Tschetschenische Kampfsport-Propaganda: Der Sieg des Diktators
Zum ersten Mal ist ein Tschetschene Champion in der weltweit größten MMA-Organisation UFC geworden. Dahinter steckt Putins Krieger Ramsan Kadyrow.

Es war einer, wenn nicht sogar der am meisten erwartete Kampf des Jahres: der Tschetschene Khamzat Chimaev gegen den Champion im Mittelgewicht, den Südafrikaner Dricus du Plessis.
Das Aufeinandertreffen der beiden bei dem Event UFC 319 am vergangenen Samstag in Chicago war nicht nur das von Titelträger und Herausforderer, sondern das von zwei physisch Unaufhaltbaren. Die US-amerikanische und weltweit größte MMA-Organisation Ultimate Fighting Championship (UFC) verkaufte den Kampf als „Keine Ruhe vor dem Sturm“ – und behielt recht. Es dauerte keine fünf Sekunden, bis Chimaev den hünenhaften du Plessis erfolgreich zu Boden rang.
Was folgte, war eine beeindruckende, 25-minütige Machtdemonstration des Tschetschenen. Keine Runde verging, ohne dass er du Plessis spielend leicht zu Boden brachte und dort dominierte. Nach fünf Runden stand der Sieger fest und um Chimaevs Hüften prangte der goldene UFC-Gürtel, auf den er seit 2018 hinarbeitet. Er bleibt in fünfzehn Kämpfen ungeschlagen.
Doch während man sich sportlich für den 31-Jährigen freuen kann, ist das politisch keineswegs der Fall. Denn hinter Chimaev steht ein skrupelloser Diktator, der weder vor Mord noch Folter zurückschreckt.
Der „Fight Club Akhmat“
Im russischen Teil des Kaukasus, an der Grenze zu Georgien, liegt die autonome Republik Tschetschenien. Ihr Anführer, der „Bluthund“ Ramsan Kadyrow, ist ein von Putin offiziös installierter Machthaber, der erbarmungslos und islamistisch regiert. Seit Beginn der 2010er Jahre nutzt er gezielt den Kampfsport, insbesondere MMA, um seine Propaganda und ein toxisches Männlichkeitsbild zu verbreiten.
Viele Kämpfer werden in seinem eigenen „Fight Club Akhmat“ ausgebildet, kämpfen später in den größten Ligen und erreichen dadurch die größtmögliche Plattform für den Diktator. Gehen die professionell ausgebildeten Kämpfer nicht in den Sport über, werden sie in die „Kadyrowzy“ eingegliedert, eine besonders brutale Spezialeinheit, die aktuell in der Ukraine auf der Seite Putins mordet und zerstört.
Der Sieg und bereits die Vorbereitungen von Chimaev wurden auf dem Instagram-Kanal des Clubs erwartungsgemäß und mit hoher Reichweite verbreitet. Und auch der MMA-Kämpfer zeigt sich auf seinen Kanälen mit dem Diktator, seinen Söhnen und bewirbt tschetschenische und russische Bauprojekte. Dass ein Tschetschene nun den ersehnten Titelgürtel trägt, ist ein medialer Riesenerfolg für den Diktator.
Doch der Sieg von Chimaev war keineswegs determiniert. Zwar handhabten die Buchmacher:innen den Südafrikaner Dricus du Plessis im Vorfeld als Underdog, doch unter den Expert:innen gab es keinen Konsens. Denn du Plessis ist für seinen unkonventionellen Kampfstil bekannt, der wegen seiner unorthodoxen, sogar komisch anmutenden Bewegungen viele Kämpfer schon irritierte. Oft sehen seine Angriffe wie wilde, unkontrollierte Schlagserien aus oder der Wurf zu Boden wie ein Unfall.
Die Moral weicht dem Kapital
Im Vorfeld des Kampfes behauptete du Plessis sogar, dass Fußarbeit im Sport keinerlei Bedeutung hat. Da würden ihm sicherlich einige Leichtfüßige widersprechen, allen voran Oleksandr Usyk, der ukrainische Boxweltmeister. Doch das Chaos von du Plessis hat Methode. Der Südafrikaner ist physisch ungemein stark, hat einen kaum zu brechenden Willen und Kraft in seinen Schlägen. Und doch brachte ihm das alles nichts gegen den unaufhaltbaren Chimaev.
„Borz“, so dessen Kampfname, ist das tschetschenische Wort für Wolf. „Naturgewalt“ wäre ebenso passend. Chimaev geht in seinen Kämpfen nach stets demselben Prinzip vor: Druck, so viel es nur geht. Und obwohl seine Strategie für jeden bekannt ist, konnte ihm bisher niemand etwas entgegensetzen.
Die meisten seiner Kämpfe beendete er vorzeitig, und Kommentatoren wie Promoter unterstrichen immer wieder, wie einschüchternd die Aura von Chimaev sei. Sein verschmitztes Grinsen, die bösartigen Augen, der massive, die aggressive Attitüde. Dadurch wird Chimaev vor allem eines: vermarktbar.
Deswegen stören den UFC-Präsidenten Dana White seine Verbindungen zu Kadyrow auch nicht. Die Moral weicht bekanntlich dem Kapital. Die milliardenschwere UFC unterhält beste Beziehungen nach Saudi-Arabien und bietet US-Präsident Donald Trump regelmäßig eine Bühne. Dieser sorgte nun dafür, dass Chimaev für UFC 319 ein Visum bekam und ohne Komplikationen einreisen konnte. Aufgrund der Freundschaft des MMA-Kämpfers mit Kadyrow war das unter Biden noch schwierig, doch Trump erfüllt seinem Vertrauten White nahezu jeden Gefallen.
Höhepunkt von Kadyrows Propagandaprojekt
Diese Unterstützung kommt auch Kadyrow zugute. Während er in der Vergangenheit schon Säuberungen gegen Queere durchführte und Oppositionelle in mehreren Ländern ermorden ließ – unter anderem im Tiergarten-Mord in Berlin im August 2019 – bleibt er eine Größe im MMA-Sport.
Der Sieg des medial nun omnipräsenten Chimaev ist der Höhepunkt von Kadyrows Propagandaprojekt. Dass der Tschetschene „Ich töte alle, Allahu akbar“ nach einem Sieg im September 2022 schrie, immer wieder seinen Patriotismus für das „Mutterland“ Russland unterstreicht und du Plessis als schwul beleidigte, ist im Sinne des Diktators.
Die UFC wird Khamzat „Borz“ Chimaev in Zukunft noch größer inszenieren als ohnehin schon. Als Mittelgewichtschampion gibt es eine Vielzahl an attraktiven Kämpfen für ihn, und die UFC riecht schon einen Mega-Event in Saudi-Arabien mit möglichst vielen russischen Kämpfern. Trump wird das alles stillschweigend unterstützen und hilft damit wissentlich den Diktatoren aus Russland.
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