US-Wahlen in der Corona-Krise: US-Wahlkalender steht infrage

Der Nominierungsparteitag der Demokrat_innen wird wegen der Pandemie verschoben. Können die eigentlichen Wahlen stattfinden?

Präsidentschaftskandidat Joe Biden.

Will den Parteitag der Demokraten verschieben: Präsidentschaftskandidat Joe Biden Foto: Carlos Barria/reuters

BERLIN taz | Inmitten der dramatischen Entwicklung der Corona-Epidemie in den USA haben die Demokraten am Donnerstag entschieden, ihren ursprünglich für Mitte Juli geplanten Nominierungsparteitag um gut einem Monat zu verschieben. Das hatte diese Woche der voraussichtliche demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden angeregt. Er könne sich kaum vorstellen, dass der Parteitag wie geplant Mitte Juli in Milwaukee, Wisconsin stattfinden könne, sagte Biden in einem Interview mit dem Sender MSNBC.

Zu dem Parteitag kommen alle 4.750 Delegierten und einige Tausend weitere demokratische Anhänger*innen und Parteifunktionär*innen zusammen. Mit großem Pomp und ausufernder Medienberichterstattung wird der oder die Kandidat*in gekrönt – im Idealfall ein schwungvoller Auftakt für die Schlussphase des eigentlichen Wahlkampfes bis zum Wahltermin Anfang November.

Der Juli-Termin sei ursprünglich gewählt worden, sagte Biden, um in der medialen Aufmerksamkeit nicht mit den Olympischen Sommerspielen in Japan zu konkurrieren, die am 24. Juli beginnen sollten. Jetzt, wo die verschoben seien, gebe es mehr Zeit, und der Parteitag könne auf den August verschoben werden. Da soll auch der republikanische Nominierungsparteitag in North Carolina stattfinden, bei dem Donald Trump offiziell erneut zum Kandidaten gekürt wird. Bei den Republikaner*innen wird eine Verschiebung derzeit ausgeschlossen.

Auch Bidens Wahlkampfteam gewinnt durch die Verschiebung Zeit. Denn noch ist er gar nicht offiziell demokratischer Kandidat – in über der Hälfte der US-Bundesstaaten haben die Vorwahlen noch gar nicht stattgefunden, und viele haben wegen der Corona-Krise ihre Wahltermine verschoben.

Parteitag als Medienereignis

Der ursprüngliche Terminkalender der Demokraten war ohnehin nicht mehr zu halten: Eigentlich sollten alle Vorwahlergebnisse bis zum 9. Juni feststehen und bis zum 20. Juni alle Delegierten persönlich benannt sein. Aber elf Bundesstaaten wählen jetzt überhaupt erst Anfang Juni, schon drei Bundesstaaten haben ihre Vorwahlen auf den 20. und 23. Juni verlegt.

Solange Bidens Konkurrent Bernie Sanders nicht von sich aus aufgibt, wird damit die endgültige Entscheidung über die Kandidatur wohl erst im Juni fallen.

So wie sich die Epidemie derzeit entwickelt, scheint selbst die Durchführung von normalen Parteitagen im August fraglich. Zwar könnte die Abstimmung auch elektronisch erfolgen, aber der Parteitag als Medienereignis würde damit wegfallen. Das wäre wahlkampfchoreografisches Neuland für alle Beteiligten.

Eine Verschiebung des eigentlichen Wahltermins hingegen ist schwer denkbar. Seit 1845 legt ein Bundesgesetz den Wahltermin für die Präsidentschafts- und Kongresswahlen (alle zwei Jahre wird das gesamte Repräsentantenhaus und je ein Drittel der Senator*innen neu gewählt) auf den „ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November“ eines Wahljahres fest.

Der Präsident kann das per Dekret nicht ändern – nicht einmal in Zeiten von Notstand oder Kriegszustand. Theoretisch könnte der Kongress ein entsprechendes Gesetz verabschieden – aber der zeitliche Spielraum wäre gering, denn die Konstituierung des neuen Kongresses am 3. Januar des Folgejahres und die Amtseinführung des Präsidenten am 20. Januar sind in der Verfassung festgeschrieben. Die aber will niemand ändern.

Demokratie in Zeiten der Pandemie

Denkbar und wahrscheinlicher ist daher, dass die für die Durchführung der Wahl zuständigen Bundesstaaten die Möglichkeiten zur Briefwahl und zum „Early Voting“, also der Stimmabgabe vor dem eigentlichen Wahltermin, so massiv ausweiten, dass am Wahltag entweder gar nicht mehr gewählt wird oder zumindest keine größeren Menschenansammlungen zu erwarten sind.

Genau das vorzubereiten, fordert auch Joe Biden in seinem MSNBC-Interview. „Es geht darum, sicherzustellen, dass wir unsere Demokratie auch unter den Bedingungen einer Pandemie leben können“ sagte er.

Sollten übrigens einer oder beide Kandidaten krank werden oder gar sterben – Trump, Biden und Sanders gehören alle der Risikogruppe an – kann der jeweilige Parteivorstand einen neuen Kandidaten nominieren.

Dieser Text wurde am 02.04.2020 um 18.45 Uhr aktualisiert.

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