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USA und EU einigen sich im Zollstreit15 Prozent auf alles – außer Flugzeugteile

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und US-Präsident Trump haben eine Lösung in Trumps Zolloffensive gefunden. Ein Teil: mehr Fossile aus den USA.

Präsident Trump war offenbar zufrieden mit der Einigung, hier mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen Foto: Jacquelyn Martin/ap/dpa

Turnberry/Frankfurt/Berlin afp/rtr | Die USA und die Europäische Union haben nach monatelangen harten Verhandlungen ihren Zollstreit beigelegt. US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkündeten am Sonntag nach einem einstündigen Gespräch im schottischen Turnberry die Einigung auf ein Handelsabkommen, das US-Zölle von 15 Prozent auf Produkte aus der EU vorsieht.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) begrüßte die Einigung im Zollstreit, der Außenhandelsverband sprach von einem „schmerzhaften Kompromiss“.

„Wir haben eine Einigung erzielt. Es ist ein gutes Abkommen für alle“, sagte Trump. „Dies ist wahrscheinlich der größte Deal, der jemals in irgendeiner Form abgeschlossen wurde.“

Von der Leyen sprach von einem „guten Abkommen“, das auf beiden Seiten des Atlantiks für „Stabilität“ sorgen werde. Die Delegationen der EU und der USA applaudierten, als Trump und von der Leyen sich zweimal die Hand reichten.

Mehr Gas, Öl und nukleare Brennelemente aus den USA

„Wir sind uns einig, dass der Zoll für Autos und alles andere pauschal 15 Prozent betragen wird“, sagte Trump. Seinen Angaben zufolge verpflichtete sich die EU in dem Abkommen zu zusätzlichen Investitionen in den USA in Höhe von 600 Milliarden Dollar (510 Milliarden Euro) und zu Energiekäufen im Wert von 750 Milliarden Dollar.

„Wir werden russisches Gas und Öl durch umfangreiche Käufe von US-Flüssigerdgas, Öl und Kernbrennstoffen ersetzen“, sagte von der Leyen vor Journalisten. Mit den Einkäufen in den kommenden drei Jahren werde die EU ihre Versorgungsquellen diversifizieren und zur Energiesicherheit in Europa beitragen.

Die Nachfrage nach Gas sinkt derweil in der EU. Langfristige Lieferverträge könnten deswegen zu einer Überversorgung und deutlich mehr CO2-Emissionen als nötig führen, kritisierte Greenpeace frühere entsprechende Vorschläge aus der EU.

Laut von der Leyen wurde außerdem Zollfreiheit „für eine Reihe strategischer Produkte“ etwa für die Luftfahrt vereinbart. Gegenseitige Zollfreiheit gelte auch für einige Chemikalien, Halbleiter-Ausrüstung, einige landwirtschaftliche Produkte und wichtige Rohstoffe.

Sie hoffe auf weitere Null-Prozent-Vereinbarungen vor allem für Alkohol, sagte von der Leyen. Dies solle in den kommenden Tagen „geklärt“ werden.

Widersprüchliche Aussagen beim Stahl

Die 27 EU-Mitgliedstaaten müssen der Einigung noch zustimmen. Die EU-Botschafter, die sich derzeit in Grönland aufhalten, waren von der Kommission am Sonntagvormittag über den aktuellen Stand informiert worden. Nach der Einigung werden sie sich nun erneut treffen.

„15 Prozent sind nicht zu unterschätzen, aber es ist das Beste, was wir kriegen konnten“, räumte von der Leyen ein. Die Details müssten noch „in den kommenden Wochen“ geregelt werden.

Die EU hatte sich für einen Kompromiss beim Stahl eingesetzt, der ein gewisses Kontingent an zollfreien Ausfuhren in die USA erlauben würde. US-Präsident Trump schien dies jedoch auszuschließen, indem er sagte, beim Stahl „bleibt es so, wie es ist“. Von der Leyen bestand jedoch später darauf, dass für Stahl „Zölle gesenkt und eine Quotierung eingeführt wird“.

Die EU-Kommission hatte sich intensiv für ein Handelsabkommen mit den USA eingesetzt, um die Handelsbeziehungen mit einem Volumen von jährlich 1,9 Billionen US-Dollar zu sichern. Hinter den Kulissen hatte die EU für den Fall eines Scheiterns Gegenzölle für US-Waren und Dienstleistungen vorbereitet.

