US-Medien als vierte Gewalt: Die neue Hartnäckigkeit

Nicht alles ist schlecht unter Trump. Er sorgt für neue Höhenflüge im politischen Journalismus. Das wird mit steigenden Auflagenzahlen honoriert.

Zwei Journalist_innen halten ihre Kameras auf ein kleine Modell des White House

Das White House unter penibler Beobachtung Foto: ap

NEW YORK taz | Für die Medien in den USA ist Donald Trump das „Geschenk, das sich nicht erschöpft“. Schon in seinem Wahlkampf verhalf der Kandidat, der bei seinen Meetings JournalistInnen ausbuhen ließ, den Zeitungen und TV-Sendern zu sensationellen Auflagen, Einschaltquoten und Klickzahlen. Gewöhnlich setzt nach Präsidentschaftswahlen in den USA eine „Honeymoon“ genannte Schonfrist ein, die Monate dauern kann. Doch Trump verbringt seine Flitterwochen im Visier der Medien und sorgt für täglich neue Höhenflüge im politischen Journalismus.

In einem Land, in dem die Opposition mit dem Rücken zur Wand steht, sind die JournalistInnen eine starke Gegengewalt.

Ohne die hartnäckige Recherche investigativer JournalistInnen wäre Michael Flynn noch Trumps Sicherheitsberater. Er hatte den Kontakt mit dem russischen Botschafter in Washington, Kisljak, bestritten, bei dem es um US-Sanktionen gegen Moskau ging. Trump wusste spätestens seit Ende Januar Bescheid, nachdem die damals amtierende Chefin des Justizministeriums ihn über die Gespräche informierte, die von US-Geheimdiensten angezapft worden waren. Doch er behielt die Sache für sich. Erst als die Washington Post und andere Medien Flynns Lügen öffentlich machten, ließ der Präsident am Dienstag seinen Berater fallen.

Flynn war nicht der erste Erfolg der neuen journalistischen Hartnäckigkeit. Zuvor verzichtete Verteidigungsminister James Mattis darauf, ein iranisches Militärschiff abzufangen, auf dem er Waffen für die Huthi-Kämpfer im Jemen vermutete, nachdem die New York Times darüber berichtet hatte. Die US-Regierung verwarf den Plan, Folterzentren für den Kampf gegen den Terrorismus wieder zu eröffnen, nachdem dieser in die Medien gelangt war. Und die Rechercheteams der Washington Post und des Wall Street Journal sorgen für Aufklärung über die Interessenkonflikte zwischen Trumps Geschäftsimperium und dem Weißen Haus.

Die Öffentlichkeit honoriert den journalistischen Elan. Nach jahrelangem kontinuierlichem Auflagenrückgang erleben die politischen Medien wieder Zulauf. Fast alle haben steigende Auflagenzahlen oder bekommen – wie der öffentliche Radiosender NPR und die Onlineausgabe des Guardian in den USA – mehr Spendengelder. Die New York Times gewann im letzten Quartal 2016 insgesamt 276.000 neue digitale AbonnentInnen und stockte gleichzeitig ihre Printauflage um 25.000 zusätzliche KundInnen auf.

Tägliches Briefing als Live-Schalte

Allein in den zwei Wochen nach der Wahl schlossen 47 Prozent mehr Menschen ein Abo der Los Angeles Times ab als in den gleichen zwei Novemberwochen des Vorjahres. Und das Hochglanzmagazin Vanity Fair verwandelte einen verächtlichen Tweet von Trump in Eigenwerbung. Als Vanity Fair mit einem Sondertarif und dem Slogan warb: „Kauft das abgestürzte, in großen Schwierigkeiten befindliche, tote Magazin, von dem Trump nicht will, dass ihr es lest“, kamen 80.000 neue AbonnentInnen. Dank der „Trump-Welle“ schaffte Vanity Fair es auf eine Million AbonnentInnen.

Auch das tägliche Briefing im Weißen Haus profitiert von dem gestiegenen Interesse an der Hauptstadtpolitik. Die Veranstaltung am Mittag, von der sonst nur ausgewählte Momente in die Abendnachrichten kommen, ist gegenwärtig eine Live-Schalte, die Kabelsender wie CNN, FOX und MSNBC in voller Länge übertragen.

Trumps Sprecher Sean Spicer verbreitet dabei die Versionen seines Chefs (darunter auch nachweisliche Falschinformationen) und fährt JournalistInnen schon mal an, sie sollten „höflich“ sein. Mittendrin unterbricht er und schaltet per Skype Journalisten von Provinzmedien in das Briefing ein, deren Fragen gelegentlich klingen, als kämen sie aus der Propagandaabteilung der Republikanischen Partei. Bereits nach drei Wochen wurde Spicer in der US-Show „Saturday Night Life“ von der Schauspielerin Melissa McCarthy persifliert.

