US-Senator McCain gestorben: Er ging nicht vor Trump in die Knie

John McCain hatte Werte und Moralvorstellungen, und er war bereit, sich deswegen mit anderen anzulegen. Der US-Senator ist am Samstag gestorben.

Der damalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung.

US-Senator John McCain ist im Alter von 81 Jahren gestorben Foto: ap

NEW YORK taz | John McCain, der am Samstag in Arizona wenige Tage vor seinem 82. Geburtstag gestorben ist, war ein Konservativer von einer Sorte, wie die Republikanische Partei sie nicht mehr hervorbringt. Er hatte Werte und Moralvorstellungen. Und er war bereit, dafür auch zum Preis persönlicher Verluste einzutreten. Das tat er als US-amerikanischer Kriegsgefangener in Nordvietnam, in seiner Karriere als Abgeordneter, Senator und Präsidentschaftskandidat in Washington und als Widersacher von Donald Trump. Noch in den letzten Monaten seines Lebens, als fast alle anderen Republikaner längst vor Trump in die Knie gegangen waren, nannte McCain ihn eine Gefahr für die Demokratie und den Frieden und warnte vor seiner Bewunderung für Autokraten.

„Er ist kein Kriegsheld“, hatte Trump schon im Jahr 2015 über McCain gesagt. Als Begründung lieferte Trump, der sich selbst vor dem Militärdienst gedrückt hat, er möge keine „Leute, die in Gefangenschaft geraten“. Tatsächlich war die Attacke im Wahlkampf eine Antwort auf McCains Kritik an Trumps Rassismus und Nationalismus. Bei der Feindseligkeit ist es geblieben. Noch vor zwei Wochen, als der US-Präsident das Rahmengesetz für einen der größten Militärhaushalte der US-Geschichte unterschrieb, das McCain als Chef des Militärausschusses des Senats verfasst hatte, vermied Trump jede Erwähnung des Namens des Autors. Am Samstagabend brauchte Trump mehr als eine Stunde, bevor er der Familie des Verstorbenen mit einem knappen Tweet kondolierte. Zu dem Zeitpunkt hatten bereits die lebenden Ex-Präsidenten beider Parteien sowie die Spitzen beider Parteien McCains Leben und Karriere gewürdigt.

McCain kam 1936 auf einer US-Militärbasis am Panamakanal zur Welt und wuchs mit der Bewunderung für seinen Vater und Großvater auf, die beide vier Sterne Admiräle in der Navy waren. Zwei Kriegsschiffe mit ihren Namen sind heute noch unter der US-Flagge unterwegs. Auch John McCain ging zum Militär. Im Vietnamkrieg wurde er auf einem Bombenflug über Nordvietnam abgeschossen. Er überlebte mit zahlreichen Knochenbrüchen und wurde in Gefangenschaft vielfach gefoltert. Als Hanoi seine vorzeitige Freilassung als Signal an seinen Vater, der damals die US-Flotte im Pazifik kommandierte, anbot, lehnte der Gefangene ab. Als er nach fünfeinhalb Jahren aus der Gefangenschaft zurückkam, ging er an Krücken. Und bis zu seinem Lebensende brauchte er fremde Hilfe, um sich zu kämmen, weil er seine Arme nie mehr über Schulterhöhe heben konnte.

Der Ruf als Kriegsheld ebnete McCains Weg in die Politik. Er kam 1983 als „Reagan-Republikaner in das Repräsentantenhaus. Nach zwei Amtszeiten wurde er – ebenfalls in Arizona – in den Senat gewählt, wo er bis zu seinem Tod blieb. 2000 machte McCain seinen ersten Versuch, ins Weiße Haus zu kommen. Seine Präsidentschaftskandidatur scheiterte an George W. Bush. Als später dessen Folterprogramm bekannt wurde, war McCain einer der wenigen Republikaner, die es öffentlich kritisierten.