Merz: „Gut, dass sie sich geeinigt haben“

Trump hatte Anfang April einen Zollkonflikt mit Handelspartnern in aller Welt entfacht. Er kündigte hohe Importaufschläge für zahlreiche Länder an, senkte diese dann aber auf zehn Prozent, um Verhandlungen zu führen.

Der EU drohte er zuletzt mit Zöllen von 30 Prozent, die am 1. August in Kraft treten sollten. Für Stahl- und Aluminiumprodukte müssen Importeure Aufschläge von 50 Prozent zahlen.

Es sei „gut, dass Europa und die USA sich geeinigt haben und so eine unnötige Eskalation in den transatlantischen Handelsbeziehungen vermeiden“, erklärte Bundeskanzler Merz laut seinem Sprecher. Die Einigkeit der EU und die harte Arbeit der Verhandler hätten „sich ausgezahlt“.

Mit der Einigung sei es gelungen, „einen Handelskonflikt abzuwenden, der die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen hätte“, führte Merz aus. Dies gelte besonders für die Automobilwirtschaft, „bei der die gegenwärtigen Zölle von 27,5 Prozent auf 15 Prozent fast halbiert“ würden. Gerade hier sei die schnelle Zollsenkung „von größter Bedeutung“, sagte Merz mit Blick auf die Bedeutung der deutschen Autoindustrie.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte, es sei „positiv, dass es ein Abkommen gibt“.

Die deutsche Industrie ist unzufrieden

Aus den deutschen Wirtschaftsverbänden kommen dagegen kritische Stimmen: Die Vereinbarung sende ein fatales Signal, weil die EU schmerzhafte Zölle in Kauf nehme, kommentierte Wolfgang Niedermark vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) den erreichten Deal. „Denn auch ein Zollsatz von 15 Prozent wird immense negative Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Industrie haben.“ Positiv sei zumindest, dass eine weitere Eskalationsspirale zunächst abgewendet worden sei.

Das sah auch der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, so: „Wer mit einem Hurrikan rechnet, ist für ein Unwetter dankbar.“ Dennoch seien die vereinbarten Zölle zu hoch. „Europas Exporte verlieren an Wettbewerbsfähigkeit.“

Der BDI kritisierte weiter die hohen Zölle auf Stahl und Aluminium. Das sei ein zusätzlicher Tiefschlag. „Das setzt eine Schlüsselbranche weiter unter Druck, die ohnehin vor enormen Herausforderungen im internationalen Wettbewerb und durch die Transformation steht“, erklärte Niedermark.

Die EU müsse nun zeigen, dass sie mehr sei als ein Binnenmarkt. „Wir brauchen eine Strategie für eine wettbewerbsfähige und resiliente Wirtschaft sowie den politischen Willen, im globalen Machtgefüge selbstbewusst mitzuspielen.“

Ökonom: kraftvollere Verhandlungsstrategie wäre sinnvoll

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, warnte vor weiteren Störfeuern aus Washington. „Darauf vertrauen, dass nun Ruhe herrscht, kann man nicht“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Trump nimmt die Zolldrohung nie vollends vom Tisch.“ Auch deshalb wäre eine kraftvollere Verhandlungsstrategie der EU sinnvoll gewesen.

„Diese Einigung ist ein schmerzhafter Kompromiss“, erklärte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. „Jedes Prozent Zoll ist ein Prozent zu viel.“ Der Zollaufschlag bedeute für viele Händler „eine existenzielle Bedrohung“. Die nun erfolgte Einigung mit den USA werde „hier im Land spürbare Auswirkungen haben“.

In den vergangenen Wochen hatten die USA bereits Abkommen mit Japan, den Philippinen, Indonesien, Großbritannien und Vietnam geschlossen. In allen Fällen werden künftig bedeutend höhere Zölle bei Lieferungen in die USA fällig als vor Trumps Zolloffensive.

Der Republikaner will mit den Einnahmen daraus seine Steuersenkungsprogramme finanzieren und zugleich Unternehmen dazu bringen, ihre Produktion in die USA zu verlegen.

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1 Kommentar

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  • Na ist doch wunderbar, Trumps Rechnung geht doch für die USA in die richtige Richtung. Russland als Lieferanten für Europa auszuschließen, und Deutschlands Industrie & Wirtschaft bekommt jede Menge Abnahmeverträge aufgebürdet.



    Läuft doch...



    War da nicht kürzlich was mit " jetzt müssen wir aber mal erwachsen werden " 😇