Torhüterin über Frust und Respekt: „Die Mädels sind häufig überfordert“

Als Torhüterin des VfL Sindelfingen hat Simone Holder schon 110 Gegentreffer kassiert. Das Leistungsgefälle in der Bundesliga sei zu groß, meint sie.

Simone Holder hält gegen Frankfurt einen Ball. Das Spiel ging 0:8 aus Bild: imago/Hartenfelser

taz: Frau Holder, eine solche Spielzeit wünscht man keiner Torhüterin. Sie haben beim VfL Sindelfingen bislang 110 Tore kassiert. Seit Langem schon steht Ihr Team als Absteiger fest. Wie sehr sehnen Sie sich nach der Sommerpause?

Simone Holder: Ich persönlich freue mich schon sehr darauf, um endlich einen Haken an diese Saison setzen zu können. Ich denke, meinen Mitspielerinnen geht es ähnlich, denn bis auf Erfahrung können wir leider nicht viel mitnehmen.

Wie motiviert man sich für das jeweils anstehende Spiel? Am Sonntag spielen Sie gegen Bayer Leverkusen. Wollen Sie gewinnen oder möglichst wenige Gegentreffer zulassen?

Im Prinzip will natürlich jede Sportlerin gewinnen. Bei uns steht das Ergebnis aber nicht mehr im Vordergrund. Wir bekommen vor dem Spiel klare Vorgaben vom Trainerteam, und in erster Linie geht es darum, uns weiterzuentwickeln. Sowohl im taktischen, als auch im spielerischen Bereich immer wieder einen Schritt nach vorne zu machen. Ich versuche meinen Mitspielerinnen zu sagen, dass mit jedem neuen Gegner eine neue Chance kommt, und auch nachdem wir ganz offiziell abgestiegen sind, wollen wir uns gut präsentieren und ordentlich verabschieden.

Wie steht es denn um die Stimmung innerhalb des Teams?

Aufgrund des Tabellenplatzes und der vielen Gegentore ist sie natürlich eher schlecht. Auf der anderen Seite halten wir beim Training oder außerhalb des Platzes absolut zusammen.

Sie nehmen aufgrund Ihrer Spielposition und Erfahrung eine besondere Stellung innerhalb des Teams ein. Wie kann man bei einer derartigen Unterlegenheit gegenüber der Konkurrenz seinen Einfluss überhaupt geltend machen?

Das ist mit jeder Niederlage schwieriger. Ich sehe meine Aufgabe in erster Linie darin, dafür zu sorgen, dass wir den Kopf oben halten und der Zusammenhalt nicht verloren geht.

25, begann im Alter von neun Jahren Fußball zu spielen. Mit dem VfL Sindelfingen feierte die Torhüterin ihr Bundesligadebüt im Sommer 2012. Nach dieser Saison will sie sich auf ihren Beruf als Operationstechnische Assistentin in der Herzchirurgie konzentrieren.

Wie oft waren Sie der Verzweiflung nahe?

Natürlich ist es manchmal frustrierend, weil ich vieles nur beobachten kann, aber das ist eben das Los einer Torfrau. Allerdings darf man den Mädels keinen Vorwurf machen, weil sie in dieser Liga häufig überfordert sind. Viele sind erst 16, 17 Jahre alt und haben einen riesigen Respekt vor den Gegenspielerinnen. Man muss einfach geduldig bleiben.

Es gab vor der Saison bei Ihnen Überlegungen, den Verein zu verlassen. Bereuen Sie Ihre Entscheidung, geblieben zu sein?

Nein. Ich mache mir keine Gedanken darüber, ob die Entscheidung gut oder schlecht gewesen ist. Ich habe mich vor der Saison dafür entschieden und würde trotz der schlechtesten Saison meiner Karriere nicht behaupten, dass ich irgendetwas bereue.

Welche Erfahrungen nehmen Sie aus zwei Spielzeiten in der Ersten Frauen-Bundesliga mit?

Es war für mich eine tolle Erfahrung, vor einem solchen Publikum zu spielen und zu sehen, welchen Fußball man überhaupt in Deutschland spielen kann. Besonders der Umgang der gegnerischen Fans mit unserer Mannschaft war sehr respektvoll. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass wir in Sindelfingen natürlich kein Titelaspirant sind.

Gilt dieser respektvolle Umgang auch für die gegnerischen Mannschaften?

Ich glaube nicht, dass man uns als ebenbürtigen Gegner ansieht. Aber nach dem Spiel hat jede Mannschaft, jede Spielerin Fairness gezeigt. Da wurde sich die Hand gegeben.

Es gibt immer wieder Stimmen, die kritisieren, dass Vereine, die nicht konkurrenzfähig sind – wie der VfL Sindelfingen in dieser Saison – nicht in die Erste Bundesliga gehören. Das Gefälle, heißt es, sei zu groß. Wie sehen Sie das?

Im Grunde ganz genauso. Auch wenn es dem Image der Liga nicht wirklich schadet, müssen Vereine in der weltbesten Liga wettbewerbsfähig sein, wenn wir weiterhin für den Frauenfußball werben wollen. Wir sind da sicherlich kein Aushängeschild, aber letztlich ist es natürlich auch eine Frage der finanziellen Möglichkeiten der Vereine. Und da kann Sindelfingen ganz einfach nicht mithalten.

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