Türkischer Ex-Präsident Demirel ist tot: Siebenmal Ministerpräsident

Er hat die Politik in der Türkei geprägt wie wenige andere im vergangenen halben Jahrhundert. Süleyman Demirel starb am Mittwoch im Alter von 90 Jahren.

Süleyman Demirel gestikuliert mit den Händen

Zweimal wurde seine Amtszeit durch einen Militärputsch beendet (Archivbild von 1998). Foto: ap

ANKARA ap | Der ehemalige türkische Präsident Süleyman Demirel ist tot. Er starb am frühen Mittwochmorgen im Alter von 90 Jahren in der Hauptstadt Ankara an Herzversagen und einer Atemwegsinfektion, wie Ärzte des Güven-Krankenhauses im türkischen Fernsehen erklärten. Demirel war eine der einflussreichsten türkischen Politiker der vergangenen 50 Jahre. Zwischen 1993 und 2000 war er Staatspräsident der Türkei, was den Höhepunkt seiner vier Jahrzehnte andauernden politischen Karriere bildete.

Er diente zuvor insgesamt siebenmal als Ministerpräsident seines Landes – zwei seiner Amtszeiten endeten in einem Sturz der Regierung durch Militärputsche. Bei der Verkündung des Todes sagte seine persönliche Ärztin Aylin Cesur: „Unser angesehener Präsident, der von dem Wasser, das wir trinken, bis zum Strom, den wir nutzen, von Schulen, an denen wir gelernt haben, zu diesen Krankenhäusern (...) und den Flughäfen dauerhafte Spuren hinterlassen hat, ist dahingeschieden.“

In Demirels Regierungszeit fällt der Wandel des Landes von der durch Landwirtschaft geprägten hin zu einer industrialisierten und städtischen Gesellschaft. Das bedeutete für viele Türken eine Erhöhung ihres Lebensstandards. Seine Kritiker monierten jedoch, Demirel habe eine Kultur symbolisiert, in der Macht wichtiger sei als Prinzipien.

Ihm wurde zudem vorgeworfen, er habe bei der Etablierung von Klüngelwirtschaft und Bestechung geholfen. Seine Gegner verwiesen dabei oft auf ein berüchtigtes „Familienfoto“, das Demirel mit Verwandten und Partnern aus der Geschäftswelt zeigt – einige der Abgelichteten kamen später wegen Korruption ins Gefängnis.

Jüngster Ministerpräsident

Demirels politische Laufbahn begann nach dem Militärputsch 1960, der die Regierung von Adnan Menderes entthronte. Menderes und zwei Kabinettsmitglieder wurden hingerichtet, anderen Spitzenkräften ihrer Partei wurde jegliches politisches Amt verboten. Dies sorgte für ein Vakuum im gemäßigt rechten Spektrum der türkischen Politik. In diese Lücke drang der bis dato politisch unbekannte Demirel ein, der gebürtig als Ingenieur ausgebildet worden war.

Im Alter von gerade einmal 40 Jahren wurde Demirel überraschenderweise zum Chef der neu formierten Gerechtigkeitspartei gewählt, die als Nachfolgepartei des Menderes-Bündnis angesehen werden kann. 1965 wurde er jüngster Ministerpräsident seines Landes.

Sein populistischer Stil und sein Einsatz für den Islam brachten „Sulu, dem Hirten“, wie er wegen seiner Herkunft genannt wurde, viele Stimmen von Konservativen ein. Die Entwicklung des Landes hin zur Industriegesellschaft war fortan eine der größten Herausforderungen für die Regierung.

Aus dem Amt gedrängt

1970 sah sich Demirel in der Defensive: Studenten und Gewerkschaften forderten radikale Reformen, während Demirel von rechts von neuen nationalistischen und islamistischen Parteien bedrängt wurde. Als der ideologische Konflikt in Gewalt umschlug, griff das Militär ein – Demirel wurde so 1971 aus dem Amt gedrängt.

1975 kehrte er an die Macht zurück, doch seine Koalition konnte den Weg der Türkei ins Chaos nicht verhindern. Dutzende Menschen wurden jede Woche bei Kämpfen zwischen linken und rechten Banden getötet. Die Türkei taumelte schließlich einem weiteren Militärputsch im Jahr 1980 entgegen.

Demirel wurde bis Ende der 80er Jahre aus der Politik verbannt, 1991 dann aber erneut Regierungschef. 1993 wurde er dann Präsident, nach dem Tod seines Vorgängers Turgut Özal.

In Erinnerung wird auch eines seiner Lieblingszitate bleiben, mit dem er Kritikern begegnete, die ihm Kehrtwenden und Unbeständigkeit vorgeworfen hatten: „Gestern war gestern – und heute ist heute.“

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