Überwachung von Journalisten: Sauberer Rechtsbruch

In Niedersachsen wurde auch Andrea Röpkes Anwalt illegal ausgespäht. Er hatte Anti-Castor-Aktivisten vertreten. Der Verfassungsschutz sieht sich im Recht.

Niedersachsens Innenminister Pistorius hält eine Prüfung für unerlässlich. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der niedersächsische Verfassungsschutz (VS) muss erneut einen Rechtsbruch einräumen. Bei einer nichtöffentlichen Sitzung des Landtagsausschusses für Verfassungsschutzfragen am Freitag vergangener Woche stellte sich heraus, dass der Göttinger Anwalt Sven Adam bespitzelt wurde. „Es ist schon beachtlich, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Behörde rechtsstaatliches Terrain verlassen hat“, sagt Adam.

Seit dem 18. September ist bekannt, dass der VS in Hannover zu mindestens sieben Journalisten Daten sammelte und Akten führte. Eine rechtliche Grundlage lag nicht vor, wie Innenminister Boris Pistorius und Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger (beide SPD) einräumen mussten.

Nun muss der VS erneut zugeben, ein weiteres Mal Informationen über eine Person gesammelt zu haben, die einer gesetzlich besonders geschützten Berufsgruppe angehört: Rechtsanwälte und Journalisten gehören zu den sogenannten Berufsgeheimnisträgern.

Die Fachabteilung Linksextremismus des niedersächsischen Verfassungsschutzes soll über Jahre Daten von Adam gesammelt haben. Der genaue Inhalt und der konkrete Zeitraum seien noch nicht bekannt, sagt Adam. „Ich denke aber, dass meine anwaltlichen Tätigkeiten bei Demonstrationen gegen den Castor-Transporter oder gegen die rechtsextremen Aufmärsche in Bad Nenndorf das Interesse des Verfassungsschutzes geweckt haben könnten.“

Strafanzeige gegen Geheimdienste

Die illegale Bespitzelung von Adam birgt noch eine weitere politische Dimension: Adam vertritt die Journalisten Kai Budler und Andrea Röpke, über die der VS ebenfalls Akten führte. Die Unterlagen über die Rechtsextremismusexpertin Röpke, die auch für die taz schreibt, hatte der VS gelöscht, nachdem Adam angefragt hatte, ob der VS Informationen über seine Mandantin sammele. Röpke hatte der VS zunächst mitgeteilt, es existiere keine Akte über sie.

Vor den Verwaltungsgerichten in Göttingen und Hannover klagt Budler nun gemeinsam mit Adam gegen die Überwachung durch den VS. Röpke hatte vergangene Woche Strafanzeige gegen die Geheimdienstmitarbeiter wegen Urkundenunterdrückung gestellt.

Der Spiegel berichtet unterdessen in seiner aktuellen Ausgabe, dass weitere sieben Journalisten vom niedersächsischen Verfassungsschutz überwacht wurden. „Den Bericht können wir so nicht bestätigen“, sagt VS-Sprecher Frank Rascher. Allerdings könne er es auch „nicht ausschließen“, dass Daten über weitere Journalisten erfasst wurden.

Grundlegende Prüfung steht an

Rascher verteidigt das Vorgehen seiner Behörde: „Wenn bei einer Person Anhaltspunkte für eine extremistische oder terroristische Tätigkeit vorliegen, sammelt und speichert der Verfassungsschutz Informationen zu dieser Person – unabhängig von ihrer beruflichen Tätigkeit.“

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) verlangt von der Landesregierung, den betroffenen Rechtsanwalt umfassend zu informieren. Die Datenbestände aus der Zeit des früheren Innenministers Uwe Schünemanns (CDU) seien zudem daraufhin zu prüfen, ob weitere Anwälte betroffen sind, fordert RAV-Vorsitzender Martin Heiming.

Innenminister Boris Pistorius (SPD) kündigte an, die Arbeit der Verfassungsschützer grundlegend prüfen zu wollen: Alle zu rund 9.000 Personen in Niedersachsen gespeicherten Datensätze sollten überprüft werden.

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