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Tugendwächter in RedaktionenFelix Klein rät Medien zu Antisemitismus-Ansprechpartnern

Der Antisemitismusbeauftragte meint, Medien bräuchten Expertise beim sensiblen Thema Antisemitismus. Dabei ist er bei dem Thema selbst oft unsensibel.

Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung: Felix Klein bei einer Diskussionsveranstaltung am 7. Oktober 2025 Foto: Britta Pedersen/dpa

kna/taz | In allen großen Medienhäusern in Deutschland sollte es feste Ansprechpartner für Antisemitismusfragen geben, das sagte der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, in einem Interview der „Welt am Sonntag“. In Behörden und Universitäten sei dies bereits üblich, fügte er hinzu: „Gerade in Redaktionen, in denen täglich Entscheidungen getroffen werden, welche Themen auf welche Weise in die Öffentlichkeit gelangen, ist das von entscheidender Bedeutung.“

Es gehe nicht nur um Fakten, „sondern um die Vermittlung von Haltung, um Verantwortung für das gesellschaftliche Klima“, ergänzte Klein. Der Umgang mit Israel, mit dem Nahost-Konflikt und mit jüdischem Leben in Deutschland seien Themen, die die Gesellschaft emotional stark aufladen könnten: „Und gerade deshalb brauchen wir hier ein professionelles, sachkundiges Fundament.“

Er freue sich, dass es mittlerweile den Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten gebe, so Klein weiter. Dieser könne künftig auch als Ansprechpartner und Partner für Medien dienen. Der Beauftragte berichtete weiter, der Verband werde aus seinem Haushalt unterstützt, erstmals im kommenden Jahr, weil er eine Lücke fülle, die lange bestanden habe: „Er kann journalistische Redaktionen beraten, Schulungen anbieten, rechtliche Expertise liefern und dabei helfen, Vorurteile zu erkennen, bevor sie sich in die Berichterstattung einschleichen.“

Ein breit interpretierter Arbeitsauftrag

Klein selbst ist nicht unumstritten. In der Vergangenheit hat er seinen Auftrag, Antisemitismus entgegenzutreten, sehr großzügig interpretiert.

Dem kamerunischen Historiker Achille Mbembe etwa warf er vor, seine Arbeit weise „alle Merkmale des israelbezogenen Antisemitismus“ auf. Mbembe hatte zu Parallelen zwischen Kolonialismus und Holocaust geforscht und die israelische Besatzungspolitik des Westjordanlandes mit der Apartheid in Südafrika verglichen – ein Vergleich, den führende Menschenrechtsorganisationen teilen.

Als Trump im Februar dieses Jahres seinen Vertreibungsplan für Gaza vorstellte, zeigte sich Klein bereit, „radikal und einmal völlig neu zu denken“.

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4 Kommentare

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  • Und was ist die Richtschnur? Die vielbeschworene deutsche Staatsräson, die jeder rechtlichen Grundlage entbehrt? Der umstrittene Antisemitismusbegriff der IHRA?

    Der Verband jüdischer Journalistinnen und Journalisten ist m.E. schlicht eine Lobbygruppe, ein Blick in die Rubrik "Aktuelles" auf dessen Webseite genügt. Das ist legitim, sollte aber nicht zu offizieller Politik werden.

  • Warum das Rad neu erfinden? Mit den Trusted Flaggern fuer Soziale Medien gibt es doch schon eine Vorlage, die von vielen Medienhaeusern befuerwortet wird.

  • Hm. Haben wir denn in den Medien auch Beauftragte zu andren solchen Themen (meine NICHT Arbeitsschutz- oder Gleichstellungsbeauftragte)? Denke, das ist schwierig, gerade wenn die Rolle dann so umgesetzt werden soll, wie Kleins Vorbild (siehe Artikel) das vorlebt. Könnte gut als ausgelagerte Zensurbehörde (miss)verstanden werden und wäre dann kontraproduktiv.

  • Dikasterium

    Zitat: „Es gehe nicht nur um Fakten, „sondern um die Vermittlung von Haltung, um Verantwortung für das gesellschaftliche Klima“, ergänzte Klein.“

    Ergo: In den Redaktionen solle so was wie ein Heiliges Offizium geschaffen werden, das über die rechtgläubige Einhaltung des vorgegebenen Narratives wacht. Robert Havemann fand für dieses Ansinnen die zutreffende Bezeichnung. „Hauptverwaltung Ewige Wahrheit“. Beim Vatikan gibt es eigens dazu die „Glaubenskongretation“.

    Nun gehört eine „Haltung um Verantwortung für das gesellschaftliche Klima“ zu den ethnischen Essential für jedes volljährige Mitglied der Gesellschaft, das sich mehr als nur um sich selbst kümmern muß, also auch für Journalisten. Dabei umfaßt das Haltungsfeld nicht ein rausgepicktes Einzelthema wie das hier zur Debatte stehende, sondern umfaßt alle Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Bedarf es da für jedes einzelne davon eines gesonderten „Beauftragten“?

    Wem die „Haltung um Verantwortung für das gesellschaftliche Klima“ nicht im Fleisch und Blut steckt, taugt a priori weder für den Beruf des Journalisten noch eine sonstige gesellschaftsbezogene Aufgabe. Da hilft auch kein "Beauftragter".