Türkei greift in den Syrienkrieg ein: Die Panzer stehen bereit

Die Türkei zieht Kämpfer syrischer Milizen und eigene Truppen an der Grenze zusammen. Der Angriff auf den IS soll auch die Kurden schwächen.

Panzer und Soldaten am Straßenrand

Grenzfall: türkische Panzer – hier bei einer früheren Aktion im Nordirak Foto: dpa

ISTANBUL taz | Nach der Ankündigung von Ministerpräsident Binali Yildirim, aktiver in den Syrienkrieg eingreifen zu wollen, steht jetzt die erste Aktion am Boden bevor. Seit Tagen zieht die türkische Armee Kämpfer der „Free Syrian Army“ die seit längerem von der Türkei unterstützt werden, auf türkischem Gebiet zusammen, um mithilfe dieser Milizen den Grenzort Jerablus, der vom IS besetzt ist, zu erobern.

„Wir werden den IS von der türkisch-syrischen Grenze vollständig vertreiben“, hatte Außenminister Mevlüt Cavusoglu nach dem schweren Anschlag in Gaziantep, der am Wochenende vom IS verübt worden sein soll, angekündigt. Erst gestern landeten wieder drei Raketen vom IS auf türkischem Boden. Zur Vorbereitung der „Operation Jerablus“ tagte in Ankara der Oberste Militärrat. Zeitgleich traf der mit der Türkei verbündete Präsident der Nordirakischen kurdischen Autonomiezone, Massoud Barsani in Ankara ein.

Nach dem Bericht eines Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters haben sich in dem türkischen Grenzort Karkamis, der Jerablus genau gegenüberliegt, mittlerweile hunderte syrische Kämpfer eingefunden, manche Quellen sprechen von bis zu 700 Angehörigen säkularer Milizen wie auch Mitglieder diverser dschihadistischer Gruppen, die nach türkischer Definition alle unter den Schirm der Free Syrian Army gehören.

Unterstützt von türkischer Artillerie und Panzern, die aber vorerst auf der türkischen Seite der Grenze bleiben sollen, werden diese Milizen in den kommenden Tagen versuchen, den IS aus Jerablus zu vertreiben. Jerablus ist der letzte größere Ort an der türkischen Grenze, den der IS noch kontrolliert. Nach der Niederlage gegen syrisch-kurdische Truppen in Manbidsch, flohen die überlebenden IS Kämpfer nach Jerablus. Offenbar rücken aber bereits kurdische Kämpfer auf der Straße von Manbidsch in Richtung Jerablus nach, um den IS auch dort zu stellen.

Ankaras größte Sorge

Neben der Vertreibung des IS ist das eigentliche Ziel der türkischen Regierung mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich die Truppen der syrischen Kurden in Jerablus festsetzen. Sollten nämlich kurdische YPG Kämpfer von Manbidsch und Jerablus anschließend nach Westen vorstoßen, würden sie die letzte Lücke zwischen denen von ihnen kontrollierten Gebieten östlich von Jerablus und dem kurdischen Kanton Afrin im Westen schließen können. Damit wäre ein Gebiet von ungefähr 500 km entlang der syrisch-türkischen Grenze unter kurdischer Kontrolle, und die Kurden könnten ihre autonome Zone „Rojeva“ komplett machen.

Foto: taz / Infotext

Die Entstehung eines solchen kurdischen Autonomiegebietes in Syrien, ist derzeit die größte Sorge in Ankara. Die PYD, die dominierende Partei im syrischen Kurdengebiet, ist ein direkter Ableger der PKK, aus Sicht der türkischen Regierung entstünde in Syrien deshalb ein großes Autonomiegebiet unter der Kontrolle der PKK. Um das zu verhindern, wäre Präsident Recep Tayyip Erdogan wohl im Notfall sogar bereit, türkische Truppen einzusetzen, falls die Milizen der „Free Syrian Army“ es in Jerablus nicht alleine schaffen. Schon jetzt werden gegenüber Jerablus Panzerverbände stationiert, die jederzeit auf syrisches Gebiet vorstoßen können.

Nach türkischen Angaben sind sowohl die Russen wie auch die USA von ihrer Aktion unterrichtet. Mit Einwilligung aus Moskau bombardiert die türkische Luftwaffe bereits Stellungen der kurdischen YPG nahe Manbidsch.

Das allerdings dürfte für die USA ein großes Problem sein, sind doch die kurdischen YPG-Truppen ihre engsten Verbündeten in Syrien. Gerade noch hatten die USA Baschar al Assad damit gedroht, syrische Kampfflugzeuge abzuschießen, wenn diese weiterhin kurdische Truppen in Hassaka angreifen. Wie werden sich die USA nun gegenüber ihrem Nato-Partner Türkei verhalten? Am Mittwoch trifft US-Vizepräsident Jo Biden von Lettland kommend in Ankara ein. Neben dem Konflikt in Syrien soll es dabei auch um die Auslieferung von Fethullah Gülen gehen, der in den USA lebt und den die Türkei als Drahtzieher für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich macht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.