Überraschungen bei Basketball-EM: Der neue Trend des harten Spiels
Mit Finnland und Georgien treffen die Überraschungsteams des Turniers im Viertelfinale aufeinander. Beide profitieren bislang von ihrer Leidenschaft.

Die Finnen hatten eine Stunde davor Serbien 92:86 (48:44) geschlagen und damit völlig überraschend den Titelfavoriten dieser Europameisterschaft aus dem Turnier geworfen – mit Herz und Hirn und auch ein wenig Glück.
In der Interviewzone dreht sich der finnische Kapitän von Fragesteller zu Fragesteller. Wann genau im Spiel war der Glaube an den Sieg da? Sasu Salin lächelte einen kurzen Moment, als wollte er sagen: „Was soll die Frage?!“ Dann entgegnet er ganz freundlich und ernsthaft: „Von dem Moment an, als wir aufs Parkett gegangen sind. Wir haben früh unsere Würfe getroffen, und auch als es nicht lief, haben wir diese Einstellung nie verloren.“
Entscheidender Spieler der Schlussphase ist Elias Valtonen. Ihm gelingen in den letzten zwei Minuten acht Zähler. Und er trifft auch beim wichtigsten Wurf der Partie jenseits der 3-Punkte-Linie. Valtonen lief vor ein paar Jahren noch für Tübingen in der zweiten Liga auf. Mittlerweile spielt er im spanischen Granada. Im EM-Achtelfinale und kurz vor Schluss verwandelt er den Wurf seines Lebens, hinweg über die Arme des vielleicht besten Spieler der Welt, Nikola Jokić. Kapitän Sasu Salin antwortet auf die Frage, ob Valtonen „big balls“ habe? „Baseballs!“
Gut im zweiten Versuch
Seit 2010 nennt sich das finnische Nationalteam der Männer „Susijengi“ und das der Frauen „Susiladies“. Frei übersetzt bedeutet Susijengi „Wolfsrudel“. Außerdem finden sich in der Wortschöpfung des Verbandes noch die Wörter für Finnisch sein, Sportlichkeit, Tapferkeit und Fröhlichkeit wieder.
Die fröhlichen Wölfe beißen gegen Serbien tapfer bis zum Schluss. Sie liegen im dritten Viertel mit elf Zählern hinten, aber drehen die Partie. Sie halten Serbien bei schwachen 29 Prozent von der 3-Punkte-Linie und profitieren von 20 Offensivrebounds, ein Fabelwert. Diese zweiten Gelegenheiten nach Fehlwürfen erkämpfen sich die Wölfe, weil sie viel leidenschaftlicher zu Werke gehen als Serbien.
Diese Leidenschaft trug Finnland auch schon durch die Gruppenphase. Mit ihren Fans im Rücken in Tampere stürmte das Team durch die ersten drei Partien mit drei Siegen und unterstrich, was einige Mitglieder bereits im Trainingslagers öffentlich erklärt hatten: dass sie als erstes finnisches Männerteam um eine EM-Medaille spielen wollen. Recht ehrgeizig für ein Land, das seine Erfolge bislang in anderen Sportarten erzielte, beispielsweise im Eishockey.
Am Ende der Gruppenphase gab es allerdings nichts zu feiern. Finnland verlor die letzten beiden Partien und die Euphorie des Turnierstarts ebbte ab. Kapitän Salin gibt zu, dass nach der knappen Schlappe gegen Litauen und der Pleite gegen Weltmeister Deutschland die Stimmung im Team enttäuscht gewesen sei.
Georgien zum ersten Mal im EM-Viertelfinale
„Besonders nach dem Spiel gegen Deutschland waren wir natürlich niedergeschlagen. Auch am Morgen vor dem Spiel gegen Serbien war die Stimmung etwas getrübt. Aber dann haben wir zu Beginn unsere Würfe getroffen. Und wie schon gesagt: Wir haben immer an uns geglaubt.“
Im Viertelfinale treffen die Finnen an diesem Mittwoch auf Georgien. Die Georgier schalteten Frankreich aus. Die nächste Riesenüberraschung in diesem Turnier. Welche Überraschung war größer? „Unsere! Weil Frankreich der größere Favorit war.“ Das findet der georgische Center Sandro Mamukelashvili. Nach dem Sieg gegen den Olympia-Zweiten Frankreich genoss der Georgier die Zeit in der Interviewzone. Sein Land steht zum ersten Mal überhaupt im Viertelfinale der EM.
Was bedeutet das für Basketball in Georgien? „Das bedeutet, dass hoffentlich mehr Kinder Basketball lieben und anfangen, Basketball zu spielen. Es ist ein großer Sieg für unser Land. Wir waren in der Vergangenheit oft nah dran und haben es doch nicht geschafft. Aber ich hatte schon vorher das Gefühl: Das ist das Jahr, in dem alles zusammenpasst, alle zusammenkommen und zusammenhalten.“ Finnland wirft Serbien raus, Georgien schmeißt Frankreich raus. Ist das ein Trend? Sandro Mamukelashvili sagt: „Der Trend ist: Wer härter spielt und es mehr will, gewinnt das Spiel.“
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