Trotz Perspektivlosigkeit im Kosovo: Roma-Kinder sind unerwünscht

Deutschland will 5.000 Kinder aus Roma-Familien ins Kosovo rückführen. Dort haben sie kaum eine Perspektive auf Bildung und Integration, zeigt eine neue Studie.

Gerät in der fremden Heimat Kosovo wahrscheinlich an den sozialen Rand: junger Roma in Mitrovica. Bild: reuters

Das Kinderhilfswerk Unicef warnt vor der Abschiebung von insgesamt 5.000 Kindern und Jugendlichen aus Roma-Familien ins Kosovo, wie sie Bund und Länder in den kommenden Jahren planen. Die Kinder hätten im Kosovo kaum eine Perspektive auf Schulbildung, medizinische Versorgung und gesellschaftliche Integration, heißt es in einer neuen Unicef-Studie zur Lage von Roma-Kindern in Deutschland und im Kosovo, die am Donnerstag vorgestellt wurde.

Demnach gehen drei von vier Kindern, die in den Kosovo abgeschoben wurden, dort nicht mehr zur Schule. Zwei Drittel der Roma-Kinder leben in Armut, jedes dritte Kind hat nicht genug zu essen. "Das Wohl der Kinder steht infrage", sagte Unicef-Vorstandsmitglied Tom Koenigs, der auch Abgeordneter der Grünen im Bundestag ist. Nach der UN-Kinderrechtskonvention aber hätten alle Kinder das Recht auf Schutz. "Deshalb müssen die Abschiebungen gestoppt werden."

Der Hintergrund: Die Bundesregierung hat im April ein Rückübernahmeabkommen mit der kosovarischen Regierung unterzeichnet. Seitdem droht etwa 12.000 Roma, die in den 90er Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland geflohen sind, die Abschiebung. Darunter sind über 5.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Fast zwei Drittel von ihnen sind laut Unicef in Deutschland geboren und aufgewachsen. Die meisten der ausreisepflichtigen Roma leben in den drei Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Über 100 Roma wurden bereits abgeschoben.

Ein internationales Forscherteam hat in den ersten Monaten dieses Jahres im Auftrag von Unicef 173 Roma, die aus Deutschland ins Kosovo zurückgekehrt sind, interviewt und Gespräche mit Gemeindevertretern, Ministern, Beamten und Entscheidern auf internationalen Ebene geführt. Durchschnittlich lebten die befragten Familien 14 Jahre lang in Deutschland, sagte Verena Knaus, die die Studie im Kosovo durchgeführt hat. "Zwei von drei Kindern, die wir angetroffen haben, sind in Deutschland geboren und fühlen sich ganz klar als Deutsche", sagte Knaus. Auch mit der deutschen Sprache fühlten sie sich wohler. Die Experten gehen davon aus, dass viele der Abgeschobenen versuchen werden, nach Deutschland zurückzukehren.

Ein großes Problem sei es, dass fast die Hälfte der Kinder keine Geburtsurkunden haben, so Knaus. Manchen fehlten sie, weil die Identität der Eltern in Deutschland nicht vollständig geklärt werden konnte, andere hätten die Papiere aufgrund überstürzter Abschiebungen in Deutschland zurückgelassen. "Für die Behörden im Kosovo existieren diese Kinder nicht", sagte die Wissenschaftlerin. Das hat weitreichende Konsequenzen: Die Kinder haben keinen Zugang zu Schulen sowie zur Gesundheitsversorgung, und sie bekommen auch die ohnehin sehr niedrige Sozialhilfe nicht.

Die Unicef-Studie entstand in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin. Wolfgang Benz, der Direktor des Zentrums, kritisierte mit Blick auf die hiesige Situation, bei der Abschiebung spielten die Integrationsperspektive und die Verwurzelung der Kinder in Deutschland kaum eine Rolle. Häufig könnten Eltern auf dem Arbeitsmarkt zwar nicht Fuß fassen, gleichzeitig seien die Kinder aber gut integriert. Diese bräuchten ein dauerhaftes Bleiberecht.

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