Trump und die Lüge vom Wahlbetrug: „Aufhebung von allen Regeln“

Ex-US-Präsident Trump fordert, die Verfassung außer Kraft zu setzen, damit er wieder Präsident wird. Das geht selbst einigen Republikanern zu weit.

Donald Trump spricht bei einer Kundgebung

Führt die eigenen Lügen zu neuen Extremen: Ex-Präsident Donald Trump, hier im Oktober Foto: José Luis Villegas / ap

WASHINGTON ap/afp/taz | Dem früheren US-Präsidenten Donald Trump ist für seine Forderung nach einer „Aufhebung“ von Teilen der Verfassung scharfer Gegenwind auch aus seiner eigenen Partei entgegengeschlagen.

Trump hatte am Wochenende auf seiner Online-Plattform Truth Social seine Lüge vom Wahlbetrug 2020 wiederholt und geschrieben: „Ein massiver Betrug dieser Art und Größenordnung ermöglicht die Aufhebung von allen Regeln, Verordnungen und Paragrafen, selbst jenen, die sich in der Verfassung finden.“ Weiter schrieb er: „Unsere großartigen „Gründer“-(Väter) wollten keine falschen und betrügerischen Wahlen und würden sie nicht dulden.“ Nach den für seine Republikaner eher enttäuschend verlaufenen Zwischenwahlen im November hatte Trump seine erneute Kandidatur fürs Weiße Haus 2024 verkündet.

Der republikanische Kongressabgeordnete Mike Turner betonte in der vom Sender CBS ausgestrahlten Nachrichtensendung „Face the Nation“, dass er den Äußerungen Trumps „vehement“ widerspreche und sie „absolut“ verurteile. Seine Worte sollten auch eine Rolle bei der Entscheidung der Partei spielen, wen sie ins Rennen ums Weiße Haus 2024 schicke.

„Es gibt einen politischen Prozess, der vonstatten gehen muss, ehe irgendjemand ein Spitzenkandidat oder überhaupt der Kandidat der Partei ist“, fügte Turner, der als ranghöchstes Mitglied der Republikaner im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses fungiert, im am Sonntag ausgestrahlten Interview hinzu. Die Menschen würden eine solche Aussage mit Sicherheit berücksichtigen, wenn sie einen Kandidaten bewerteten.

Nur wenige Republikaner distanzieren sich klar

Der neu gewählte republikanische Kongressabgeordnete Mike Lawler stellte sich ebenfalls gegen Trumps Äußerungen. Er sei an der Zeit, damit aufzuhören, sich auf „Beschwerden über frühere Wahlen“ zu konzentrieren, riet Lawler in der CNN-Sendung „State of the Union“ dem Ex-Präsidenten. „Die Verfassung wurde aus einem Grund eingesetzt, nämlich um die Rechte von jedem Amerikaner zu schützen. Ich denke, der Präsident wäre gut beraten, sich auf die Zukunft zu fokussieren, falls er sich wieder um die Präsidentschaft bewerben möchte.“

Der Abgeordnete Adam Kinzinger bezeichnete Trumps Äußerung als „verrückt“. Kein Konservativer könne ihn nun noch unterstützen. John Bolton, der bis zu einem Zerwürfnis Trumps Nationaler Sicherheitsberater war, erklärte, „alle echten Konservativen“ müssten eine Kandidatur Trumps bei der Präsidentschaftswahl 2024 nun verhindern.

Allerdings blieben republikanische Politiker, die sich klar von Trumps Äußerung distanzierten, auch diesmal in der Minderheit. Weder Kevin McCarthy, der im Januar zum neuen Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt werden möchte, noch der Chef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, gaben irgendeine Stellungnahme ab.

Hakeem Jeffries, künftiger Fraktionschef der Demokraten in der großen Kongresskammer, bezeichnete Trumps Post in der ABC-Sendung „This Week“ als seltsam und extrem. Die Republikaner werden entscheiden müssen, ob sie dessen antidemokratische Ansichten weiter unterstützen wollten. Die Partei stehe vor der Entscheidung, ob sie sich von ihm lossage und zu einem gewissen Anschein von Vernunft zurückkehre oder ob sie weiterhin dem Extremismus zuneige und nicht nur Trump, sondern dem Trumpismus huldige, sagte Jeffries.

Hintergrund von Trumps Forderung war eine Ankündigung des neuen Twitter-Eigentümers Elon Musk, offenzulegen, wie die Online-Plattform im Vorfeld der Wahl 2020 die „Redefreiheit unterdrückt“ habe. Doch aus am Freitag veröffentlichten Unterlagen zu Twitters Reaktion auf einen Artikel über Hunter Biden – den Sohn von Präsident Joe Biden – geht gar nicht hervor, dass die Demokraten versucht hätten, die Verbreitung des Berichts zu behindern.

Schon am Samstag hatte das Weiße Haus scharfe Kritik an Trumps Ruf nach einer Teilaufhebung der Verfassung geäußert. „Man kann Amerika nicht nur lieben, wenn man gewinnt“, erklärte Vize-Regierungssprecher Andrew Bates. „Die amerikanische Verfassung ist ein unantastbares Dokument, das seit mehr als 200 Jahren garantiert, dass Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sich in unserem großartigen Land durchsetzen. Die Verfassung zu attackieren und alles, wofür sie steht, ist ein Gräuel für die Seele unserer Nation.“

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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