Ukraine: Koalitionspoker in Kiew

Noch immer gibt es in der Ukraine kein amtliches Ergebnis der Parlamentswahlen - umso üppiger blühen die Spekulationen.

Viktor Yanukovich lässt sich bejubeln. Doch klar ist noch gar nichts. Bild: dpa

BERLIN taz Die Ukrainer müssen weiter auf das vorläufige amtliche Endergebnis der Parlamentswahlen vom 30. September warten. Gestern Nachmittag waren 99,95 Prozent der Stimmen ausgezählt. Danach kommt die Partei der Regionen von Regierungschef Wiktor Janukowitsch auf 34,3 Prozent der Stimmen und würde 174 der 450 Abgeordneten im neuen Parlament (Werchowna Rada) stellen. Die Partei BJUT von Oppositionsführerin Julia Timoschenko erhält mit 30,7 Prozent 156 Sitze. Die Partei "Unsere Ukraine/Selbstverteidigung des Volkes" von Staatschef Wiktor Juschtschenko erreicht mit 14,1 Prozent 72 Mandate. Überdies werden in der Rada noch die Kommunisten (5,3 Prozent und 28 Sitze) sowie der Block Litwin des früheren Parlamentspräsidenten Wladimir Litwin (3,9 Prozent, 20 Sitze) vertreten sein. Die Sozialisten scheiterten mit 2,8 Prozent der Stimmen an der Dreiprozenthürde.

Obwohl sich rein rechnerisch derzeit noch eine hauchdünne Mehrheit für das orangene Lager aus BJUT und Unsere Ukraine/Selbstverteidigung des Volkes ergibt, kündigte Wiktor Janukowitsch gestern an, sich zu Koalitionsverhandlungen mit dem Bündnis von Staatspräsident Juschtschenko zu treffen. Der hatte am Mittwoch Verhandlungen der drei großen Parteien gefordert mit dem Ziel, sich auf die Bildung einer Mehrheit zu verständigen - und damit einige Verwirrung gestiftet. Die wurde auch nicht geringer, als sich Juschtschenko in Berlin bei einem Blitzbesuch am Mittwochabend erneut zu der Regierungsbildung in Kiew äußerte. Zwar habe die demokratische Koalition genug Stimmen, um eine Regierung zu bilden, das jedoch beantworte nicht die Frage nach der Stabilität. Es gehe darum, zu einer normalen Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition zu kommen. "Niemand kann diese Beziehungen auf einer Konfrontation aufbauen, derartige Beziehungen bieten weder für die Macht noch die Opposition eine Perspektive", sagte Juschtschenko.

Während die Partei der Regionen Juschtschenkos Ausführungen begrüßte, fand die Chefin von BJUT, Julia Timoschenko, mit der sich Juschtschenko noch wenige Tage vor der Wahl in trauter Eintracht im Fernsehen präsentiert hatte, deutliche Worte. "Sollte Unsere Ukraine mit der Partei der Regionen eine Koalition eingehen, bleibt unsere politische Kraft in der Opposition", sagte sie.

Es sei doch wohl noch etwas zu früh, um den Präsidenten des Wortbruchs zu bezichtigen, befand die ukrainische Tageszeitung Kommersant Ukraina. Es sei durchaus möglich, dass Juschtschenko über ein feinsinniges Spiel gesprochen habe, an dessen Ende BJUT mit Unsere Ukraine eine Koalition bilden werde.

Auch für den Kiewer Politologen Wadim Karasjew ist die Bildung einer "großen Koalition" erst dann eine Option, wenn Verhandlungen zwischen BJUT und Unsere Ukraine gescheitert sind. In diesem Fall werde Unsere Ukraine aber darauf bestehen, dass Wiktor Janukowitsch als Premierminister ersetzt werde.

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