Tunesien nach Ben Ali: Scharfschützen auf dem Dach

Die Ben-Ali-Portraits werden abgehängt - doch in Tunesien gibt es weiter Feuergefechte und Ausgangssperren. Vertreter der Opposition verhandeln Zeitplan für Neuwahl.

Eine Frau, aufgenommen vor einem geplünderten Supermarkt in La Gazella bei Tunis. Bild: dpa

TUNIS taz | Die Lage in Tunesien ist auch am Tag, nachdem Präsident Zine El Abidine Ben Ali abdankte und nach Saudi-Arabien ausflog, völlig unübersichtlich. Senatspräsident Fouad Mebazaa hat die Geschäfte als neuer Staatspräsident übernommen. Er beauftragte Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi, der am Freitag Abend den Rücktritt Ben Alis im Fernsehen verkündete, mit der Bildung einer Koalitionsregierung der nationalen Einheit.

Ghannouchi lud am Samstag die Vertreter verschiedener Oppositionsparteien zu Gesprächen. Neben Mustafa Ben Jaafar von der Union für Freiheit und Arbeit waren dies der ehemalige Kommunist Ahmed Brahimi von der Ettajid-Partei, sowie der Anwalt und ehemalige Präsidentschaftskandidat Nejib Chebbi, Vorsitzender der Fortschrittlich Demokratischen Partei. "Morgen wird es ein weiteres Treffen geben mit dem Ziel, das Land aus dieser Situation herauszubringen und wirkliche Reformen zu erreichen", sagte Ben Jaafar. Die Ergebnisse der Beratungen würden am Sonntag bekanntgegeben. Am Ende der Verhandlungen soll unter anderem ein Zeitplan für Neuwahlen stehen.

Die Sicherheitslage bleibt derweil weiterhin angespannt. Am Samstag wurde erneut eine Ausgangssperre von 17 Uhr bis 7 Uhr in der Früh verhängt. Im Zentrum von Tunis wurden entlang der Avenue Habib Bourguiba, in der sich das Innenministerium befindet, hunderte von Polizisten stationiert. Die Armee kontrolliert die Zufahrten zum Stadtzentrum. Mit Einbruch der Dunkelheit sind vielerorts wieder Schüsse zu hören.

Kurz nach der Vereidigung von Mebazaa zum Übergangspräsidenten kam es vor dem Innenministerium zu einem Feuergefecht mit unbekannten Angreifern. Journalisten der Nachrichtenagentur AP beobachteten, wie zwei Menschen nach dem Schusswechsel am Boden lagen. Ob sie tot oder verletzt waren, blieb zunächst unklar. Auf den Dächern des Innenministeriums sind Scharfschützen postiert.

Gleichzeitig scheint im Hintergrund eine Säuberungswelle begonnen zu haben. Über Twitter verbreitete der Oppositionskanal nawaat.org ein 4444/http://:Video, auf dem zu sehen ist, wie der Polizeichef von Oued Ellil, einer Stadt westlich der Hauptstadt Tunis, verhaftet wurde. Die im Stadtbild allgegenwärtigen Portraits von Ben Ali wurden in aller Eile abgehängt.

Im Urlaubsort Monastir kam es zum tragischsten Zwischenfall des Samstags. Die Gefangenen des dortigen Gefängnisses zündeten Matratzen an, offenbar um ihre Freilassung zu erzwingen. Dabei kamen nach Angaben der Gefängnisärzte mindestens 60 Häftlinge ums Leben.

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