Triales Studium in Köln: Zähne zusammenbeißen

Das Handwerk braucht Führungskräfte. Deshalb bietet das Triale Studium Abiturienten gleich drei Abschlüsse. Und eine anspruchsvolle Ausbildung.

Studentinnen lernen in der Bibliothek. Eine ließt, die andere schläft.

Das Triale Studium: tagsüber Ausbildung, abends Onlinevorlesungen, am Wochenende Uni. Foto: imago/Westend61

Backstube, BWL-Studium, Berufsschule: Antonia Fuchs hat viel zu tun. Während andere in ihrem Alter eine Ausbildung machen oder ganz gemütlich ein Bachelorstudium absolvieren, macht die 20-jährige Konditorin beides auf einmal. Tagsüber backt sie Brötchen, abends besucht sie Onlinevorlesungen und am Wochenende geht sie zur Uni.

Triales Studium nennt sich das Programm, das die Handwerkskammer Köln seit 2010 in Kooperation mit der Fachhochschule des Mittelstands anbietet. In viereinhalb Jahren erhalten die AbsolventInnen in diesem Studium neben dem Gesellen- und Meisterbrief auch einen Bachelorabschluss im Handwerksmanagement. Im Oktober startet der sechste Jahrgang diese Ausbildung.

Während beim Dualen Studium das Studium an der Hochschule im Mittelpunkt steht und das Programm meist in Kooperation mit großen Unternehmen angeboten wird, setzt das Triale Studium den Schwerpunkt auf die handwerkliche Ausbildung im mittelständischen Betrieb.

Drei Abschlüsse in viereinhalb Jahren. Antonia Fuchs bestätigt, dass die Arbeitsbelastung hoch sei: „Die Freunde sieht man weniger, weil der Samstag entweder aus Arbeit oder Uni besteht.“ Seit zwei Jahren ist ihr Leben durch die Doppelbelastung penibel getaktet. Fuchs hat sich neben der Ausbildung zur Konditorin für das begleitende Studium entschieden, weil sie eine Herausforderung sucht. Sie will mehr als nur Bäckerin sein.

Nachwuchsproblem des deutschen Handwerks

Vor 15 Jahren fingen 210.000 Personen eine handwerkliche Lehre an. 2014 waren es nur mehr 141.000. Weil sich immer mehr junge Leute für ein reines Hochschulstudium entscheiden, gehen die Ausbildungsverträge zurück. Nicht nur im Handwerk. Auch im vergangenen Jahr blieben im Vergleich zum Vorjahr wieder mehr Lehrstellen unbesetzt. Das Handwerk als „Wirtschaftsmacht von nebenan“, wie vor ein paar Jahren eine Imagekampagne titelte, sorgt sich um seine Zukunft.

Tatsächlich hat das deutsche Handwerk ein Nachwuchsproblem. Deshalb bieten Handwerksbetriebe mittlerweile auch Abiturientinnen und Abiturienten eine Meisterausbildung in Kombination mit einem Hochschulstudium an. „Wir arbeiten daran, die Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungswegen zu erhöhen, um die Wahlmöglichkeiten bei der Gestaltung der Karriere im Handwerk zu erweitern“, sagt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Die Bedeutung beruflicher Bildung müsse stärker in den Blick gerückt werden. Auch im Handwerk finde höhere Bildung statt.

Neben dem Dualen Studium, das ein Studium mit mehr Praxiserfahrung im Betrieb koppelt, können sich Auszubildende seit 2010 für ein Triales Studium bewerben. Dafür brauchen sie neben einem allgemeinen oder Fachabitur einen Ausbildungsvertrag. Auf ein bestimmtes Gewerk sind die Jugendlichen nicht festgelegt. Von AugenoptikerIn bis ZweiradmechanikerIn ist fast alles dabei. Das aufwendige Bewerbungs- und Auswahlverfahren verrät, wen das Triale Studium ansprechen soll: den zukünftigen Führungsnachwuchs des Handwerks.

Damit mehr Abiturienten kommen

Michael Brücken ist Studienberater der Handwerkskammer Köln und hat den Studiengang 2009 zusammen mit der privaten Fachhochschule des Mittelstands entwickelt. Noch bevor der erste Jahrgang das Studium aufnahm, erhielt die Handwerkskammer dafür den Weiterbildungs-Innovationspreis. Andere Städte zogen nach, mittlerweile gibt es in Hannover, Schwerin und Mönchengladbach vergleichbare Studiengänge. Dieses Jahr haben die ersten „Trialen“ in Köln ihren Abschluss gemacht.

