeiten Aserbaidschan zugeschlagen worden war, schwelt seit über 30 Jahren. Ein Krieg Anfang der 1990er Jahre, in dem schätzungsweise zwischen 25.000 und 50.000 Menschen getötet und über 1,1 Millionen vertrieben wurden, mündete 1994 in einen brüchigen Waffenstillstand.

Seitdem kontrolliert Armenien das Gebiet sowie die Teile Aserbaidschans zwischen Berg-Karabach und Armenien selbst. Immer wieder kam es zu Kämpfen, zuletzt im Juli dieses Jahres. Die Zone um die Enklave ist bis heute auf beiden Seiten hoch militarisiert.

Interessen von Russland und Türkei

Russland, das mit Armenien in einem Militärbündnis ist und dort eine Militärbasis unterhält, hat beide Seiten zum Waffenstillstand aufgefordert. Der russische Außenminister Sergei Lawrow führe Gespräche, um die Konfliktparteien zur Einstellung des Feuers zu bewegen, teilte die Behörde in Moskau mit. Russland liefert Waffen an beide Seiten.

Die Türkei sicherte Aserbaidschan seine volle Unterstützung zu. Der türkische Verteidigungsminister warf Armenien vor, mit seiner „Aggression“ Frieden und Stabilität im Kaukasus zu bedrohen. Allerdings hatte sich die erneute Eskalation auch durch türkisches Zutun angekündigt: Laut mehreren Berichten wurden zuletzt Hunderte türkische Kämpfer von Libyen und Syrien nach Aserbaidschan verlegt.

Der EU-Ratschef forderte auf Twitter, dringend zu Verhandlungen zurückzukehren und sämtliche militärische Handlungen ruhen zu lassen. Doch Armenien rief den Kriegszustand aus und kündigte eine Generalmobilmachung des ganzen Landes an. In Aserbaidschan sollte in einigen Landesteilen ab Mitternacht Ortszeit der Kriegszustand mit Ausgangssperren gelten.

Soldaten in Panzern marschieren auf

Alle einsatzfähigen Bewohner Armeniens ab einem Alter von 18 Jahren sollten sich bereitmachen. In den sozialen Medien kursierten Videos, in denen Panzer und Soldaten aufmarschieren. Auch Aserbaidschan mobilisiert.

Am Platz der Republik in der armenischen Hauptstadt Jerewan versammelten sich am Sonntag Männergruppen, viele davon Veteranen des Krieges in Berg-Karabach in den 1990ern, wie Augenzeugen der taz berichteten. Sie hielten Nationalflaggen hoch und spielten Volksmusik. „Wir müssen den Feind in die Knie zwingen“, ruft einer von ihnen. „Wir beten für unseren Frieden“, sagt ein anderer.

Währenddessen hat das aserbaidschanische Ministerium für Verkehr und Kommunikation den Internetzugang im Land beschränkt sowie soziale Netzwerke wie Facebook, Youtube und WhatsApp für Nutzer*innen gesperrt. Nur Twitter funktioniert nach wie vor, da es für Propaganda im Ausland genutzt werden kann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.