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Umgang mit Wölfen in Brandenburg„Eine Chance wurde vertan“

Der Konflikt um eine Abschussquote von Wölfen in Brandenburg wurde nicht entschärft, sagt Axel Kruschat vom BUND nach dem Hearing in Potsdam.

Meister Isegrim in seinem Habitat Foto: dpa
Interview von Plutonia Plarre

taz: Herr Kruschat, für den BUND waren Sie am Donnerstag beim „Wolfshearing“ des Umweltministeriums Brandenburg. Von den Tierhaltern über die Jäger bis zu den Umweltverbänden waren über 50 Teilnehmer in Potsdam dabei. Ist der Konflikt um die Abschussquote für Wölfe in Brandenburg entschärft?

Axel Kruschat: Überhaupt nicht. Was gut an dem Termin war: dass er professionell moderiert wurde.

taz: Normalweise verlaufen Wolfsveranstaltungen in Brandenburg sehr hitzig und emotional.

Kruschat: Das ist diesmal nicht passiert. Auch nach den Verwirrungen um den Staatssekretär Gregor Beyer nicht.

Im Interview: Axel Kruschat

Axel Kruschat ist seit 2003 Geschäftsführer des BUND Brandenburg.

taz: Beyer ist gerade seines Amtes als brandenburgischer Agrar- und Umweltstaatssekretär enthoben worden. Er hatte zuvor astronomische Zahlen von 1.500 bis 2.000 Wölfen in Brandenburg in Umlauf gebracht und von einer möglichen Abschussquote von 15 Prozent gesprochen.

Kruschat: Genau, und diese Zahlen sind jetzt Gott sei Dank vom Tisch.

taz: Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD) hat am Donnerstag die vom Wolfsmonitoring des Landesumweltamtes erhobenen Zahlen bestätigt. Danach handelt es sich um einen Bestand von knapp 500 Wölfen.

Kruschat: Wir sind jetzt endlich wieder bei einer wissenschaftlich belegten Grundlage. Schlecht an dem Hearing war, dass im Ministerium bereits feststeht, dass der Wolf ins Brandenburger Jagdrecht aufgenommen werden soll – also bevor das Bundesnaturschutzgesetz geändert worden ist. Das ist ein absolutes Unding.

Der Konflikt um den Wolf

Der Konflikt um die Frage von Wolfsabschüssen in Brandenburg war durch provokante Äußerungen des früheren Agrarstaatssekretärs Gregor Beyer in letzter Zeit sehr aufgeheizt. Beyer ist inzwischen seines Amtes enthoben worden. Er hatte von 1.500 bis 2.000 Wölfen in Brandenburg gesprochen und eine Abschussquote von 15 Prozent ins Spiel gebracht.

Auf Einladung des Umweltministerium trafen sich am Donnerstag Bauern, Waldbesitzer, Jäger, Tierhalter, Tierschützer, Umwelt- und Naturschützer und Wissenschaftler in Potsdam zu einem ganztägigen „Dialog Wildtiermanagement Wolf“.

Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD) sagte nach dem Hearing vor der Presse, dass der Wolf bis Ende 2025 Anfang 2026 ins Brandenburger Jagdrecht aufgenommen werden soll. Ob eine Anzahl getöteter Wölfe oder ein Gebiet festgelegt werde, in dem Wölfe bejagt werden dürften, oder ob es eine Quotenreglung gebe, sei noch offen, sagte die Ministerin. Dies werde in Arbeitsgruppen diskutiert. Das Meinungsbild bei dem Hearing habe eher zur Schaffung von Gebieten tendiert, wo vermehrt Wolfsrisse auftreten. „Dementsprechend tendiere ich auch in diese Richtung.“ (taz/dpa)

taz: Das bedarf der Erklärung.

