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US-ArmeeAvantgarde des Faschismus

Essay von Timothy Snyder

Das Militär soll Trump helfen, die Amerikaner zu beherrschen. Die Soldaten fühlen sich eher dem Präsidenten, weniger der Demokratie verpflichtet.

Donald Trump feiert an seinem 79. Geburtstag, den 250. Geburtstag der US-Armee in Washington Foto: Doug Mills/reuters

A utoritäre Regime stehen und fallen mit der Loyalität der Sicherheitskräfte. US-Präsident Donald Trump hat seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus dahingehend kaum etwas dem Zufall überlassen. Sein Verteidigungsminister Pete Hegseth entließ sofort ein halbes Dutzend hochrangiger Generäle, darunter den Vorsitzenden des Generalstabs.

Doch es war eine Rede vor den Truppen einen Monat später, die am deutlichsten zeigte, wie Trump die Rolle der Streitkräfte sieht. Er erwähnte die Welt nicht, sprach kein Nationalinteresse an und äußerte keine Besorgnis über Bedrohungen aus China oder Russland.

Und während Präsidenten üblicherweise von individuellem Heldentum als Beweis für ein Land sprechen, das es wert ist, verteidigt zu werden, sagte Trump nichts dergleichen. Weder sprach er über Verfassungsrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, noch über die Demokratie. Amerika existierte in Trumps Rede nicht.

Stattdessen nutzte Trump die US-Militärgeschichte, um seinen Personenkult zu fördern: Große Leistungen auf dem Schlachtfeld wurden zu Taten, die zum Vergnügen eines Führers vollbracht wurden. Der Präsident erwähnte sie, um seine Macht zu demonstrieren. Militärischer Ruhm wird zu einem Spektakel, dem der Führer jede beliebige Bedeutung verleihen kann.

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Das ist das faschistische Prinzip, und Trump hat es verstanden. Alle Politik ist Kampf, und wer den Feind definieren kann, kann an der Macht bleiben. Aber während die historischen Faschisten einen äußeren und einen inneren Feind hatten, hat Trump nur einen innenpolitischen Feind.

Deshalb hat er, nachdem er sich Israels Angriffen auf den Iran angeschlossen hatte, eilig den Sieg und einen Waffenstillstand verkündet. Die Welt ist zu viel für ihn. Die Armee dient nur dazu, die Amerikaner zu beherrschen: Denn Trump will schlussendlich die US-Soldaten darauf vorbereiten, sich als Helden zu betrachten, wenn sie an Inlandseinsätzen teilnehmen.

Die Soldaten sollen Trump folgen

In seiner Rede überhöhte sich Trump massiv. Er machte sich wiederholt über seinen Vorgänger lustig und rief die Soldaten auf, sich über den Grundgedanken hinwegzusetzen, dass ihr Dienst der Verfassung und nicht einer Person gelte.

Das ist die Art und Weise, wie ein Diktator zu einer Palastwache oder einem Paramilitär spricht

Diese beispiellose Personalisierung der Präsidentschaft suggeriert, dass Trumps Autorität noch auf etwas anderem beruht als auf einer Wahl – auf individuellem Charisma oder sogar göttlichem Recht. Die Soldaten sollen Trump folgen, weil er Trump ist.

Die meisten Amerikaner gehen davon aus, dass die US-Armee dazu da ist, uns zu verteidigen. Aber Trump nutzte die Rede, um die Armee dazu zu bringen, ihre Mitbürger zu verhöhnen und seinem Spott gegen Journalisten zu folgen.

Er vermittelte den Soldaten, dass die Gesellschaft nicht zählt und das Gesetz keine Rolle spielt. Nur er selbst sei wichtig, und er „liebt“ Soldaten so sehr, dass „wir euch durch die Bank eine Lohnerhöhung geben“. Das ist die Art und Weise, wie ein Diktator zu einer Palastwache oder einem Paramilitär spricht.

Wir erleben den Versuch eines Regimewechsels

Wir werden derzeit Zeugen eines von Perversitäten durchsetzten Versuchs des Regimewechsels. Das hat eine historische Komponente: Wir sollen die konföderierten Verräter wie Robert E. Lee feiern, die in Verteidigung der Sklaverei gegen die USA rebellierten.

Es hat eine faschistische Komponente: Wir sollen den gegenwärtigen Moment als Ausnahmesituation betrachten, in der dem Führer alles erlaubt ist. Und es hat auch eine institutionelle Komponente: Die Soldaten sollen die Avantgarde des Untergangs der Demokratie sein, deren Aufgabe es ist, die vom Führer auserwählten Feinde zu unterdrücken – innerhalb der USA.

