UN-Sondertribunale : Anfang vom Ende

Die Völkermordtribunale für Ruanda und Exjugoslawien werden abgewickelt. Das bedeutet Arbeit für die ruandische Justiz. Neun mutmaßliche Täter sind auf der Flucht.

Gedenkstätte für Opfer des Völkermordes in Ruanda in Kigali. Bild: reuters

KAMPALA taz | Der bisherige Chefankläger der UN-Völkermordtribunals für Ruanda im tansanischen Arusha hat jetzt einen neuen Job: Der UNO-Sicherheitsrat hat Hassan Bubacar Jallow aus Gambia am Mittwoch zum Chef eines neuen Abwicklungsmechanismus ernannt.

Diese neue Einrichtung soll die noch laufenden Prozesse des Völkermordtribunals für Ruanda (ICTR) in Arusha und des Tribunals für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag übernehmen und unter einem Dach abwickeln. Sie soll auch die noch offenen Fälle behandeln, nachdem die Mandate der beiden internationalen Gerichtsinstanzen Ende 2014 auslaufen.

Mit diesem Abwicklungsmechanismus („residual mechanism“) wird jetzt vom Sicherheitsrat eine Instanz konkret damit beauftragt, das letzte Kapitel der beiden Ad-hoc-Gerichte einzuleiten. Der ICTR wurde 1994 in Tansania ins Leben gerufen, um die Planer und Organisatoren des Völkermordes im benachbarten Ruanda zu verurteilen, bei welchem 1994 über 800.000 Menschen – mehrheitlich Tutsi – ermordet wurden.

Das Mandat für den ICTY wurde 1993 vom Sicherheitsrat verabschiedet, um die Täter der im ehemaligen Jugoslawien begangenen Menschenrechtsverbrechen in den Kriegen ab 1991 zur Verantwortung zu ziehen. Das war damals notwendig, da der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag erst 2002 entstand.

69 Fälle abgeschlossen

Bisherige Überlegungen, die Arbeit der beiden Tribunale nach dem Ende ihrer Mandate direkt in die betroffenen Länder zu verlegen, sind nun zunächst zurückgestellt. Denn die Abwicklungsinstanz soll ihre Arbeit in Arusha und Den Haag weiterführen, wenngleich mit einer einzigen Berufungskammer und unter Gesamtleitung von Jallow. Die Abwicklung der Ruanda-Fälle soll am 1. Juli 2012 beginnen, die der Jugoslawien-Fälle im Juli 2013.

Das Ruanda-Völkermordtribunal hat bislang insgesamt 69 Fälle abgeschlossen. Zehn Verdächtige wurden freigesprochen. 18 weitere Fälle durchlaufen derzeit das Berufungsverfahren. Drei Verfahren laufen noch. Ein weiteres steht noch an. Neun mutmaßliche Täter sind zwar in Arusha angeklagt, doch immer noch auf der Flucht und mit internationalem Haftbefehl gesucht. Sollten diese nach dem 1. Juli gefasst werden, müsste sich die Abwicklungsinstanz mit deren Verfahren befassen.

„Solange diese großen Fische in Arusha angeklagt werden, solange ist das für uns keine große Errungenschaft“, sagt John-Bosco Siboyintore. Er ist Chef der Einheit, die bei Ruandas Generalstaatsanwaltschaft für die Verfolgung und Verurteilung von flüchtigen Genozidtätern zuständig ist.

Das Ruanda-Tribunal hat allerdings im vergangenen Jahr auch schon beschlossen, zwei Fälle von mutmaßlichen Völkermordtätern nach Ruanda zu verlagern. Jean-Bosco Uwinkindi, genannt „Schlächter von Butare“, wurde 2010 in Uganda gefasst und nach Arusha überstellt. Er wartet derzeit auf seine Auslieferung vom UN-Tribunal nach Ruanda. Der andere Fall ist der des ehemaligen Polizeioffiziers Fulgence Kayishema, der immer noch auf der Flucht ist. Sollte er gefasst werden, wird er direkt nach Ruanda überstellt.

1.089 Akten von mutmaßlichen Genozidtätern

„Wir suchen derzeit nach Anhaltspunkten, wo Kayishema sich aufhält, und wir erinnern die weltweite Öffentlichkeit daran, dass fünf Millionen Dollar Kopfgeld auf ihn ausgestellt sind“, erklärt Siboyintore. In seinem Archiv stapeln sich insgesamt 1.089 Akten von mutmaßlichen flüchtigen Genozidtätern. Dass der ICTR diese beiden Überstellungen beschlossen hat, sei ein „Präzendenzfall, dem weitere Auslieferungen folgen werden“, ist Siboyintore überzeugt. Dies sei ein entscheidender Schritt, die Unabhängigkeit und Professionalität der Rechtsprechung in Ruanda anzuerkennen, sagt er.

In Kigali übernimmt nun eine Abteilung des Hohen Gerichts überstellte mutmaßlichen Genozid-Täter. Bereits im Januar wurde der ehemalige ruandische Universitätsprofessor Leon Mugesera von Kanada nach Kigali ausgeliefert. Er sitzt jetzt in Südruanda im modernen Gefängnis Mpanga, das nach internationalen Standards mit Hilfsgeldern errichtet wurde, und wartet auf seinen Prozess.

Im Februar sollte auch Uwinkindi von Arusha nach Ruanda überstellt werden, doch diese Auslieferung verzögert sich noch wegen Finanzproblemen für eine Gruppe von Prozessbeobachtern, die sein Verfahren in Ruanda begleiten sollen. Ein neuer Termin für seine Auslieferung soll am 16. März festgelegt werden.

Auch die lokalen traditionellen Dorfgerichte Ruandas, die Gacaca, wurden im vergangenen Jahr nach und nach geschlossen. Rund 1,5 Millionen Fälle wurden vor diesen Laiengerichten verhandelt. Auch deren noch ausstehende Fälle sowie die Suche nach denjenigen flüchtigen Tätern, die in Abwesenheit verurteilt wurden, übernimmt nun Siboyintores Abteilung.

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