Michael Brücken, Studienberater

„Wenn wir mehr Abiturienten im Handwerk wollen, müssen wir ihnen attraktive Angebote machen.“

Auch für Brücken geht es darum, das Nachwuchsproblem des Handwerks in den Griff zu bekommen. „Die Abiturientenquote im Handwerk war nicht zufriedenstellend. Wenn wir wollen, dass qualifizierte junge Menschen ins Handwerk kommen und auch bei uns bleiben, müssen wir attraktive Angebote machen.“

Auf den ersten Blick jedoch wirkt das Triale Studium wenig attraktiv: Im Gegensatz zum Dualen Studium, das vom Betrieb finanziert wird, müssen die Studierenden jeden Monat rund 400 Euro aufbringen. Viel Geld für einen jungen Menschen in der Ausbildung. Nicht alle Studierenden erhalten Bafög oder ein Stipendium. Antonia Fuchs zum Beispiel ist auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen.

Die Säulen des Trialen Studiums

Das Triale Studium wird sich später bezahlt machen, ist Michael Brücken überzeugt. Dafür soll eine mehrstufige Ausbildung sorgen, die sich nach den modernen Anforderungen des Handwerks richtet: Die erste Säule, sozusagen das Fundament, ist die Lehre in einem Handwerksberuf, erklärt Brücken. Als zweite dient die Weiterbildung zum Handwerksmeister. Das ist nötig, da in vielen Handwerksberufen die Meisterpflicht gilt. Die dritte Säule ist ein BWL-Studium mit Fokus auf kleine und mittelständische Unternehmen. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse seien zunehmend in mittelständischen Handwerksbetrieben gefragt.

Während der ersten zweieinhalb Jahre werden die Studierenden Vollzeit in ihrem Unternehmen ausgebildet. Dazu gehören auch Tage im Berufskolleg und überbetriebliche Ausbildungsphasen, die in anderen Betrieben gelehrt werden. Während dieser Zeit beginnen die Auszubildenden schon mit ihrem Studium. Einmal in der Woche nehmen die Trialen an einer vierstündigen Onlinevorlesung teil. Alle zwei Wochen studieren die Auszubildenden zusätzlich für zwei Tage an der Fachhochschule des Mittelstands. Dafür müssen sie regelmäßig einen Samstag opfern.

Nach abgelegter Gesellenprüfung konzentrieren sich die Trialen dann ausschließlich auf das Studium und die Meisterqualifizierung. Diese Phase dauert noch mal rund zwei Jahre. Studienberater Michael Brücken ist erleichtert, dass sich die hohe Arbeitsbelastung bislang nicht in der Abbrecherquote widerspiegelt. Im ersten Jahrgang verließ nur ein Teilnehmer vorzeitig den Studiengang. Und das, weil er statt Feinwerksmechaniker doch Bankkaufmann werden wollte. Auch in den folgenden Jahren blieb die Quote niedrig.

Dreifache Belastung

Für Konditorin Antonia Fuchs kam ein Abbruch nie in Frage. Auch wenn sie die Saisonarbeit in ihrem Beruf schlaucht. Während im Sommer eher wenig zu tun ist, steigt die Arbeitsbelastung ab November stark an. „Im Winter läuft die Backstube auf Hochtouren. In dieser Zeit muss ich wirklich die Zähne zusammenbeißen.“ Eine Pause will sich Fuchs auch nach der Meisterprüfung nicht gönnen: „Ohne Berufserfahrung ist man kein richtiger Meister. Das sagt dir jeder, der im Handwerk arbeitet.“

Ob sie den Erwartungen des Handwerksverbandes ZDH erfüllen und einen Betrieb übernehmen wird, weiß Fuchs noch nicht. Immerhin hat sie nach dem Studium die beruflichen Fertigkeiten dafür in der Tasche. Fuchs ist dankbar, auch später noch einem eigenen Betrieb gründen zu können.

Handwerkspräsident Wollseifer jedenfalls setzt große Hoffnungen in die Trialen. In den nächsten zehn Jahren, so schätzt der ZDH, werden 200.000 Handwerksbetriebe an den Nachwuchs übergeben. „Für die Übernahme sind diese Absolventen prädestiniert“, sagt Wollseifer. Viele Triale werden unter den künftigen Führungskräften nicht sein. In Köln sind derzeit 26 Studierende eingeschrieben.

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