Ukraine-Resolution in UN-Vollversammlung: Spiegel der Machtverhältnisse

Großmächte wie China und Indien haben vor der Uno sowohl Russland als auch dem Westen den Beistand verweigert. Um die Ukraine ging es dabei kaum.

Zwei Männer im Vordergrund, einer sieht auf einen Laptop, der andere sieht durch einen Feldstecher: das ist der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslytsya

Der UN-Botschafter der Ukraine, Serhiy Kyslytsya, beobachtet die Abstimmung über die russische Annektion

Welche Verbrechen und Brüche des Völkerrechts muss Russland in der Ukraine noch begehen, um in der UN-Vollversammlung dafür einhellig verurteilt zu werden? Das mögen sich jetzt viele Menschen in der Ukraine fragen, nachdem sich am Mittwoch in New York noch 35 Staaten per Enthaltung geweigert haben, die Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland zu verurteilen.

Diplomaten werten als Erfolg, dass jetzt 143 und damit zwei Staaten mehr als im März das russische Vorgehen verurteilten. Wie damals haben sich nur vier an Moskaus Seite gestellt. Großmächte wie etwa China und Indien haben sich enthalten und damit sowohl Moskau als auch Kiew und „dem Westen“ den Beistand verweigert. Das überrascht nicht.

Zwar wollen Peking und Delhi verhindern, dass Scheinreferenden nach russischem Muster etwa in Taiwan oder Kaschmir plötzlich Grenzen verschieben. Aber das aufstrebende China lehnt eben auch eine US-dominierte unipolare Weltordnung ab und sieht in Moskau ein Gegengewicht.

Für Pekings Machtambitionen sind die USA, die ja auch nicht für strikte Einhaltung des Völkerrechts bekannt sind, das Problem und nicht Russland, das als Lieferant für Rohstoffe und Rüstungstechnologie willkommen ist. Umgekehrt sehen die USA das ähnlich, wie die neue US-Sicherheitsstrategie zeigt. Für Washington ist China die geostrategische Herausforderung und nicht Russland. Dessen Krieg in der Ukraine lenkt nur davon ab.

Für Peking, das mit Russlands Vorgehen nicht einverstanden sein kann, aber auch einen diplomatischen Triumph der USA verhindern will, ist die Enthaltung also naheliegend. Das gilt auch für Delhi. Indien ist stark von russischen Waffenlieferungen abhängig, historisch blockfrei gewesen und fühlt sich umso wichtiger, je mehr es umworben wird. Delhi möchte aber auch deshalb Putin nicht verprellen, um ihn nicht in die Arme Chinas zu treiben, Indiens großen Rivalen.

Bei der Abstimmung in den Vereinten Nationen ging es also nur begrenzt um die Ukraine, sondern eher um geostrategische Interessen.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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