Treffen der Europäischen Linken: Suche nach einer anderen EU

In Marseille wollen sich linke Gruppen mehrerer Länder koordinieren. Doch in Frankreich selbst sind die Parteien zerstritten.

Ein Hafen im Abendlicht

Dämmerung der Linken? Anlegeplätze in Marseille Foto: imago/AFLO

PARIS taz | Mit einem „Solidaritätshappening für die Migranten“ hat am Freitag im Alten Hafen von Marseille das Erste Europäische Forum der Europäischen Linken (EL) begonnen. Damit wird eine der wichtigsten Stoßrichtungen dieses zweitägigen Treffens verdeutlicht: die Kritik an der Flüchtlings- und Migrationspolitik der Europäischen Union.

In den zwei Tagen debattieren Delegationen von Linksparteien und -gruppen aus (fast) allen europäischen Ländern über eine Alternative zur heutigen EU. Das Ganze findet in den ehemaligen Docks der multikulturellen Hafenstadt am Mittelmeer statt, in einem Rahmen also, der für Aufbruch besonders geeignet erscheint. Denn das Forum soll der Auftakt zu einer bleibenden und wachsenden Kraft werden.

In der Kritik sind sich in Marseille alle einig: Die EU steckt in einer Krise, die sich nach dem Brexit, wegen der Flüchtlingspolitik und der Frage der Zukunft Kataloniens nur noch vertieft hat. „Der neoliberale Rahmen, der heute als Referenz dient, ermöglicht es (der EU) nicht, eine Antwort darauf zu geben. Im Gegenteil ist dieses offizielle Europa für ein Abgleiten in eine fürchterliche asoziale, antidemokratische und gegen die Immigranten gerichtete Politik verantwortlich“, schildert die Mitorganisatorin Anne Sabourin von der Parti Communiste Français. „Diese EU ist am Ende, sie nährt so in gefährlicher Weise das Erstarken zentrifugaler nationalistischer Kräfte auf dem ganzen Kontinent.“

Das Rückgrat dieser Europäischen Linken bilden Kommunisten und Exkommunisten verschiedener Länder zusammen mit der deutschen Partei Die Linke. Sie hat in diesem Kreis mit Abstand am meisten europäische und nationale Parlamentssitze.

Anne Sabourin, Parti Communiste

„Diese EU ist am Ende“

Die „France insoumise“ von Jean-Luc Mélenchon, der in Marseille im Sommer in die Nationalversammlung gewählt wurde und seither als Chef der linken Opposition in Frankreich auftritt, nimmt an diesem Treffen hingegen nicht teil. Die Meinungsverschiedenheiten haben sich seit den Präsidentschaftswahlen in Frankreich, als die Parti Communiste noch Mélenchon unterstützt hatte, verschärft.

Das Forum soll aber gerade Brücken zu Organisationen und Bewegungen schlagen, die heute nicht zu den Initiatoren zählen. Der französische Linkssozialist und EU-Abgeordnete Guillaume Balas hofft in einem Gespräch mit der Lokalzeitung La Marseillaise, dass sich ein Zusammenwachsen abzeichnet: „Dafür sehe ich drei Eckpfeiler: die radikale Verteidigung der Demokratie, die soziale Gerechtigkeit und die Ökologiefrage. Diese drei Grundlagen ermöglichen es, eine möglichst große Zahl von fortschrittlichen Kräften zusammenzubringen und so auf die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit zu antworten.“ Anne Sabourin möchte dem das Engagement für den Frieden und die militärische Abrüstung als Pfeiler hinzufügen.

Dieser Text stammt aus der taz.am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Die Idee, ein solches Forum für ein solidarisches, soziales und demokratisches Europa zu gründen, das sich der liberalen Ordnung und dem Nationalismus widersetzt, war 2016 beim letzten Kongress der Partei der Europäischen Linken in Berlin aufgegriffen worden.

Es ist nicht der erste Versuch, sich länderübergreifend zu koordinieren, um so mehr Gewicht in der Europapolitik zu bekommen. Das Forum kann sich auch auf historische Vorbilder wie die Internationalen der Arbeiterbewegung oder die Konferenzen von Zimmerwald und Kiental während des Ersten Weltkriegs berufen. Deren geschichtliche Folgen und Misserfolge verdeutlichen unter anderem, dass die Vereinigung der solidarischen und radikalen Linken ein stetiger Neubeginn und nie „das letzte Gefecht“ ist.

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