Transfeindliche Fe­mi­nis­t*in­nen: Nö danke, „Emma“

Nach einem Artikel über die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer muss man sich fragen: Ist das Magazin von Alice Schwarzer noch feministisch?

Frau mit Lederjacke und Handy in der Hand

Tessa Ganserer (Grüne) ist jedenfalls nicht der Grund für zu wenige Frauen in der Politik Foto: Markus Schreiber/ap

Alice Schwarzer bringt demnächst ein Buch über Transgeschlechtlichkeit heraus. Zur Werbetrommel dafür kann man wahrscheinlich auch einen Artikel über die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer zählen, der vor einigen Tagen in Schwarzers Magazin Emma erschienen ist. Ohnehin kann man bei Emma regelmäßig Positionen finden, die tendenziell gegen geschlechtliche Selbstbestimmung sind oder gar alarmistisch bis hin zur Drohkulisse.

Wer sich auf der Webseite das Dossier „Transsexualität“ durchliest, findet etwa die Behauptung, dass Transgeschlechtlichkeit ein Trend sei – belegt durch die steigenden Zahlen, die man genauso gut auf die Erfolge des politischen Aktivismus zurückführen könnte, die es mehr Menschen erlauben, sich zu outen. Außerdem wird suggeriert, dass trans Menschen eine Gefahr für cis Frauen und Mädchen seien, quasi eine Erfindung von mächtigen Lobbygruppen, die hinter verschlossenen Türen ihre misogynen Pläne schmiedeten.

Nun also hat das Magazin einen Text veröffentlicht, in dem die bekannte Grünenpolitikerin Tessa Ganserer heftig diffamiert wird. In dem Text wird tatsächlich über Ganserers Genitalien spekuliert, sie wird als Mann in Frauenkleidung bezeichnet und mit ihrem abgelegten Geburtsnamen (oder „Deadname“) angesprochen. Diese gängige transfeindliche Praxis signalisiert trans Menschen, dass ihre Lebensrealität nicht zähle. Ganserer wird außerdem vorgeworfen, im Rahmen der Quotenregelung ihrer Partei einen Platz für Frauen unrechtmäßig zu besetzen. Es wird eine Initiative namens „Geschlecht zählt“ zitiert, die dagegen juristisch vorgehe.

Natürlich kann ein Magazin berichten, wenn es eine derartige Klage gegen eine Bundestagsabgeordnete gibt. Mit dem Artikel verfolgt Emma allerdings offenbar eine andere Agenda. Der Text selbst scheint als transfeindlicher Angriff beabsichtigt zu sein. Schon im Teaser schreibt Emma von „der physische und juristische Mann … [es folgt Ganserers abgelegter Name]“, womit sie sich die transfeindliche Haltung der genannten Initiative zu eigen macht. Dies zieht sich durch den gesamten Text. Ergänzt wird mit der Frage: „Wie definieren wir künftig das Geschlecht?“ Emma schlägt offenbar vor, das Problem anhand öffentlicher Debatten über die vermeintlichen Genitalien und Chromosomen von Bundestagsabgeordneten zu lösen.

Um den Anteil von Politikerinnen geht es wohl kaum

Auf der Webseite der Initiative „Geschlecht zählt“ ist als Kontaktperson dieselbe Person genannt, die auch von Emma zitiert wird. Es ist unklar, wie groß und bedeutsam die Initiative ist. Laut Website jedenfalls hat sie sich gegründet, um das geplante Selbstbestimmungsgesetz zu verhindern. Dieses Selbstbestimmungsgesetz soll das bisher geltende Transsexuellengesetz ersetzen, trans Personen mehr Rechte geben, etwa unbürokratisch und ohne „Begutachtung“ ihren Ge­schlechts­­eintrag ändern zu können. Es geht also gar nicht primär um fehlende Plätze für Politikerinnen in Parteien. Und selbst wenn – die Grünen wären da mit dem höchsten Frauenanteil die letzte Partei, gegen die man vorgehen müsste. Dennoch wird die Partei als Erste verklagt – weil sie eine trans Politikerin ernst nimmt. Schwer zu glauben, dass es bei einem solchen Vorgehen um Gleichberechtigung von Frauen gehen soll oder um angemessene Repräsentation.

Eher soll verhindert werden, dass trans Personen die Möglichkeit haben, politische Ämter einzunehmen. Soll verhindert werden, dass die Interessen von trans Menschen politisch repräsentiert werden. Das Selbstbestimmungsgesetz müsste insofern ein Anliegen aller De­mo­kra­t*in­nen sein.

Stattdessen übt sich Emma in einer verschwörungsideologischen Dämonisierung, die vor allem dazu da ist, um transfeindliche Gewalt als feministische Selbstverteidigung verkaufen zu können. Trans Menschen hingegen wollen erst mal nichts weiter, als würdevoll zu existieren und sich ohne Gewalt entfalten zu können – eben ihre Menschenrechte wahrzunehmen. Das erste Prinzip von Feminismus ist die Selbstbestimmung. Wenn eine Bewegung gegen die Selbstbestimmung marginalisierter Gruppen in einer Gesellschaft vorgeht, ist diese Bewegung noch feministisch? Transfeindlichkeit ist ein trojanisches Pferd, das uns von innen zerstören wird. Es ist wichtig, sich auch gegen Gewalt und Diskriminierung im Namen des Feminismus zu stellen.

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