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Umbenennung der Kaserne in MunsterAntidemokrat geht, Soldatin kommt

Die Hindenburg-Kaserne in Munster wird in Friederike-Krüger-Kaserne umbenannt. Krüger war eine Soldatin und Unteroffizierin in den Befreiungskriegen.

Die Schlacht von Großbeerens 1813 (im Gemälde von 1907) – Soldatin Friederike Krüger kämpfte mit, damals noch getarnt als Mann Foto: Gemälde Carl Röchling, 1907 / Wikimedia Commons / PDM 1.0

Bremen taz | März 1813. In Anklam entscheidet eine junge Frau, aus der Schneiderlehre in den Krieg zu ziehen: Die Befreiungskriege gegen Napoleon haben begonnen. In selbstgenähter Männerkleidung schleicht Friederike Krüger sich nachts aus dem Haus und tritt als Soldat ins Grenadier-Regiment ein. Es ist allgemeine Mobilmachung, so genau schaut keiner hin.

Krüger zieht in die Schlacht, tut sich hervor, wird verletzt und als Frau enttarnt – und bleibt, Überraschung, weiter im Dienst: fortan im Rang eines Unteroffiziers, mit Segen des Königs. Zwei Jahre lang, bis zu Napoleons endgültiger Niederlage, kämpft sie in ihrer Truppe, schlägt 17 Schlachten, zieht siegreich bis nach Paris. Sie verdient überbordendes Lob ihrer Kameraden und Vorgesetzten für Mut und Tapferkeit (und tadellose Sittlichkeit) und ein paar Auszeichnungen obendrein.

Gut 200 Jahre später wird sie nun erneut geehrt: Die Hindenburg-Kaserne in Munster wird an diesem Mittwoch in Friederike-Krüger-Kaserne umbenannt. Gegenüber Reichspräsident Paul von Hindenburg hat die Unteroffizierin klare Vorzüge: Anders als beim Antidemokraten Hindenburg ist über Krügers Haltung zu Demokratie nichts Negatives bekannt. Freilich auch nichts Positives: Krüger hat spät das Schrei­ben gelernt und nicht viel Schriftliches hinterlassen. Aber das ist für die Namensgebung nur ein weiterer Vorteil: Die Gefahr, dass im Nachhinein Kritisches über ihr Leben auftaucht, ist gering.

Zumal Krüger ja nicht als Vordenkerin geehrt wird, sondern – Zeitenwende – für den praktischen Kampf gegen einen unrechtmäßigen Aggressor – „ein historisches Vorbild für Mut, Pflichterfüllung und Hingabe im Dienst“, schreibt die zuständige Panzerlehrbrigade 9 Niedersachsen in einer Mitteilung zur Umbenennung.

Friederike Krüger gab sich 1813 als Mann aus, um gegen Napoleon kämpfen zu dürfen. Sie wurde enttarnt – und durfte weitermachen Foto: Unbekannter Künstler, 1847 / Wikimedia Commons / PDM 1.0

Es ist die dritte Kaserne, die in Deutschland nach einer Frau benannt wird. Die ersten beiden hatten den Schönheitsfehler, dass die Namensgeberinnen in keiner militärischen Tradition standen. Wie auch? Eine Karriere wie die von Krüger sollte in großen Teilen Deutschlands für Frauen bis in dieses Jahrtausend hinein unerreichbar bleiben: In der Bundesrepublik steht der Dienst an der Waffe erst seit 2001 für Frauen offen.

Ein paar andere potentielle Namensgeberinnen hätte es gegeben – mit ähnlichen Background-Stories wie Krüger. So waren bei der Schlacht von Dennewitz 1813 auf preußischer Seite gleich zwei verkleidete Frauen dabei – neben Krüger selbst auch noch die jüdischstämmige Louise Grafemus. Und die hübsche Eleonore Prochaska, die 1813 fiel, wurde als eine Art Jeanne d’Arc mit Dramen, Gedichten und Liedern geehrt.

Dagegen verlief Krügers Leben nach ihrer ungeheuerlichen Selbstermächtigung auf braven Wegen. Nach Napoleons Niederlage 1815 bekommt Krüger noch ein Abschlusszeugnis. Ihr Vorgesetzter wünscht „diesem außerordentlich verdienstlichen Heldenmädchen“ darin den „Genuß einer ihr gebührenden dauernd glücklichen Häuslichkeit“. Sie heiratet 1816 einen anderen Unteroffizier, bekommt vier Kinder und eine Kriegspension.

Auf ihrem Grabkreuz wird ihrer mit dem Beruf ihres Mannes gedacht: „die verehelichte Ober-Steuer-Controleur“, heißt es. Immerhin: Ein Eisernes Kreuz, die Preußische Kriegsdenkmünze und der Orden des Heiligen Georg deuten dort noch auf ihre Errungenschaften hin.

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