Migration als „Invasion“ zu sehen, das soll die Armee auch glauben. Dabei gehören dem US-Militär, wie in anderen Institutionen auch, Menschen mit Migrationsgeschichte an. Die Truppe ist in hohem Maße von Afroamerikanern und Nichtstaatsbürgern abhängig. Der Versuch, sie in einen Kult der „Confederacy“ und ein Instrument zur Verfolgung von Migranten zu verwandeln, würde zu großen Spannungen führen.

Der Republikaner würde derartiges begrüßen und ausnutzen. Er will eine Armee, die ein persönliches Paramilitär ist. Er will eine Republik in ein faschistisches Regime verwandeln.

Demokratischer Widerstand gegen König Trump

Aber was wollen die US-Soldaten? Trumps Rede war eine hochgradig kuratierte Angelegenheit, bei der die Zuhörer auf der Basis ihrer politischen Ansichten und ihres Aussehens ausgewählt wurden.

Die Militärparade jedoch, die Trump zu Ehren des 250-jährigen Bestehens der Armee und seines eigenen Geburtstags in Washington abhielt und bei der etwa 6.600 Soldaten in Kampfanzügen an einer spärlichen Menschenmenge vorbeischlenderten (nicht marschierten), wurde weithin als „Flop“ bezeichnet. Als militärisches Spektakel konnte sie weder mit Pjöngjang noch mit dem Roten Platz mithalten.

Ich war nicht dabei. Wie mindestens vier Millionen andere Menschen in den USA war ich an diesem Tag auf einer der Anti-Trump-Kundgebungen, die unter dem Motto „No Kings“ in rund 2.100 Orten im ganzen Land stattfanden.

Es war der größte eintägige politische Protest in der Geschichte der USA, stellte die Teilnehmerzahl an Trumps Parade weit in den Schatten und bewies, dass eine Demokratie nur dann existiert, wenn ein Volk existiert. Und ein Volk existiert nur dann, wenn die Menschen sich ihrer Mitmenschen und ihrer Notwendigkeit, gemeinsam zu handeln, bewusst sind. Dieses Bewusstsein ist Trumps schlimmster Feind.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Copyright: Project Syndicate, 2025. Das Project Syndicate mit Sitz in Prag ist eine Non-Profit-Organisation, die internationalen Medien Essays und Meinungsbeiträge von namhaften PublizistInnen und WissenschaftlerInnen anbietet.

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14 Kommentare

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  • "Soldaten fühlen sich eher dem Präsidenten, weniger der Demokratie verpflichtet." Ich bin kein Militärexperte, aber ich halte diese These für unwissend beziehungsweise absolut realitätsfern.

    Der Präsident der USA ist gleichzeitig Oberbefehlshaber des Militärs. Und dies schon seit ... der ersten(?) Verfassung des Landes. Ihm zu folgen und auf seine Befehle zu reagieren ist in der amerikanischen DNA verankert. Daran herrscht landesweit auch kaum ein Zweifel.

    Zudem ist so gut wie jedes Militär stark hierarchisch organisiert. Abstimmungen und Mitspracherechte sind innerhalb der militärischen Strukturen nicht vorgesehen. Man braucht auch nicht viel Fantasie, um dies als Notwendigkeit zu sehen.

  • Carl Schmitt Kronjurist der Nazis läßt grüßen

  • Nach den ersten Proben in Kalifornien, Washington und demnächst Illinois, bringt Trump seine Truppen weiter in Stellung, um nach einer Wahlniederlage seine Präsidentschaft oder die einer seiner Lakaien zu sichern. Arme USA, naive Demokraten

  • ICE ist die künftige Gestapo, die übt mit maskierten Gesichtern an «illegal aliens» schon, wie man Leute verschwinden lässt. Bis sich alle dran gewöhnt haben und dann ist die Opposition dran.

    Es gibt aber auch Widerstandskräfte, ein nicht unwahrscheinliches Szenario ist m.E. ein zweiter amerikanischer Bürgerkrieg.

  • Hahaaa..ich wusste gar nicht, dass die Birthday-Parade dermassen peinlich war für Trump. Sehr gut.

    Es scheint darafu hinauszulaufen, wie die Armee sich missbrauchen lässt. Der Kirk-Anschlag gibt Trump leider Rückenwind für seine Mitlitäreinsätze, aber die Bevölkerung wird ihm schon den Marsch blasen, denke ich.

  • Diese ganze Zuspitzung und Implosion der Demokratien, der "Siegeszug" der Unversöhnlichkeit und des Hasses sind mit den sozialen Medien über die Welt geschwappt. Das ist kein Zufall.

    Und solange wir diese Medien haben und diese manipulierbar sind - was sie grundweg sind, egal ob von Einzelnen mit Intentionen oder von Algorithmen - werden wir nicht mehr zurück in eine normale politische Meinungsbildung und Regierung kommen. Der Zug ist abgefahren.

