US-Kongress und Anti-Terror-krieg: Waterboarding, Abu Ghraib und Recht

Lange haben die Kongressabgeordneten die Verfehlungen der Bush-Regierung geduldeto oder gar unterstützt.

Eine nachgestellte Szene aus der Abu Ghraib Dokumentation "Standard Operating Procedure". Bild: dpa

Der US-Kongress ist nicht einfach ein Parlament. Die Mitglieder des Repräsentantenhauses, erst recht die Senatoren verstehen sich als Teil des "Government" der Vereinigten Staaten, als Teil einer Legislative, die der Exekutive gleichberechtigt gegenübersteht. Wenn sich bestätigt, dass die Exekutive über Jahre nicht einmal den kleinen, mit Angelegenheiten des Geheimdienstes befassten Kreis von Kongressmitgliedern über ein CIA-Programm zur Folter und gezielten Tötung von Terrorverdächtigen unterrichtet hat, dann dürfte dies die bisherige Zurückhaltung bei der Aufklärung von Menschenrechtsverstößen der Bush-Regierung beenden.

Lange hat der Kongress solche Verstöße geduldet oder gar unterstützt. Bereits wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde das Lager in Guantánamo eingerichtet - mit dem einzigen Zweck, die dort Inhaftierten der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten zu entziehen. Für die Planer der Bush-Regierung - die zwar beim Antiterrorkampf ausdrücklich von einem "Krieg" sprechen, ihre Gegner jedoch nicht als Kombattanten betrachten wollten - war die einzigartige rechtliche Lage Guantánamos perfekt: formell auf dem Territorium eines fremden Staates gelegen, faktisch unter der uneingeschränkten Kontrolle der US-Streitkräfte. Hier konnte das Pentagon nach eigenem Ermessen walten. Es ging um nichts anderes als die Umgehung des heeren Verfassungsgrundsatzes der Gewaltenteilung. Es ging um das Ende einer freien Justiz.

Ohne Konsequenz blieben auch die schweren Folterungen im Irak. Die Bilder von den Misshandlungen im Gefängnis Abu Ghraib machten nicht nur jeden moralischen Anspruch lächerlich, mit dem der Irakkrieg zu legitimieren versucht wurde. Durch die Folterbilder wurde Abu Ghraib insbesondere in der islamischen Welt zu einem Symbol für das angeblich überhebliche und verlogene Amerika. Keine gegen die USA agierende Terrorgruppe hätte sich eine bessere Rekrutierungskampagne ausdenken können. Bestraft wurden dennoch nur ein paar beteiligte Soldaten. Politische Konsequenzen für die Verantwortlichen in Washington blieben aus.

Weitreichende politische Folgen blieben auch aus, als die Folterpraxis des Waterboarding bekannt wurde, bei der Häftlinge über Stunden der Angst, zu ertrinken, ausgesetzt werden. Wenn Justizminister Eric Holder nun die Einsetzung eines Sonderermittlers zur Untersuchung von CIA-Folterpraktiken erwägt, macht das vergessen, dass Waterboarding in weiten Teilen der politischen und geheimdienstlichen Führung lange als akzeptabel galt. Und wenn sich die Kongressabgeordneten darüber echauffieren, nicht über die geheimen CIA-Pläne zur gezielten Tötung von Terrorverdächtigen informiert gewesen zu sein, lenken sie davon ab, dass das "Target Killing" durch US-Militärs im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet längst Praxis ist.

Der Afghanistankrieg ist, anders als die Invasion in den Irak, auch Obamas Krieg. Besonders heikel werden dürfte deshalb die jetzt angekündigte Untersuchung des Schicksals von Ende 2001 gefangen genommenen Talibankämpfern. Im Norden Afghanistans sollen damals, unweit des heutigen Bundeswehr-Stützpunkts Masar-i-Scharif, mehrere hundert Taliban von Warlords der Nordallianz ermordet worden sein, nachdem sie sich schon ergeben hatten. Die Warlords waren mit den US-Streitkräften verbündet. Schon im Frühjahr 2002 berichteten mehrere Medien, darunter auch die taz, ausführlich über Hinweise auf das Verbrechen. Die Taliban sollen in Container gepfercht und erstickt oder erschossen worden sein. Eine Verwicklung des eigenen Militärs stritt die damalige US-Regierung ab, eine Untersuchung des Vorfalls wurde abgelehnt.

Gerade dieser Fall zeigt: Macht sich Barack Obama an die Untersuchung der Verbrechen aus acht Jahren Bush und Cheney, dürfte das auch Konsequenzen für seine außenpolitische Handlungsfähigkeit haben. Denn je mehr Details über den vermeintlichen Antiterrorkrieg bekannt werden, desto mehr wird es um die Kriegführung in Afghanistan gehen. Die Führung und erfolgreiche Beendigung dieses Krieges aber hat der US-Präsident zu seiner außenpolitischen Priorität gemacht.

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