Sarah Palin wird Eigentor für McCain

2008 schaffte McCain schließlich die Nominierung seiner Partei. Doch zu dem Zeitpunkt hatten die Wähler genug von den Republikanern, vom Irak-Krieg und von der Finanzkrise. Bei einem Versuch, diese Stimmung zu kippen, holte McCain eine Frau in sein Tandem. Sarah Palin, Ex-Gouverneurin von Alaska sollte seine Vizepräsidentin werden. Palin war ein taktisches Manöver, und sie sollte zu einem Eigentor für McCain werden. Aber was sie sagte, spiegelte nicht seine Überzeugungen wider. McCain war der Mann, der zum Mikrofon griff, als bei einem seiner Wahlkampfauftritte eine Frau behauptete, sein Gegenspieler Barack Obama sei ein Araber. „Nein, Ma'am“ antwortete McCain, „er ist ein anständiger Familienmann und ein Bürger, mit dem ich in grundsätzlichen Fragen unterschiedlicher Meinung bin.“

Nach McCains schwerer Niederlage ging die Spitze der Republikanischen Partei auf Fundamentalopposition gegen den ersten afroamerikanischen Präsidenten. Aber McCain hielt sich nicht an die Parteidisziplin. Immer wieder arbeitete er als Senator mit Obama zusammen. Unter anderem gehörte er auch zu der „Achter-Bande“, in der Demokraten und Republikaner gemeinsam versuchten, das Einwanderungsrecht zu reformieren.

Doch damals hatte bereits das Ende für moderate Republikaner wie McCain begonnen. 2010, als er in Arizona erneut für seinen Sitz im US-Senat kandidierte, war die radikal rechte Tea Party so stark geworden, dass McCain ihnen im Wahlkampf zusicherte, er werde die Gesundheitsreform von Obama verhindern. Die radikalen Rechten waren am Ziel, als Trump offizieller republikanischer Präsidentschaftskandidat wurde. McCain blieb dem Nominierungsparteitag fern und nannte Trump „untauglich für die Präsidentschaft“, weil er weder das Temperament noch das Urteilsvermögen für das Weiße Haus habe. Aber er versprach dennoch, dass er ihn unterstützen werde. Monate später, als die Tonbandaufzeichnungen von Trumps Pussy Grabschereien bekannt wurden, zog McCain diese Zusage zurück.

Ironischerweise rettete McCain im vergangenen Jahr, als Trump bereits Präsident war, mit seiner Stimme Obamas Reform. Wenige Tage nach einer Krebsoperation reiste der Senator aus Arizona nach Washington und stimmte gegen die Abschaffung der Gesundheitsreform. Er tat es mit einem theatralisch nach unten gesenkten Daumen. Seither haben Trump und die Republikanische Partei den Sturz der Gesundheitsreform aufgegeben. Für McCain war es eine der letzten Abstimmungen im Senat. Wegen seiner Krankheit konnte er seit Dezember nicht mehr nach Washington reisen.

Letzte Trump-Kritik nach dem Helsinki-Gipfel

Während sein „Glioblastom“ – eine aggressive Form von Hirnkrebs – in Arizona behandelt wurde, arbeitete McCain an einem Buch, gab Interviews und schickte seinen Kollegen im Senat Empfehlungen aus der Ferne. Unter anderem ermunterte er sie für Trumps Steuerreform zu stimmen, die die Unternehmenssteuern langfristig gesenkt hat.

Als Trump die Geheimdienstlerin Gina Haspel, die an Bushs Folterprogramm beteiligt war, als CIA-Chefin vorschlug, rief McCain den Senat – vergeblich – dazu auf, Haspel zu verhindern, weil sie sich weigerte, Folter als unmoralisch zu bezeichnen. „Macht nichts“, witzelte damals die inzwischen abgetretene Kommunikationsberaterin Kelly Sadler im Weißen Haus „McCairn stirbt eh“.

Seine letzte Trump Kritik veröffentlichte McCain im Juli, nach dem Gipfel mit Wladimir Putin in Helsinki. „Kein US-Präsident hat sich je so tief vor einem Tyrannen verbeugt“, empörte er sich. Damals verurteilte McCain auch Trumps Hetze gegen Medien, die er als „Feinde des Volkes“ bezeichnet. „Das erste, was Diktatoren tun“, sagte McCain, „ist die Presse zu verbieten.“

Nach McCains Tod bleibt sein Sitz im Senat noch bis zum Ablauf seiner Amtszeit in zwei Jahren in republikanischer Hand. Der Gouverneur des Bundesstaates muss einen Nachfolger aus der Partei bestimmen. Unter den potenziellen Kandidaten ist auch McCains Witwe Cindy.

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