Türkei greift Kurden in Syrien an: „Beispiellose Eskalation“

Die Türkei fliegt Luftangriffe gegen die Kurden in Syrien und tötet dabei mindestens 35 Zivilisten. Unterdessen wurden die letzten Bewohner aus Daraja evakuiert.

Im Hintergrund eines Traktors mit Anhänger fahren Panzer über eine Straße

Felder bestellen zwischen Panzern: Türkische Militärfahrzeuge kehren von der syrischen Grenze zurück Foto: ap

BEIRUT ap | Die Türkei weitet nach ihrem Einmarsch in Syrien ihre Angriffe auf die kurdischen Milizen im Grenzgebiet aus. Am Samstag bombardierte die türkische Luftwaffe Ziele in der Nähe der syrischen Grenzstadt Dscharablus, gleichzeitig rückten von der Türkei unterstützte Rebellenfraktionen tiefer nach Syrien ein.

Darüber, was die Ziele der Luftangriffe waren, gab es unterschiedliche Angaben. Die Türkei erklärte nur, sie habe „Terrorgruppen“ attackiert, ohne die Kurden beim Namen zu nennen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, wurden dabei mindestens 35 Zivilisten getötet. Der den Kurden nahestehende Militärrat von Dscharablus sprach von einer „beispiellosen und gefährlichen Eskalation“. Er erklärte, kurdische Stellungen und auch Wohngebiete im Dorf Amarne südlich von Dscharablus seien beschossen worden.

Dort lieferten sich anschließend auch die kurdischen Milizen und Rebellen der Gruppe Nur al-din al-Sinki heftige Gefechte. Nach kurdischer Darstellung wurden die Rebellen von türkischen Panzern unterstützt. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, wurden zwei türkische Panzer in Dscharablus von kurdischen Raketen getroffen. Ein Soldat sei getötet worden. Er ist damit das erste türkische Opfer seit Beginn der Operation „Schutzschild Euphrat“.

Die kurdischen Milizen, kurz YPG, führen im Bürgerkrieg die Demokratischen Kräften Syriens an, die auch von den USA unterstützt werden. Die Gruppe hat sich als besonders effektiv im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat erwiesen, zuletzt etwa mit der Eroberung von Manbidsch. Die Türkei sieht die YPG aber als verlängerten Arm der verbotenen türkischen Arbeiterpartei PKK und fürchtet, dass sie versuchen könnten, im Grenzgebiet ihren eigenen kurdischen Staat zu schaffen.

Der Einmarsch der Türkei, durch den die Eroberung von Dscharablus vom IS ermöglicht wurde, war auch dazu gedacht, die kurdisch-geführten Kräfte an einem weiteren Bodengewinn zu hindern. Die Türkei forderte die Kurden auf, sich auf die Ostseite des Flusses Euphrat zurückziehen, der bei Dscharablus über die Grenze fließt.

Letzte Bewohner werden aus Daraja evakuiert

In Daraja, einem Vorort der Hauptstadt Damaskus, wurden am Samstag die letzten Einwohnern in Busse geladen und in ein Notlager in Regierungsgebieten gebracht. Die ultrakonservative Rebellen aus Daraja hatten eingewilligt, den Ort nach vier Jahren Belagerung aufzugeben. 700 von ihnen wurde im Gegenzug freies Geleit in die von Rebellen kontrollierte Provinz Idlib gewährt. Rund 4000 Zivilisten aus Daraja wurden unter der Vereinbarung aus dem Ort gebracht worden.

Rund 280 der Rebellen aus Daraja kamen am Samstagmorgen bereits in Babiska in der Provinz Idlib ab, unweit der türkischen Grenze. Bewohner Mohammed al-Ajed sagte, die Busse seien mit Gewehrschüssen in die Luft freudig begrüßt worden.

Zu neuen Angriffen kam es am Samstag in Aleppo. Dort seien 15 Menschen ums Leben gekommen, als vermutlich syrische Helikopter Fassbomben auf eine Trauerfeier in einem Rebellenviertel abgeworfen hätten, berichteten medizinische Helfer.

Am Abend zuvor hatten sich die USA und Russland auf Schritte zu einer Waffenruhe in Syrien geeinigt. Es bestehe Klarheit über den Weg, Einzelheiten müssten aber noch besprochen werden, sagte US-Außenminister John Kerry nach stundenlangen Gesprächen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Genf.

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