Umbau der türkischen Medienbranche: Das Ende einer Ära

Der Doğan-Konzern verkauft seine Mediensparte an einen Erdoğan-nahen Unternehmer. Darunter sind auch die Zeitung „Hürriyet“ und CNN Türk.

Ein Gebäude vor grauem Himmel

Gehört bald zur Demirören-Gruppe: die „Hurriyet“ Foto: reuters

ATHEN taz | „Ich kann nicht mehr, ich habe keine Kraft mehr“, soll der 80-jährige Patriarch Aydın Doğan am Mittwochvormittag bei einer letzten Konferenzschaltung mit den Chefredakteuren seiner Zeitungen und TV-Sender gesagt haben. Er habe verkaufen müssen, es bliebe ihm keine andere Wahl.

Es ist die wohl größte Zäsur in der türkischen Presselandschaft, seit der heutige Präsident Recep Tayyip Erdoğan Ende 2002 an die Macht gekommen ist. Die gesamte Mediensparte des Doğan-Konzerns, Zeitungen, TV-Sender, ein Buchverlag, eine Nachrichtenagentur und ein landesweiter Zeitungsvertrieb werden offiziell an den Unternehmer Erdoğan Demirören verkauft. Rund 1,1 Milliarden Dollar soll Doğan dafür bekommen, was den realen Wert wahrscheinlich weit unterschreitet.

Mit dem Verkauf geht auch das Flaggschiff des türkischen Zeitungsmarkts, Hürriyet, in den Besitz von Demirören über. Hürriyet ist neben dem republikanischen Traditionsblatt Cumhuriyet so etwas wie die Mutter aller Zeitungen in der Türkei. Alle bekannten Journalisten des Landes kommen entweder von Cumhuriyet oder Hürriyet. Die Zeitung gehörte jahrzehntelang zum Inventar der türkischen Republik, mit dem gebotenen Nationalismus, aber auch immer gut informiert.

Das änderte sich nach den ersten Jahren der AKP-Regierung. Je mehr Erdoğan von der alten säkularen kemalistischen Republik abrückte, für die Hürriyet stand, desto weniger konnte sich die Zeitung mit dem Staat identifizieren. Ab 2007, als Hürriyet erstmals groß über Korruption in der Regierung berichtete, begann ein regelrechter Krieg zwischen Tayyip Erdoğan und Aydın Doğan. 2009 erhielt die Mediensparte des Doğan-Konzerns eine Steuernachforderung von mehr als einer Milliarde Euro. Um zu überleben, passte sich der Konzern an: Kritische Leute wurden gefeuert, AKP-nahe Publizisten eingestellt.

Dennoch blieb Hürriyet die meistverkaufte Zeitung der Türkei, die immer noch, wenn auch sehr vorsichtig, Kritik an Erdoğan zuließ und Geschichten druckte, die der Regierung nicht passten. Anders als Cumhuriyet oder Birgün, erreichte Hürriyet auch Leser aus dem AKP-Lager, weshalb die Zeitung bis zuletzt ein Ärgernis für den Präsidenten blieb.

Endlich Harmonie

Damit ist es vorbei. Demirören, hinter dem wahrscheinlich Finanziers aus Katar stehen, ist ein bekannter Erdoğan-Loyalist, der schon die Zeitungen Milliyet und Vatan, die Dogan wegen der Steuerschulden bereits früher an ihn verkaufen musste, auf Linie gebracht hat. Das steht nun auch Hürriyet, der englischsprachigen Hürriyet Daily News und Posta bevor, wie auch den Fernsehsendern CNN Türk und Kanal D. Mitarbeiter von CNN-Türk berichten, dass sich der amerikanische Konzern aus der Zusammenarbeit zurückziehen will. Den Medienberater Erdoğans, Cem Küçük, soll das zu der Bemerkung veranlasst haben: Dann gebe es jetzt eben einen nationalen Kanal mehr. Endlich herrsche Harmonie in der türkischen Medienlandschaft.

Auch für den deutschen Axel Springer Verlag hat der Verkauf Folgen. Seit 2007 ist Springer als Investor an der Fernsehsparte von Doğan beteiligt, derzeit hält er 7 Prozent an der Doğan TV Holding. „Es gibt aber die klare Absicht und auch entsprechende Vereinbarungen, dass wir uns komplett zurückziehen“, sagte ein Sprecher auf taz-Anfrage.

Bei den Mitarbeitern der Doğan-Medien herrschen Trauer und Angst. Angst davor, bald den Job zu verlieren. Viele werden von sich aus gehen. Damit endet in der türkischen Presse eine Ära.

Doch damit nicht genug. In der Nacht zu Donnerstag verabschiedete das Parlament mit der Mehrheit der AKP ein Gesetz, wonach zukünftig journalistische Angebote im Internet eine Lizenz der staatlichen Medienaufsicht RTÜK brauchen. Viele bereits gefeuerte kritische Journalisten haben Nachrichtenportale im Internet gegründet, auf denen bis jetzt noch eine kritische Berichterstattung gewährleistet war. „Werden die auch verboten, nähern wir uns Nordkorea an“, schrieb eine Nutzerin auf Twitter.

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