Trotz Hetze gegen Sinti und Roma: Richter stellen rechten Richter nicht vor Gericht
Das OLG Thüringen sieht in Posts des Verwaltungsrichters Bengt Fuchs keine Volksverhetzung. Antifaschist*innen sprechen von einem „fatalen Signal“.
 
Die Entscheidung ist endgültig: In studentischen Foren hatte Bengt Fuchs zwar gegen Homosexuelle, Asylsuchende, Migranten, Sinti und Roma gewitzelt und gehetzt. Aber vor Gericht muss sich der Geraer Verwaltungsrichter nicht verantworten. Das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) lehnte eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft Gera ab. Eine Hauptverhandlung wegen Volksverhetzung findet nicht statt. „Ein fatales Signal“, sagt Katharina König-Preuss. Die Sprecherin für Antifaschismus und Antirassismus der Linken-Landtagsfraktion in Thüringen hatte 2024 Strafanzeige gesellt.
Im Juni letzten Jahres hatte die taz erstmals über Posts berichtet, die Fuchs mutmaßlich unter einem Kürzel auf Internetplattformen von Korporierten aus Burschen- und Turnerschaften verfasst hatte. Fuchs, damals Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Gera, bestätigte der taz, Alter Herr der Turnerschaft Salia Jenensis Göttingen zu sein.
Er wollte jedoch nicht der User mit einschlägigen Ausführungen sein, der unter anderem vom Osten schwärmte: „Jetzt breche ich mal eine Lanze für die Mitteldeutsche Provinz: Wer den Quatsch mit den Migranten nicht haben will, zieht zu uns. Keine 2 % Ausländer“. Oder der versicherte: „Wenn ein Lehrer sich anschicken sollte, meinen Kindern vermitteln zu wollen, dass homo- oder transsexuelle Veranlagungen einem heterosexuellen Dasein gegenüber als gleichberechtigt und normal zu beurteilen sind, hat er mich (…) am Hals“. Außerdem schlug ein User „Fuchs Benedikt“ als rhetorische Frage formuliert vor, Sinti und Roma als „Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche?“ zu bezeichnen.
Die Posts in den Foren waren zuerst der Autonomen Antifa Freiburg aufgefallen. Sie wusste auch, dass nur durch eine Verifizierung der eigenen studentischen Verbindung eine Teilnahme auf den Plattformen möglich war. Die Staatsanwaltschaft ging ebenfalls von Fuchs' Autorenschaft aus und hielt ihm die Aussage zu Sinti und Roma vor.
„Geschmacklos“, aber nicht „von Hass erfüllt“
Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts verkündete nun, dass die Äußerung eine „grob geschmacklose und diffamierende Entgleisung des Angeschuldigten sei“ – „ein missglückter Versuch, die Betroffenen in ironisch-satirischer Form pauschal lächerlich zu machen und möglichst viele ‚Likes‘ zu erzielen“. Von einer Volksverhetzung könne allerdings nicht ausgegangen werde, da „die Äußerung weder von Hass erfüllt“ sei noch „in feindseliger Weise zum Hass“ führen würde.
Die Menschenwürde ist für den Senat auch nicht verletzt. „Bloße Beleidigungen und Beschimpfungen“ reichten dafür nicht aus. Erforderlich sei, dass „den angegriffenen Personen das Lebensrecht in der staatlichen Gemeinschaft“ abgesprochen werde. Das Oberlandesgericht bestätigt mit der Ablehnung der Beschwerde eine Entscheidung des Landgerichts Gera.
Nach ersten kritischen Medienberichten war Fuchs, der in vielen Asylverfahren entschieden hatte, im Dezember 2024 ins Justizministerium versetzt worden. Ein Disziplinarverfahren wurde eröffnet, wegen des strafrechtlichen Verfahrens ruht es aber. Das Verwaltungsgericht könnte nun nach Einsicht in das Urteil über Disziplinarmaßnahmen entscheiden.
Nicht lustig
Die Abgeordnete König-Preuss sagt, dass „ein Richter, der öffentlich Minderheiten diffamiert“ habe, „auf einer Richterbank nichts verloren“ hätte. Solche Entgleisungen müssten „dienstrechtliche Folgen haben, unabhängig von der Eröffnung oder Ausgang eines Strafverfahrens. Antiziganismus und Rassismus dürfen – ebenso wenig wie Antisemitismus – niemals als geschmacklos, aber konsequenzfrei durchgehen“, so die Linken-Politikerin.
Die Autonome Antifa Freiburg erwartet allerdings keine disziplinarischen Folgen. Die thüringische Justiz habe sich selbst zum „Witz“ gemacht. Aber nur „solche wie Fuchs haben was zu lachen“.
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