„Toilettenvertrag“ sorgt für Wirbel: Berlin kackt daneben

Dem bisherigen Betreiber der öffentlichen Toiletten hat der Senat den Vertrag nicht verlängert und sich viel Kritik eingehandelt. Jetzt stellt er sein neues Konzept vor.

Haben einen guten Ruf, müssen aber wohl weichen: die bisherigen City-Toiletten Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Wer ab Anfang 2019 in der Stadt unterwegs ist und mal schnell aufs Klo muss, bekommt erst einmal weniger Service fürs gleiche Geld. Statt der City-Toiletten der Firma Wall müssen zunächst provisorische Toiletten aufgesucht werden. Die aber kosten genauso 50 Cent wie die Nutzung einer der 252 Toiletten von Wall.

Klingt nach Kollateralschaden, der auch in die Hose gehen könnte, ist aber politisch gewollt. Bereits 2016 hatte der damalige Umweltsenator Andreas Geisel (SPD) angekündigt, den sogenannten „Toilettenvertrag“ des Senats mit Wall kündigen zu wollen. Bisher ist es so, dass Wall öffentliche Toiletten betreibt, ohne dass das Land dafür einen Cent zahlen muss.

Im Gegenzug bekam die Firma landeseigene Flächen für die Außenwerbung in Berlin. Wie hoch die Einnahmen der Billboards und Poster-Vitrinen sind, hat Wall nie verraten. Schon aus „kartellrechtlichen Gründen“, erklärte am Dienstag Geisels Nachfolgerin Regine Günther (parteilos, für Grüne) habe man den Vertrag mit Wall nicht verlängern können. Der gilt seit 25 Jahren und läuft noch bis Ende 2018.

Bis dahin werden noch keine neuen Toiletten zur Verfügung stehen. Zwar hat der Senat am Dienstag das von Günther vorgelegte Toilettenkonzept beschlossen. Doch erst nach der Sommerpause soll die Ausschreibung für die neuen Toi­letten beginnen. Bis Anfang 2018 soll ein Betreiber gefunden sein. Der aber muss die neuen Örtchen erst noch bauen lassen.

Es soll „keine Lücken“ geben

Deshalb also die Interimstoi­letten, deren Betrieb ebenfalls ausgeschrieben werden muss. Sie werden dann ab 2019 neben die alten Wall-Toiletten gestellt werden, die peu à peu abgebaut werden müssen.

Bisheriger Betreiber der öffentlichen Toiletten ist die Wall AG, die im Gegenzug landeseigene Flächen für Außenwerbung bekam.

Bereits 2016 hatte der Vorgängersenat die Verträge für öffentliche Werbeflächen europaweit ausgeschrieben. Gesucht wird eine Firma, die dem Land pro Jahr eine zweistellige Millionensumme überweist. Eine Entscheidung soll im Herbst fallen.

Die Kosten, die dem Land für die Toiletten entstehen, wollte die Umweltsenatorin am Dienstag nicht nennen. Zuvor war die Rede von 380 Millionen über 15 Jahre. (wera)

Immerhin versicherte Günther, dass alle Standorte weiterbetrieben werden sollen, und es somit „keine Lücken“ geben werde. Vor allem Behindertenverbände hatten die Kündigung des Vertrags mit Wall kritisiert. Ihnen versicherte die Grünen-Politikerin, dass Rollstuhlfahrer auch weiterhin umsonst die Toi­letten nutzen könnten.

Mittel- und langfristig könnte sich die Situation für die Berlinerinnen und Berliner wie auch für Touristen sogar verbessern. Denn nach einer ersten Phase, die bis 2020 dauert und in der 257 Toiletten aufgestellt werden, soll deren Zahl bis 2022 auf 366 wachsen. Dann kommen auch Standorte hinzu, die von den Bezirksämtern und Behindertenvertretungen vorgeschlagen wurden. Nach einer Evaluation soll schließlich eine Erhöhung der Standorte auf 447 geprüft werden. Der neue Vertrag soll eine Laufzeit von 15 Jahren haben.

Die Wall GmbH bedauerte die Pläne. „Wir hätten das bisherige Modell gerne weitergeführt“, sagte ein Sprecher der dpa. Das Unternehmen wolle das neue Konzept nun eingehend prüfen und dann über weitere Schritte beraten. Die oppositionelle CDU kritisierte, der Senat wolle trotz aller Warnungen von Fachleuten „mit dem Kopf durch die Wand“.

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