USA zu Chemiewaffeneinsatz in Syrien: Obama kalkuliert neu

Die US-Regierung hält einen Giftgas-Einsatz in Syrien für erwiesen und will die Rebellen unterstützen. Die Nato fordert eine unabhängige Untersuchung.

US-Präsident Barack Obama sieht die oft zitierte „Rote Linie“ in Syrien überschritten. Bild: dpa

BERLIN taz | Es könnte ein Wendepunkt in der Geschichte des syrischen Bürgerkriegs sein: Erstmals hat die US-Regierung erklärt, sie halte den Einsatz chemischer Waffen durch syrische Regierungstruppen für erwiesen und werde von nun an die syrischen Rebellen auch direkt militärisch unterstützen.

Mehrfach habe die syrische Regierung im vergangenen Jahr Giftgas, darunter das Nervengas Sarin, eingesetzt, heißt es in einer vom Weißen Haus am Donnerstagabend verbreiteten Erklärung. Nach groben Schätzungen seien dadurch 100 bis 150 Menschen ums Leben gekommen.

Nach Angaben der New York Times verfügt die CIA über Blut-, Urin- und Haarproben zweier syrischer Rebellen, die sich Mitte März diesen Jahres in einem Feuergefecht mit syrischen Regierungstruppen nordöstlich von Damaskus befunden hätten. Die Proben zeigen laut CIA, dass beide mit Sarin in Kontakt gekommen waren. Es gebe ähnliche Hinweise aus diversen unterschiedlichen Quellen.

Während diese Angriffe nur für einen geringen Teil der inzwischen „über 90.000 Toten in Syrien verantwortlich sind, verletzt der Einsatz chemischer Waffen doch internationale Normen und überschreitet klare rote Linien, die in der internationalen Gemeinschaft seit Jahrzehnten gelten“, heißt es in der Erklärung des Weißen Hauses. Man glaube, dass allein das Assad-Regime die Verfügungsgewalt über solche Waffen habe, und habe keinerlei Hinweise darauf, dass die Opposition ihrerseits solche Waffen erworben oder eingesetzt habe.

Unklar, wie Rebellen unterstützt werden sollen

„Der Präsident hat immer gesagt, dass der Einsatz chemischer Waffen seine Kalkulationen verändern würde. Und das hat er auch“, sagte Obamas stellvertretender nationaler Sicherheitsberater Benjamin J. Rhodes. Über die genaue Art der militärischen Unterstützung für die Rebellen gibt es bislang keine Klarheit. Deren Wunsch nach wärmegesteuerten Flugabwehrraketen wollen die USA Medienberichten zufolge allerdings nicht erfüllen.

In dieser Woche waren die Stimmen für ein stärkeres US-Engagement in Syrien wieder lauter geworden – zuletzt hatte sich der frühere Präsident Bill Clinton für eine robustere US-Haltung eingesetzt. Der republikanische Senator John McCain forderte eine Flugverbotszone und US-Drohnenangriffe auf die syrische Luftwaffe.

Die syrische Regierung selbst wies die US-Stellungnahme zurück, die „von Lügen gespickt“ sei. Auch die russische Regierung zeigte sich ablehnend: „Ganz offen gesagt war das nicht überzeugend“, sagte Regierungsberater Jury Uschakow am Freitag. Damit verwendete der Putin-Berater fast die gleichen Worte wie der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer, als er 2003, kurz vor Beginn des Irakkriegs, der Bush-Regierung vorhielt, er sei „nicht überzeugt“ von der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hingegen begrüßte die „klare Stellungnahme“ der USA und drängte die syrische Regierung, nun einer unabhängigen UN-Untersuchung zuzustimmen. Die hatte das Regime in Damakus bislang strikt abgelehnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.