Überschuldete Kommunen durch Corona: Städte, Schulden und das Virus

Überschuldete Kommunen geraten durch Corona in eine ausweglose Lage. Finanzminister Scholz will mit Milliarden Euro unterstützen. Hilft das dauerhaft?

Finanzminister Scholz mit einer Mundschutzmaske, auf der wir und durchgestrichen ich steht.

Klare Botschaft: Finanzminister Scholz am Rande einer SPD-Fraktionssitzung Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Wenn der Bus nicht kommt, kann das daran liegen, dass die Stadt kein Geld hat. Wenn die Toiletten in der Schule schlecht riechen, hat die Schulverwaltung vielleicht die Sanierung der Rohre verschoben. Löcher in den Straßen, komische Öffnungszeiten der Stadtbibliothek, hohe Preise im Schwimmbad, seit vergangenem Jahr ist das Jugendzentrum geschlossen? Oft hängt die alltägliche Lebensqualität der Bürger*innen davon ab, wie reich oder arm ihre Kommune ist.

Wie sich die Finanzlage der Städte und Gemeinden verbessern lässt, ist Teil der aktuellen Debatte über das geplante Konjunkturpaket gegen die Coronakrise. Das beschließt die Bundesregierung eventuell in der kommenden Woche.

Denn die Pandemie verschärft auch die Geldnöte Tausender Stadtverwaltungen. Dabei geht es um zwei zentrale Punkte: erstens um die hohen Ausfälle der Gewerbesteuer durch die Schließung von Geschäften und Firmen. Diese Steuer ist eine wesentliche Einnahmequelle der Kommunen. Zweitens um die alten Schulden, die viele Städte am Investieren hindern.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat kürzlich einen „kommunalen Solidarpakt 2020“ vorgeschlagen. Er will, dass Bund und Länder den Kommunen je zur Hälfte die knapp 12 Milliarden Euro Gewerbesteuerausfälle diesen Jahres ersetzen.

Nicht allein von den Schulden runter

Außerdem sollen Bund und Länder jeweils 50 Prozent der alten Städteschulden übernehmen. Gut 2.000 von rund 11.000 Kommunen vor allem in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland stehen mit ungefähr 45 Milliarden Euro in der Kreide – Ergebnis etwa der Abwicklung der Kohleindustrie, von hoher Arbeitslosigkeit und steigenden Sozialkosten.

Von den Schulden kommen die Städte aus eigener Kraft nicht mehr runter. Die Zins- und Tilgungszahlungen verhindern Investitionen. Deswegen steht das Problem schon lange auf der Agenda der Bundesregierung. Nun will Scholz es auf einen Rutsch lösen. Sein Argument unter anderem: Übernähmen der Bund und die Länder die Kommunalkredite je zur Hälfte, würde das beide jeweils weniger als 1 Milliarde Euro jährlich kosten – ein zu verschmerzender Betrag. Denn Bundes- und Landesregierungen müssten die Schulden ja nicht zurückzahlen, sondern nur die Zinsen entrichten. Trotzdem kommt von den Ländern teilweise Widerstand, vor allem aus Bayern.

Eine entscheidende Frage bei der Angelegenheit ist diese: Wie lässt sich verhindern, dass die Kommunen in den nächsten Jahren gleich wieder in die Schuldenfalle rutschen? In Scholz’ Vorschlag heißt es dazu: „Die an der Entschuldungsmaßnahme teilnehmenden Länder verpflichten sich, einen erneuten Aufbau übermäßiger kommunaler Liquiditätskredite zu verhindern.“

Mit Verboten der Länder an die Kommunen und Kontrolle dürfte es dabei nicht getan sein. Schließlich wird es darum gehen, wie die Städte und Gemeinden mehr Geld erhalten. Diese Debatte ist im Gange. So spricht Helmut Dedy, der Geschäftsführer des Städtetages, von einer „Mindestfinanzausstattung der Kommunen“ durch die Länder. „Dann hätten auch finanzschwache Kommunen eine stabilere Basis, um ihre Aufgaben zu erfüllen“, so Dedy.

Heißt konkret? „Eine Lösung könnte darin bestehen, den Kommunen Sozialausgaben abzunehmen“, sagt Martin Beznoska vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), „etwa die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger, die sich 2018 auf rund 13 Milliarden Euro beliefen.“ Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund und die Gewerkschaft Verdi forderten in einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung, die Kommunen sollten „von den Mehrausgaben entlastet werden, die pandemiebedingt für Kosten der Unterkunft und Leistungen nach SGB II anfallen“.

Heute sind die Städte für gut die Hälfte der Wohnungskosten zuständig – ein dicker Brocken, der vor allem arme Städte belastet. Die Länder, aber auch der Bund müssten einspringen. „Zudem könnte man, wenn die wirtschaftliche Notlage es erfordert, die Kommunen in größerem Maße an der Einkommens- oder an den Umsatzsteuereinnahmen beteiligen“, rät Marius Clemens vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Vermutlich ist diese Diskussion noch nicht abgeschlossen, wenn das Corona-Konjunkturpaket auf dem Tisch liegt.

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