Trockenheit in Südeuropa: Norditalien geht das Wasser aus

Die Poebene erlebt die schlimmste Dürre seit 70 Jahren. Seit Monaten hat es nicht geregnet. Die Hälfte der Anbauflächen ist von Ernteausfall bedroht.

ein ausgetrocknetes Flussbett, die ockerfarbene Erde bricht wegen der Trockenheit auf

Dürre in Italien: Trockenes, rissiges Land unter einer Brücke in Boretto am Flussbett des Flusses Po Foto: Luca Bruno/ap

ROM taz | Einigermaßen ungewohnt ist das Bild, das sich den Tu­ri­ne­r*in­nen jetzt im Juni beim Spaziergang an der Flusspromenade bietet. Der Po, eigentlich ein mächtiger Strom, hat sich in ein trauriges, schmales Rinnsal verwandelt.

Und so ist es nicht nur in Turin. Italiens größter Fluss, der über 650 Kilometer den Norden des Landes vom Piemont bis hin zur Emilia Romagna und dem Veneto an der Adriaküste durchschneidet, fällt auf seiner ganzen Länge durch historische Tiefstände auf. 7 Meter unter Normalnull werden dieser Tage gemeldet, und die TV-Nachrichten liefern Bilder von Ausflugsbooten, die am Ufer schlicht auf dem Trockenen gestrandet sind, und auch vom Grund des Flussbetts, von völlig ausgetrockneter, aufgebrochener Erde, die an eine Wüstenlandschaft erinnern.

Die schlimmste Dürre seit 70 Jahren erlebe die Poebene, erlebe ganz Italien gerade, erläutern die Expert*innen, für die der direkte Zusammenhang mit dem Klimawandel auf der Hand liegt. Das fängt damit an, dass es seit fast vier Monaten nicht mehr geregnet hat. Es geht damit weiter, dass auf den milden, trockenen Spätwinter und Frühling Hitzewellen folgten, die so früh einsetzten wie kaum je zuvor.

Schon vom 10. Mai an lagen die Höchsttemperaturen in Italien fast konstant über 30 Grad. Traditionell wurde diese Marke eher einen Monat später im Juni überschritten. Traditionell galt auch, dass die sommerliche Wetterlage südlich der Alpen von Azorenhochs geprägt war. Von denen ist in diesem Jahr keine Rede. Die Hochs kommen jetzt ausnahmslos aus Afrika, und sie bekommen von den Me­teo­ro­lo­g*in­nen so passende Namen wie „Hannibal“ oder „Scipio, der Afrikaner“ verpasst. Verschlimmert wird die Lage mit Blick auf den erst beginnenden Sommer dadurch, dass der Schnee in den Alpen schon fast abgeschmolzen ist. Auch von dort ist kein Wasser mehr zu erwarten.

Tankwagen liefern Trinkwasser

Dramatisch sind die Folgen für die Landwirtschaft in Italiens Nordregionen. Ob Reisfelder, Mais oder Tomaten – viele Anbauflächen brauchen eine kontinuierliche Bewässerung. Der Landwirtschaftsverband Coldiretti warnt, in der Poebene seien 50 Prozent der Anbauflächen von komplettem Ernteausfall bedroht. Auch um dies zu verhindern und eine bevorzugte Versorgung der Landwirtschaft sicherzustellen, wollen jetzt die Präsidenten der Regionen Piemont und Lombardei den Wassernotstand ausrufen. Wassernotstand herrscht bereits jetzt schon in etwa 125 Gemeinden in den beiden Regionen. Dort soll die Trinkwasserversorgung nachts unterbrochen werden, um über Tag eine Minimalversorgung zu gewährleisten.

Ausgetrockneter Seitenarm des Po in der Nähe von Turin Foto: Mauro Ujetto/NurPhoto/imago

In diversen Kommunen muss jetzt schon der Tankwagen kommen, um die Menschen mit Trinkwasser zu beliefern. Und der Bürgermeister von Tradate, einem Städtchen nördlich von Mailand, hat den Ein­woh­ne­r*in­nen verboten, ihre Pools zu füllen, die Garagenzufahrt abzuspritzen, den Rasen im Garten zu sprengen und auch die Beete dort zu wässern. Bei Zuwiderhandlung drohen bis zu 500 Euro Geldbuße.

Wasserverlust durch lecke Leitungen

So dramatisch sich die Situation zuzuspitzen droht, so verschwenderisch allerdings geht Italien bisher mit Wasser um. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei täglich 220 Litern, gegenüber 165 Litern im europäischen Durchschnitt. Dafür tragen allerdings nicht nur die Bür­ge­r*in­nen die Verantwortung, sondern auch die Wasserversorgungsgesellschaften. Etwa 40 Prozent der gesamten Menge nämlich geht aufgrund lecker Leitungen auf dem Weg zu den Haushalten verloren, und im Süden Italiens werden die Verluste teils auf 70 bis 80 Prozent beziffert.

Wenigstens hier soll sich die Situation schnell bessern. Das große Investitionsprogramm, das die italienische Regierung mit den Mitteln des Fonds „Next Generation EU“ angeschoben hat, sieht 3 Milliarden Euro für die Wasserversorgung vor. Für den drohenden Wassernotstand in den kommenden Monaten kämen diese Investitionen allerdings zu spät.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.