Umkämpfte Hamburger Esso-Häuser: Abriss – und dann?

Das Ende der Esso-Häuser rückt näher, aber die Diskussion, was aus dem Gelände wird, ist noch nicht vorbei: Die Grünen finden, die Stadt solle sie kaufen, die SPD hält davon gar nichts.

Die Grünen sagen es höflicher, aber verstaatlichen wollen sie die Häuser. auch. Bild: dpa

HAMBURG taz | Am Mittwoch rückten die Bagger an, begannen mit dem Abriss der Esso-Häuser und markierten damit das Ende eines über fünfzig Jahre dauernden Kapitels Kiez-Geschichte. Just an diesem Tag kamen die Grünen in der Hamburger Bürgerschaft mit einem Antrag: Die Stadt solle die Esso-Häuser der Immobilienfirma Bayerische Hausbau abkaufen und gemeinsam mit den Anwohnern planen, wie das Areal in Zukunft gestaltet werden soll.

Dieser Vorschlag stieß wie erwartet nicht nur auf Zustimmung: „Das ist Populismus pur“, schimpfte Dirk Kienscherf, Fachsprecher Stadtentwicklung der SPD. „Damit sendet man ein völlig falsches Signal an alle zukünftigen Investoren, nämlich, dass die Stadt jedes Objekt zurückkauft, bei dem die Verhandlungen schwierig sind.“

Handelt es sich hierbei also um reine Utopie? Im Gegenteil: „Uns ist es absolut ernst mit der Idee“, sagt der Grüne Olaf Duge. Die SPD könne ihre Forderungen gegenüber der Investorin offenbar nicht aufrechterhalten. „Sie will die Bürger mit einbeziehen, doch mit der Bayerischen Hausbau als Eigentümerin wird dies nicht möglich sein.“

Vor vier Jahren hat die Bayerische Hausbau die baufälligen Esso-Häuser für rund 19 Millionen Euro gekauft. Abreißen, verdichten, neu bauen, war ihr Plan, womit sie bei den Anwohnern auf heftigen Widerstand stieß. Den Abbruch der Häuser konnten die Bewohner jedoch nicht verhindern, vergangenen Dezember mussten sie wegen Einsturzgefahr evakuiert werden.

Die Immobilienfirma Bayerische Hausbau kaufte 2009 die Esso-Häuser in St. Pauli für geschätzte 19 Millionen Euro.

Ihre Ankündigung, die Häuser abzureißen und neu bauen zu wollen, löste eine Protestwelle unter den Anwohnern aus. Sie forderten, dass die Häuser saniert werden sollen statt abgerissen.

Nach Gesprächen zwischen Initianten, Investor und dem Bezirk brach die Bayerische Hausbau die Verhandlungen mit den Initianten im Februar 2012 ab. Im Juni 2013 kam ein Gutachten zum Schluss, eine Sanierung lohne sich nicht.

Im Dezember mussten die Häuser wegen Einsturzgefahr geräumt werden. Am Mittwoch begann der Abbruch der Häuser. 500 Menschen demonstrierten vor Ort gegen Gentrifizierung.

„Es geht uns nicht um die Häuser, es geht darum, dass sozial Benachteiligte immer mehr aus St. Pauli verdrängt werden“, sagt Steffen Jörg von der Initiative Esso-Häuser. Auch Günter Zint, Fotograf und jahrzehntelanger St.-Pauli-Bewohner, beschwert sich über die Entwicklung des Viertels. „Es war das Viertel der Ganoven, Künstler, Prostituierten“, sagt der inoffizielle Chronist von St. Pauli. „Als ich in den 70er-Jahren eine Wohnung auf St. Pauli suchte, sagte die Sachbearbeiterin zu mir: ’Nach St. Pauli zieht man doch nicht freiwillig, da wird man eingewiesen.‘“

Das ist lange her und mittlerweile wurde auch die älteste Tankstelle Deutschlands, die neben dem 50er-Jahre-Plattenbau stand, abgerissen. „Die Esso-Häuser sind ein Mikrokosmos von St. Pauli“, so Steffen Jörg. Inzwischen ist ein weiteres Label hinzugekommen: „Die Esso-Häuser wurden zum Symbol für Gentrifizierung.“

Der Prostest gegen Gentrifizierung ist groß im geplagten St. Pauli. „Die herrschende Stadtteilpolitik geht nicht auf die drängenden Probleme der Menschen ein“, sagt Jörg. Er wünscht sich eine „authentische Beteiligung“ der Anwohner. „Schließlich kennen die Leute ihren Bezirk am besten.“ Ist das utopisch? Eine Stadt, bei der die Bewohner planen und bestimmen, wie ihr Viertel künftig aussieht? Nein, finden die Grünen. „Will die Politik die Bürger mit einbeziehen, dann muss die Stadt die Esso-Häuser zurückkaufen“, sagt Duge. Auch wenn er die Entscheidungsgewalt bei der Politik sieht, wünscht er sich das Einbeziehen der Bevölkerung.

Auch die SPD spricht von Bürgerbeteiligung. Neben einer 50 -Prozent-Quote sozial geförderter Wohnungen im künftigen Neubau und einer Einzugsgarantie für die vorherigen Mieter ist die Partizipation der Anwohner eine der zentralen Forderungen, die sie gegenüber der Immobilienfirma durchzusetzen versucht. „Wir hoffen, dass wir zu einer Lösung kommen, wenn wir nur beharrlich verhandeln“, sagt SPD-Mann Kienscherf. Den Grünen reicht dies offenbar nicht: „Mit dem Bremsklotz Bayerische Hausbau wird ein partizipatorischer Planungsprozess nicht möglich sein“, sagt Duge.

Der Initiative geht sowohl das eine als auch das andere nicht weit genug. Sie nehmen die Sache lieber selbst in die Hand: „Wir müssen die Investoren in ihre Schranken weisen“, sagte eine Sprecherin bei einer Demonstration am Abrisstag. Rund 500 Demonstranten zogen von den Esso-Häusern aus durchs Viertel, um mit Trillerpfeifen, Trommeln und Töpfen gegen Gentrifizierung zu lärmen. Bei der Baustelle an den Esso-Häusern will die Initiative einen Ort errichten, als Anlaufstelle für all jene Leute, die ihre Ideen vorstellen möchten.

Für Jörg ist der Abbruch der Esso-Häuser nicht das Ende der Geschichte, im Gegenteil: „An dem Entscheidungsprozess wird sich zeigen, ob dies der Todesstoß oder eine gelungene Kehrtwende in der Entwicklung St. Paulis sein wird.“

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