Umbenennung der Kaserne in Munster: Antidemokrat geht, Soldatin kommt
Die Hindenburg-Kaserne in Munster wird in Friederike-Krüger-Kaserne umbenannt. Krüger war eine Soldatin und Unteroffizierin in den Befreiungskriegen.

Krüger zieht in die Schlacht, tut sich hervor, wird verletzt und als Frau enttarnt – und bleibt, Überraschung, weiter im Dienst: fortan im Rang eines Unteroffiziers, mit Segen des Königs. Zwei Jahre lang, bis zu Napoleons endgültiger Niederlage, kämpft sie in ihrer Truppe, schlägt 17 Schlachten, zieht siegreich bis nach Paris. Sie verdient überbordendes Lob ihrer Kameraden und Vorgesetzten für Mut und Tapferkeit (und tadellose Sittlichkeit) und ein paar Auszeichnungen obendrein.
Gut 200 Jahre später wird sie nun erneut geehrt: Die Hindenburg-Kaserne in Munster wird an diesem Mittwoch in Friederike-Krüger-Kaserne umbenannt. Gegenüber Reichspräsident Paul von Hindenburg hat die Unteroffizierin klare Vorzüge: Anders als beim Antidemokraten Hindenburg ist über Krügers Haltung zu Demokratie nichts Negatives bekannt. Freilich auch nichts Positives: Krüger hat spät das Schreiben gelernt und nicht viel Schriftliches hinterlassen. Aber das ist für die Namensgebung nur ein weiterer Vorteil: Die Gefahr, dass im Nachhinein Kritisches über ihr Leben auftaucht, ist gering.
Zumal Krüger ja nicht als Vordenkerin geehrt wird, sondern – Zeitenwende – für den praktischen Kampf gegen einen unrechtmäßigen Aggressor – „ein historisches Vorbild für Mut, Pflichterfüllung und Hingabe im Dienst“, schreibt die zuständige Panzerlehrbrigade 9 Niedersachsen in einer Mitteilung zur Umbenennung.

Es ist die dritte Kaserne, die in Deutschland nach einer Frau benannt wird. Die ersten beiden hatten den Schönheitsfehler, dass die Namensgeberinnen in keiner militärischen Tradition standen. Wie auch? Eine Karriere wie die von Krüger sollte in großen Teilen Deutschlands für Frauen bis in dieses Jahrtausend hinein unerreichbar bleiben: In der Bundesrepublik steht der Dienst an der Waffe erst seit 2001 für Frauen offen.
Ein paar andere potentielle Namensgeberinnen hätte es gegeben – mit ähnlichen Background-Stories wie Krüger. So waren bei der Schlacht von Dennewitz 1813 auf preußischer Seite gleich zwei verkleidete Frauen dabei – neben Krüger selbst auch noch die jüdischstämmige Louise Grafemus. Und die hübsche Eleonore Prochaska, die 1813 fiel, wurde als eine Art Jeanne d’Arc mit Dramen, Gedichten und Liedern geehrt.
Dagegen verlief Krügers Leben nach ihrer ungeheuerlichen Selbstermächtigung auf braven Wegen. Nach Napoleons Niederlage 1815 bekommt Krüger noch ein Abschlusszeugnis. Ihr Vorgesetzter wünscht „diesem außerordentlich verdienstlichen Heldenmädchen“ darin den „Genuß einer ihr gebührenden dauernd glücklichen Häuslichkeit“. Sie heiratet 1816 einen anderen Unteroffizier, bekommt vier Kinder und eine Kriegspension.
Auf ihrem Grabkreuz wird ihrer mit dem Beruf ihres Mannes gedacht: „die verehelichte Ober-Steuer-Controleur“, heißt es. Immerhin: Ein Eisernes Kreuz, die Preußische Kriegsdenkmünze und der Orden des Heiligen Georg deuten dort noch auf ihre Errungenschaften hin.
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