Kruschat: Es gibt eine Populationsgefährdungsanalyse des Bundesamtes für Naturschutz. Die besagt, der Wolf kann in Deutschland überleben, wenn die Mortalität nicht steigt. Also wenn nicht mehr Wölfe durch Verkehr, illegale Abschüsse, Krankheiten und so weiter sterben. Der Abschuss von Problemwölfen – die sogenannte Entnahme – ist ja jetzt bereits richtigerweise möglich. Eine Jagdquote würde zwangsläufig dazu führen, dass diese Mortalität steigt. Die Wahrscheinlichkeit für das Aussterben des Wolfes würde sich enorm erhöhen. Deswegen macht es aus naturschutzfachlicher Sicht überhaupt keinen Sinn, irgendeine Form von Abschussquoten festzulegen.

taz: Nach dem Hearing sagte Ministerin Mittelstädt vor der Presse, es sei noch offen, ob es eine generelle Abschussquote geben werde oder regional begrenzte Gebiete für die Bejagung von Wölfen ausgewiesen würden. Gemeint sind Gebiete, wo vermehrt Risse von Nutztieren stattfinden. Sie persönlich tendiere zu Letzterem.

Kruschat. Ich war bei der Pressekonferenz nicht dabei. Je nachdem welches Medium man liest oder sich das RBB-Interview anguckt, variieren Mittelstädts Aussagen etwas. Unter dem Strich sind sie im schlechtesten Fall aber so zu interpretieren, dass es eine Abschussquote geben soll. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Abschussquote regional begrenzt ist oder in ganz Brandenburg stattfindet. Völlig unklar ist, wie dadurch der Herdenschutz verbessert werden und das Ganze in Einklang mit dem Natur- und Artenschutz gebracht werden soll und auch mit der EU-Rechtsveränderung.

taz: Auf EU-Ebene wurde der Wolf von „streng geschützt“ auf „geschützt“ heruntergestuft.

Kruschat: Aber alle Maßnahmen unterliegen der Voraussetzung, dass der Erhaltungszustand der Population nicht verschlechtert wird. Und eine Quotenjagd bedeutet eindeutig, dass die Population verschlechtert wird. Diese ganze Debatte führt meiner Meinung nur zur Verwirrung: Dass es eine Tierart gibt, die sowohl im Jagdgesetz als auch im Naturschutzgesetz steht.

taz: Also war das Hearing umsonst?

Kruschat: Es wurde eine Chance vertan. Es sollte eine Dialogveranstaltung werden, wo man alle Interessen und Faktenlagen auf den Tisch packt. Aber wenn schon vorher feststeht, der Wolf kommt ins Jagdrecht, fragt man sich: Warum noch der Dialog?

taz: Auf der Pressekonferenz hat Mittelstädt gleichzeitig gesagt, man wolle die Akzeptanz der Wölfe bei den betroffenen Tierhaltern erhöhen. Der Natur- und Artenschutz dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Wie passt das zusammen?

Kruschat: Ich frage mich, wie man das messen will. Bei dem Hearing wurde zugegeben, dass es überhaupt keine Erkenntnisse darüber gibt, welche Maßnahmen zu mehr Akzeptanz des Artenschutzes des Wolfes führen. Wenn man das gar nicht weiß, kann man schlecht sagen, ich ergreife die und die Maßnahme, in der Hoffnung, dass sie zu mehr Akzeptanz führt.

taz: Was für Maßnahmen könnten das sein?

Kruschat: Zum Beispiel, indem die Förderung für den Herdenschutz vereinfacht wird. Förderung der Weidezäune, Förderung der Hunde, Förderung der Betriebskosten und eine schnelle und sichere Entschädigung bei Rissen.

taz: Das sei alles auch eine Kostenfrage, sagte Mittelstädt dazu vor der Presse.

Kruschat: Natürlich ist das eine finanzielle Frage. Aber wenn man es vergleicht mit den Subventionen, die insgesamt in Brandenburg in die Landwirtschaft fließen, ist das Geld für den Herdenschutz eine lächerliche Summe. Pro Jahr werden allein in Brandenburg für die Agrarförderung ungefähr 300 Millionen Euro ausgegeben. Dem gegenüber stehen für den Herdenschutz in 2024 ganze 2 Millionen Euro für Prävention und circa 200.000 Euro für den Schadensausgleich. Also sehr wenig. Ein deutlich größeres Problem ist, dass die Tierhalter monatelang auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten müssen.

taz: Das Hearing war also nur Kosmetik für das Ministerium, um auf Durchmarsch machen zu können?

Kruschat: Es war gut, dass es einen Verständigungsprozess gab, aber die Ministerin muss überlegen, ob sie allein den Lobbyinteressen des Jagdverbandes nachkommen will oder ob wir uns jetzt mal auf das Machbare konzentrieren. Und zwar auf einen vernünftigen Weidetierschutz für die Viehhalter.

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