    B.C. Han hat es für mich sehr treffend beschrieben: Wir haben das Zeitalter der Wahrheit und damit auch der Vernunft leider viel zu schnell hinter uns gelassen. Es ist für uns verloren und das ist der Kern des Niedergangs unserer Zivilisation. Unter früheren Bedingungen kam die Wahrheit langfristig wieder zum Durchbruch selbst wenn Zeiten schlimm oder zum Verzweifeln waren. Davon sehen wir heute nichts mehr, weil nicht zuletzt sehr viele nicht mehr an irgendeine Wahrheit glauben und das eben - Brückenschlag zum Beginn - weil alles was wir erfahren und was uns vorgesetzt wird via sozialen Medien und dem was man "KI" nennt sehr leicht sehr schnell manipulierbar ist und manipuliert wird. Zusätzlich zur Filterung klass. Medien.

    Game Over.

  • Auf den Punkt gebracht!

    Wenn die Demokraten jetzt nicht bald aus ihrer Schockstarre oder teilweise auch aus ihrem Dornröschen Schlaf erwachen, ist es mit der amerikanischen Demokratie vorbei.



    Nachdem Trump für Putin den roten Teppich ausgerollt hat, scheint sich der jetzt ernsthaft mit der NATO anzulegen.



    Böse Zeiten.

  • Trumps Einsatz des Militärs im Inland dient nur vorgeblich der Abschiebung von Migranten. Tatsächlich bereitet er das Militär darauf vor, im Falle einer Wahlniederlage, seine Präsidentschaft oder die von JD Vincling zu sichern

  • Erschreckend ist die Schwäche der Demokraten. Anstatt massiv aufzuklären und jede !!!! Schmälerung demokratischer Errungenschaften laut und deutlich anzuprangern, hört man von denen nichts. Einzig der californische Gouverneur hält ein wenig dagegen, freilich ohne bemerkenswerte Unterstützung der Partei. Schielen da etwa potentielle Kandidat*innen nach der Präsidentschaft? Das können sie vergessen, wenn nicht JETZT beherzt der Kampf gegen Faschismus und Diktatur aufgenommen wird, dann ist es zu spät....

    • @Perkele:

      Die US Dems geben angesichts Trump ein Bild ab, für das es die amerikanische Redewendung "Like a deer in headlights" - wie ein Reh im Fernlicht - gibt. Ungläubiges Erstaunen angesichts der auf sie zukommenden Gefahr und ein formelhaftes Beschwören der "Checks and Balances" welche bereits eifrig und erfolgreich demontiert werden. Schumer, Pelosi und der Rest der Granden tun so, als ließen sich Trump und sein MAGA Kult einfach aussitzen. Es IST bereits zu spät, und wir Nicht Rechten tun auch hier so, als würde irgendwie alles gut, wenn man nur fleißig pfeift im dunklen Wald.

  • Zu "Nie Wieder!" gehört es meiner Ansicht nach auch, den Faschismus um jeden Preis zu verhindern. Unsere schandhafte Historie verpflichtet uns dazu.

    Aber bei dem Mangel an Courage möchten, so wie es ausschaut, viele Menschen stattdessen ein "Wieder!"

    Mehr Konzentrationslager wie Alligator Alcatraz sollen gebaut werden und wir erleben eine Wiedergeburt der SS in den USA. Lateinamerikanisch- und afrikanischstämmige Menschen sowie Muslime werden aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit zu Drogenkuriern und Terroristen gebrandmarkt, um sie zu foltern und zu töten. Und wir sehen einfach nur zu.

  • Zitat Trump: "Ich will Generäle, wie Hitler sie gehabt hat." Sprich: Nur ihm absolut loyal und verpflichtet. Die ihm nicht widersprechen oder gar kritisieren. Trump hat von beginn an, auch schon während seiner ersten Amtszeit, sämtliche Autokraten und Diktatoren auf diesem Planeten gelobt und die als seine Freunde betrachtet. Das allein hätte schon überall die Alarmglocken klingeln lassen müssen. Stattdessen wurden und werden seine Aussagen immer noch von den Medien verharmlost und belächelt. "Ach der meint das doch nicht so." Doch, tut er. Und ich habe es vor längerer Zeit schon einmal geschrieben: Trump ist die größere Gefahr für Europa als Putin, denn ihm ist innert eines halben Jahres gelungen, was der russische Despot in 20 Jahren nicht geschafft hat hat: Den Westen zu destabilisieren und zu verunsichern, schlussendlich sogar nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.

    • @Minelle:

      Und er hat seine Truppen bereits hier...

    • @Minelle:

      seh ich auch so. Gruss Peter