Umgang mit Jugendlichen ohne Bleibe: Notfalls untergebracht

Für junge Erwachsene ohne Bleibe gibt es keine spezielle Übernachtungsstätte. Die Sozialbehörde verweist auf das Pik As für obdachlose Männer. Sozialarbeiter warnen.

Eine teure Art zu wohnen: Ein obdachloser Mann im Pik As Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Wenn junge Menschen in Krisen geraten, droht für sie schnell die Gefahr, wohnungslos zu werden. Der Hamburger Arbeitskreis Wohnraum für junge Menschen fordert deshalb schon seit 15 Jahren eine eigene „Notschlafstelle“ für 18- bis 27-Jährige. Auch die Sozialbehörde hatte eine entsprechende Einrichtung geplant, hat diese Idee nun aber erst einmal beerdigt. Wie aus einem Papier hervorgeht, das der taz vorliegt, hält sie eine Anbindung der Notstelle an das Pik As für ältere Obdachlose für ausreichend. Das spart Kosten, denn so wäre kein neuer Standort „mit weiteren Personalressourcen notwendig“.

Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) verwies im Gespräch mit der taz auf das Pik As. Ein 25-Jähriger habe dort zur Not ein Angebot, und zwar ganzjährig. Es gebe eine räumliche Trennung für die jungen Erwachsenen durch „separate Zimmerbelegung“, erläutert ihr Sprecher Martin Helfrich. Es sei die Haltung der Behörde, für junge Erwachsene eine „nachhaltige“ Lösung zu ermöglichen. Deshalb sei für sie eine kurzfristige Notschlafstelle nicht angemessen.

Aus Sicht von Jugendsozialarbeitern ist das der falsche Weg: „Das Pik As ist jungen Menschen nicht zuzumuten“, sagt Heike Lütkehus von der Einrichtung „Hude“ für wohnungslose Jugendliche im Bezirk Nord. „Es besteht die Gefahr, dass sie in die Obdachlosenszene abrutschen.“ Auch die Mitarbeiter der Fachstellen für Wohnungsnotfälle sagten, dass die da nicht hingehören. „Wir haben hier bei Hude die jungen Menschen sitzen, die zu Hause rausfliegen, und können denen nichts anbieten“, so Lütkehus. „Die fahren dann den ganzen Tag Bahn, um es warm zu haben. Und im Sommer verteilen wir Schlafsäcke und Zelte.“

Falscher Weg

„Wir haben täglich mit jungen Menschen zu tun, die nicht wissen, wo sie schlafen und die Nacht in U- und S-Bahn verbringen“, sagt auch Ralf Mehnert von Streetlife in Rahlstedt. Im Pik As blieben die nur eine Nacht. „Dann schlafen sie wieder draußen.“

„Uns gehen diese jungen Leute verloren“, sagt Kristina Krüger von der Jugendsozialarbeit der Diakonie. „Könnten wir denen sagen: ,Da und da kannst du schlafen, komm morgen wieder', dann könnten wir mit ihnen eine Perspektive entwickeln.“ So drohe das Abrutschen in eine dubiose Abhängigkeiten von Erwachsenen, um einen Schlafplatz zu erhalten.

Viele junge Obdachlose seien mal als Kinder in Heimen gewesen, ergänzt Sozialarbeiter Olaf Sobczak. Doch spätestens mit 21 Jahren stünden sie ohne Anspruch auf Wohnraum da. „Sie werden fallen gelassen.“ Zwar vermittle die Lawetz-Stiftung Wohnraum, doch dort seien die Wartelisten lang.

„Es geht um ein akutes Problem: Im Winternotprogramm ist jeder Fünfte zwischen 18 und 25 Jahre “

Die Sozialbehörde hält dagegen, dass so eine Notschlafstelle ja nur für wenige Tage eine Lösung sei. Sie setze dagegen auf eine dauerhafte Stabilisierung von jungen Obdachlosen. Dafür soll ein bereits seit 2009 bestehendes Jungerwachsenenprojekt von bisher 19 Plätzen bis Herbst auf 79 Plätze erweitert werden. Laut Behördenpapier sieht der Senat in der Notschlafstelle, die der Arbeitskreis fordert, ein „Parallelsystem“. Auch gehe dessen Konzept mit 35 Plätzen in Einzelzimmern, 24-stündigem Aufenthalt und Rundumbetreuung „weit über ein Angebot von Notschlafplätzen hinaus“.

Keine Lösung für junge Menschen

Sozialarbeiter Sobczak sieht in dem geplanten Projekt wiederum keine Lösung für junge Menschen, die akut auf der Straße stehen. Die jungen Leute müssen erst bei der Fachstelle für Wohnungsnotfälle eine Zuweisung erhalten und kommen dort erst mal auf eine Warteliste. Außerdem dürfen sie keine harten Drogen konsumieren.

Dass es ein akutes Problem gibt, belegen die Zahlen des Winternotprogramms: Jeder Fünfte dort ist zwischen 18 und 25 Jahre alt, im Dezember waren es 193 Personen.

Krüger von der Diakonie begrüßt zwar, dass das Jungerwachsenenprojekt ausgebaut wird. Doch das reiche nicht. Die jungen Erwachsenen fielen in eine Lücke der sozialen Sicherung: „Wir können in Hamburg den Schutz für junge Menschen nicht bei 18 Jahren enden lassen.“

Stiftung könnte beispringen

Weil die Gespräche mit der Sozialbehörde nicht fruchten, feilt nun eine Arbeitsgruppe bei der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtpflege an einem Plan B. Denkbar wäre etwa, eine Notschlafstelle über eine Stiftung finanzieren zu lassen.

„So eine Lösung wäre hilfreich, aber auch Armutszeugnis für den Senat“, sagt Ronald Prieß, Hamburger Botschafter für die Bundes-Straßenkinderkonferenz. Er sieht in der Notschlafstelle kein Parallelsystem, sondern einen weiteren Zugang, um In-Not-Geratene ins Hilfesystem zu holen. Und das sei eine „Aufgabe des Staates“. Denn bedenke man die Folgen, sei Obdachlosigkeit die teuerste Art zu wohnen.

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