Die großen Tageszeitungen haben seit Trumps Wahl ihre Teams im Weißen Haus vergrößert. Die Washington Post hat zusätzlich eine „Rapid Response“-Einheit für nationale Recherchen eingerichtet. Die New York Times holte einen Korrespondenten, der gerade erst von Moskau nach Jerusalem umgezogen war, zur Aufstockung ihres Teams nach Washington. Peter Baker zögerte keinen Moment, bevor er den neuen Job annahm. Denn: „Dies ist kein normales Weißes Haus.“

Washington im Krieg

Anders als bislang berichten HauptstadtjournalistInnen neuerdings verstärkt von außen über das Weiße Haus. Trump hat einigen Medien schon im Wahlkampf den Krieg erklärt. Er strich BuzzFeed von der Liste der akkreditierten Medien und warf Univision-Korrespondent Jorge Ramos aus einer Pressekonferenz. Das „Blacklisting“ habe ihre Berichterstattung nicht beeinträchtigt, erklärt Kate Nocera von BuzzFeed in Washington.

Der Medienexperte Jack Shae­fer empfiehlt Hauptstadtjournalisten in einem Politico-Artikel, ihre Arbeitsmethoden in den Zeiten von Trump zu ändern. Sie sollten Washington „wie eine Kriegszone“ behandeln, „wo ein Konflikt auf den nächsten folgt und der Nebel das Sammeln von verlässlichen Informationen behindert“. Statt im Inneren des Apparats nach Informationen zu suchen, sollen JournalistInnen „hinter die feindlichen Reihen gehen“.

Auch der Medienexperte Jay Rosen von der New Yorker Universität NYU empfiehlt neue Arbeitsmethoden, um den autoritären Strukturen zu begegnen. „Seid nicht, wo ihr erwartet werdet. Vernetzt euch mit Außenseitern“, rät er. Regierungsbeschäftigten, die interne Geheimnisse – wie über Flynns Gespräche mit dem russischen Botschafter – ausplaudern, drohen nicht nur der Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch hohe Strafen. Aber in Ermangelung des alten Zugangs zu offiziellen Quellen setzen sie dennoch verstärkt auf solche undichten Stellen. In ihren Publikationen taucht jetzt häufiger der Hinweis auf besonders gesicherte Webseiten auf, bei denen sich InformantInnen, anonym oder namentlich, an JournalistInnen wenden können.

Es rumort in der Hierarchie einiger Redaktionen

Während die Mehrheit der HauptstadtjournalistInnen Trump-kritisch eingestellt ist, rumort es in der Hierarchie einiger Redaktionen. Beim Wall Street Journal, das seit 2007 zum Imperium des konservativen Rupert Murdoch gehört, versucht der Chefredakteur das Engagement der RedakteurInnen zu dämpfen. Gerard Baker wünscht eine „ausgewogene“ Trump-Berichterstattung. Das Wort „Lüge“ soll genauso wenig vorkommen wie das Stichwort „Muslim-Bann“ für die Einreiseverbote gegen Staatsangehörige aus sieben mehrheitlich islamischen Ländern.

Im Weißen Haus hat Trump seinen Konfrontationskurs gegen die Medien auf seine engsten MitarbeiterInnen übertragen. Nachdem er bei einer Pressekonferenz dem Korrespondenten von CNN das Wort verweigerte, weil dessen Medium „fake“ sei, und Journalisten als „einige der unehrlichsten Menschen auf der Erde“ bezeichnete, nennt er seine Beziehung zu den Medien einen „anhaltenden Krieg“. Um seine Botschaften dennoch an die Öffentlichkeit zu bringen, benutzt er Twitter.

Trumps Mitarbeiter diskutieren darüber, ob sie den Presseraum, in dem das tägliche Briefing stattfindet, in ein Nachbargebäude auslagern. Trumps Berater Stephen Miller sagt, „der Präsident hat zu 100 Prozent recht“. Trumps Beraterin Kellyanne Conway wünscht sich, dass Journalisten, die den Präsidenten kritisieren, gefeuert werden. Und sie bezeichnet falsche Informationen, die das Weiße Haus verbreitet, als „alternative Fakten“.

Medienexperte Shaefer sieht auch Positives an der neuen, autoritären Situation. Er nennt die Ankunft von Trump „das beste Ereignis für Hauptstadtjournalisten seit der Erfindung von Spesenetats“ und prognostiziert einen „neuen journalistischen Frühling“.

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