UN-Deklaration für Ureinwohner beschlossen: "Weder Dummköpfe, noch Tiere"

Nach 22 Jahren Gezänk verabschiedet die UN-Vollversammlung eine Deklaration zum Schutz der Ureinwohner. Kanada, Australien, die USA und Neuseeland stimmen dagegen.

Kommt nicht oft vor: Ein indigener Präsident. Boliviens Staatschef Evo Morales (mit Mütze) auf einem traditionellen Fest im Regierungspalast. Bild: ap

Die Vereinten Nationen wollen die Rechte von rund 370 Millionen Ureinwohnern in der Welt stärken. Am Donnerstag verabschiedete die UN-Vollversammlung in New York mit großer Mehrheit erstmals eine "Deklaration über die Rechte der indigenen Völker". Die USA, Australien, Kanada und Neuseeland stimmten dagegen, weil sie die Wirtschaftsinteressen von Unternehmen berührt sehen. Elf Regierungen, darunter die russische und die kolumbianische, enthielten sich.

Die indigenen Völker sollen der "Deklaration über die Rechte der indigenen Völker" zufolge selbst über die Entwicklung ihres Landes, den Abbau von Rohstoffen, Selbstverwaltung und Gesundheitsprogramme entscheiden können. Für Landstriche, von denen sie einmal vertrieben wurden, steht den Ureinwohnern Ersatz oder Ausgleich in anderer Form zu. Ihr eigenes Land darf grundsätzlich nicht für militärische Zwecke oder zur Entsorgung gefährlicher Stoffe missbraucht werden. Über seine Nutzung bestimmen ausschließlich sie. Die Deklaration sieht auch Schutz vor Diskriminierung vor. Laut UN-Angaben beherbergen noch rund 70 Länder Urvölker mit eigener Sprache, Kultur, Tradition und Religion.

Der bolivianische Präsident Evo Morales, ein Aymara-Indianer, begrüßte die Erklärung als historische Wegmarke auf dem Weg zur Selbstbestimmung. "Die ganze Welt hat jetzt anerkannt, dass der Rassismus abgeschafft werden muss", sagte Morales in Cochabamba. "Das müssen all jene verstehen, die uns immer noch als Ignoranten, Dummköpfe oder Tiere behandeln."

Das mit 143 Stimmen beschlossene Dokument gewährt den indigenen Völkern das Recht, selbst über die Entwicklung ihres Landes, den Abbau von Rohstoffen, Fragen der Selbstverwaltung und Gesundheitsprogramme zu entscheiden. Allerdings ist es rechtlich nicht bindend. Dazu müsste sie erst ins jeweils nationale Recht übernommen werden. Dennoch war über die Erklärung mehr als zwei Jahrzehnte lang in verschiedenen internationalen Gremien gestritten worden, der UN-Menschenrechtsrat in Genf hatte sie 2006 angenommen.

Für die US-Regierung ist die Deklaration "inakzeptabel", Kanada nannte den Text "grundlegend fehlerhaft". Er sei "außerhalb dessen, was Australier als gerecht empfinden", sagte der australische Minister Mal Brough. Er spalte die Gesellschaft und sei nicht umsetzbar. Tom Calma von der Gleichstellungsbehörde in Canberra kritisierte hingegen die Regierungsposition. Die 470.000 australischen Aborigines lebten größtenteils in Armut.

UN-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour bezeichnete die Annahme der Resolution als "Triumph für die Gerechtigkeit und die Menschenwürde". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drängte darauf, die Rechte dieser Minderheiten auf allen Ebenen in politische Programme zu integrieren. Der Vorsitzende des Global Indigenous Caucus, Les Malezer, bekräftigte nach dem Votum, dass die Erklärung seinen Leuten keine Extrarechte, sondern nur fundamentale Menschenrechte zugestehe. "Diese Rechte sind international längst anerkannt, den Ureinwohnern aber bisher verweigert worden", sagte Malezer.

Vor der Genehmigung des Bau von Wasserkraftwerken oder der Förderung von Bodenschätzen auf Indianerland müssten jetzt die Betroffenen angehört werden, hob die brasilianische Soziologin Azelene Kaingang hervor. Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen forderte die Staatengemeinschaft auf, Staudammbauten, Rohstoffförderung und Abholzungen in den Ureinwohner-Gebieten neu auszuhandeln.

Die UN-Deklaration sei ein "Durchbruch den für weltweiten Menschenrechtsschutz" und wecke die Hoffnung auf Verhandlungen auf Augenhöhe über Landrechte, sagte GfbV-Sprecherin Yvonne Bangert. Erstmals würden damit ausdrücklich auch die kollektiven Rechte der Ureinwohner anerkannt. Viele der rund 5000 indigenen Gemeinschaften weltweit müssten um ihr Überleben kämpfen.

So sind in Indonesien rund 300 Völker von der geplanten Ausweitung der Ölpalm-Plantagen betroffen. An der kolumbianischen Pazifikküste vertreiben Paramilitärs afrokolumbianische Gemeinschaften, Palmölfirmen rücken nach. In Brasilien und Ecuador setzen sich Indígenas gegen den illegalen Holzeinschlage, den Abbau von Bodenschätzen und die Förderung von Erdöl und Erdgas zur Wehr.

Deutschland stimmte der Erklärung zu. Allerdings verweigert eine Bundestagsmehrheit von Union, SPD und FDP nach wie vor die Ratifizierung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die den indigenen Völkern bei Großprojekten in ihren Gebieten weitreichende Möglichkeiten der Mitbestimmung zubilligt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.