US-Ökoaktivisten gegen Pipeline: „Ökoterroristen“ in Texas

In Texas protestieren Naturschützer und Grundstücksbesitzer gemeinsam gegen eine Ölpipeline. Obama und Romney befürworten das Megaprojekt.

Im Nebenberuf Ökoterroristin: Die Schauspielerin Daryl Hannah. Bild: dpa

WASHINGTON taz | In Texas bilden Ölpipelines und Rinderzucht traditionell eine Symbiose. Mit den Tantiemen der Ölkonzerne finanzieren Farmer ihre Renten oder überbrücken besonders trockene Jahre. Aber bei der Keystone XL – der 2.700 Kilometer langen Pipeline, die schweres Teersandöl aus der kanadischen Provinz Alberta bis in die Raffinerien am Golf von Mexiko bringen soll – ist eine ungewöhnliche Allianz von Umweltschützern und Grundbesitzern entstanden.

Östlich von Dallas klagen Umweltschützer gegen die Pipeline, ketten sich an Baumaschinen oder verbarrikadieren sich in mehr als 20 Meter Höhe in Baumhäusern. Die Gerichte verschicken schon Anklagen wegen „Ökoterrorismus“. „Wir haben genug Wasser und Lebensmittel für eine sehr lange Zeit“, sagte einer der Baumbesetzer in der Nähe von Winnsboro, „wir bleiben, solange es nötig ist.“ Die Handvoll Besetzer sind am 24. September auf die Bäume geklettert. Am Boden unter ihnen haben die Räumungstrupps im Auftrag der TransCanada längst den Wald gerodet. Nachts beleuchtet die Privatpolizei des Unternehmens die Baumbesetzer mit Flutlicht und beschallt sie mit schlafraubendem Maschinenlärm.

Die nationalen US-Medien, insbesondere das Fernsehen, ignorieren die Protestaktion weitgehend. Wenn sie das Thema Öl und die Pipeline überhaupt erwähnen, dann im Kontext des Präsidenten-Wahlkampfs. Sowohl der republikanische Herausforderer Mitt Romney – er will die Pipeline an seinem ersten Amtstag genehmigen und „notfalls selbst bauen“ – als auch der demokratische Amtsinhaber Barack Obama – „natürlich will ich Pipelines“ – befürworten das Projekt.

Zum vierten Mal in diesem Jahr sind in China mehrere Zehntausend Demonstranten auf die Straße gegangen, um gegen den Bau eines Großprojekts zu protestieren. Grund war dieses Mal eine geplante Raffinerie in der Stadt Ningbo in der ostchinesischen Provinz Zhejiang, keine 100 Kilometer von Schanghai entfernt. Onlineberichten zufolge setzte die Polizei in der Nacht zu Sonntag Wasserwerfer und Tränengas ein, um den Massenprotest aufzulösen. Daraufhin eskalierte die Situation. Augenzeugen berichten von umgekippten Fahrzeugen und Demonstranten, die mit Steinen eine Polizeiwache bewarfen. Die Polizei wiederum schlug mit Knüppeln zu. Von Dutzenden von Verletzten ist die Rede. Fast eine Woche lang hatten die Demonstranten friedlich in dem dicht besiedelten Stadtteil Zhenhai protestiert. In wenigen Tagen beginnt der 18. Parteikongress der regierenden Kommunisten, weshalb die Behörden besonders nervös sind. (fle)

Eine Ausweitung der Öl- und Gasproduktion in Nordamerika begründen beide mit „Energieunabhängigkeit“. Wenige Stunden nach einer Anti-Pipeline-Umzingelung des Weißen Hauses im November 2011 hat Obama zwar das Genehmigungsverfahren für Teilabschnitte der Pipeline ausgesetzt, aber er macht keinen Hehl daraus, dass er er nach der Wahl die Genehmigung erteilen wird.

Enteignungen eingeleitet

In Winnsboro ist die 78-jährige Eleanor Fairchild am 4. Oktober eine der ersten „Ökoterroristen“ geworden. Die Witwe eines Beschäftigten der Ölindustrie wurde mit der Schauspielerin Daryl Hannah verhaftet, als die beiden Frauen sich auf Fairchilds Grundstück vor Baumaschinen stellten. Fairchild erklärt, dass die TransCanada sie unter Druck gesetzt habe und dass die örtlichen Behörden ein Enteignungsverfahren eingeleitet hätten. Inzwischen wurden rund 30 Personen festgenommen.

Auch finanzielle Erwägungen spielen bei den Protesten eine Rolle. Grundbesitzer beklagen, dass sie mit Spottpreisen abgefertigt werden sollen. David Holland, durch dessen Reisfarm mehr als 40 Pipelines führen, sagte der AP, dass ihm TransCanada 200 Dollar weniger pro 5 Meter Pipeline anbiete als jedes andere Unternehmen. Andere Texaner begründen ihren Widerstand damit, dass die Enteignungsverfahren nicht gerechtfertigt seien, weil die Pipeline nicht dem öffentlichen texanischen Interesse, sondern vor allem dem von TransCanada diene.

In Kanada wurde in der vergangenen Woche den Baumbesetzern für deren „Mut und Entschlossenheit“ gedankt, als am nördlichen Ende der Pipeline Tausende gegen ein zweites Vorhaben von TransCanada demonstrierten.

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