Umgang der Justiz mit Po­li­zis­ten: Unangemessener Vertrauensvorschuss

Polizisten reagieren auf Anzeigen standardmäßig mit Gegenanzeigen. Staatsanwaltschaften und Gerichte sollten aufhören, das zu akzeptieren.

Jemand fotografiert im Hamburger Schanzenviertel mit dem Smartphone eine Menschenmenge, in der Pyrotechnik abgefackelt wird.

Kann helfen, unhaltbare Vorwürfe zu entkräften: Smartphone, hier auf einer Demo 2022 in Hamburg Foto: dpa | Jonas Walzberg

Zum Glück gibt es das Smartphone. Ohne den Videobeweis wären die Polizisten mit ihrer abgesprochenen Version des Geschehens am Hamburger Jungfernstieg durchgekommen und der angeklagte Feuerwehrmann müsste mit einer empfindlichen Strafe rechnen – womöglich mit Folgen für seinen Beamtenstatus. So ist es nun genau andersherum.

Das Grundübel besteht darin, dass viele Staatsanwaltschaften und auch Gerichte Polizisten einen unangemessenen Vertrauensvorschuss einräumen. Das ist umso unverständlicher, als es gängige Praxis der Polizei ist, auf Strafanzeigen mit Gegenanzeigen oder – wie im vorliegenden Fall – mit einer präventiven Anzeige zu reagieren. Warum Staatsanwaltschaften und Gerichte, denen das ja immer wieder unterkommt, das akzeptieren, erschließt sich nicht. Sei es Naivität, sei es eine Art Korpsgeist – so oder so untergräbt diese Blindheit das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Das Gleiche gilt für den Korpsgeist innerhalb der Polizei, wo einer den anderen deckt und dafür notfalls auch lügt.

Nun handeln Polizisten zwar oft unter hohem psychischen und physischem Druck, der bei der Bewertung ihres Handelns berücksichtigt werden muss. Die Situation auf dem Jungfernstieg war allerdings ausgesprochen harmlos. Hier standen der Polizei keine vermummten Autonomen mit Pflastersteinen gegenüber und auch keine schwer einzuschätzenden psychisch Kranken mit dem Messer in der Hand. Wie das Video zeigt, hat ein Polizist offenbar die Nerven verloren, weil er den Widerspruch eines Bürgers nicht aushalten konnte.

Solch einen Menschen in Ausübung des Gewaltmonopols auf die Bürger loszulassen, verbietet sich. Dass seine Kollegen das decken, ist hochproblematisch. Dass sie dafür lügen, erst recht. Noch tut die Polizei so, als zeuge jede Forderung nach unabhängiger Kontrolle ihrer Praxis von lästerlichem Misstrauen. Jeder neue Videobeweis zeigt, wie falsch sie damit liegt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.