Umstellung auf Biolandwirtschaft: Schwieriger Wechsel

Ökolandwirt zu sein, ist schön, doch die Umstellung ist nicht so einfach. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Nachfrage stagniert.

Eine Person, von der nur die untere Hälfte zu sehen ist, steht vor einem Gemüseregal im Supermarkt. In der Hand hat die Person eine Plastiktüte mit Äpflen darin

Laut Verbänden der limitierende Faktor in der Ökolandwirtschaft: der Verbraucher Foto: Jan Woitas/dpa

BREMEN taz | Im Erdboden leben kaum noch Mikroorganismen, Grundwasser ist mit Nitraten belastet, durch den Einsatz von Stickstoffdünger entsteht klimaschädliches Lachgas, das Insektensterben nimmt erschreckende Ausmaße an: Mit unserer Form der Nahrungsmittelproduktion bedrohen wir unsere Existenzgrundlage. Helfen kann eine Umstellung auf Biolandwirtschaft. Und: Der Markt für nachhaltig produzierte Lebensmittel wächst.

Der Anteil, den die Deutschen für Bio­lebensmittel ausgeben, hat sich laut Gesellschaft für Konsumforschung von 2004 bis 2016 verdreifacht. Klingt gut, allerdings bewegt sich diese positive Entwicklung auf sehr niedrigem Niveau: Gerade mal 5,4 Prozent ihres gesamten Lebensmittel-Budgets geben die Deutschen für Biolebensmittel aus.

2018 haben jeden Tag sechs Höfe auf Biolandwirtschaft umgestellt. Klingt auch erst mal gut. Bei näherer Betrachtung ist diese Entwicklung weniger ermutigend. Besonders schlecht sieht es im von der Agrarkultur geprägten Norddeutschland aus:

Während Ende 2018 bundesweit immerhin 9,1 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen dem ökologischen Anbau dienten, waren es in Schleswig-Holstein, wo die Grünen seit vielen Jahren mitregieren, nur 6,2 Prozent der Flächen. In Niedersachsen gar nur 4,1 Prozent – schlechter steht kein anderes Bundesland da.

Die Hälfte der Einnahmen kommen aus Fördermitteln

In Schleswig-Holstein erklärt man sich die geringe Quote paradoxerweise mit den guten Bedingungen für die Land­wir­t*in­nen im Bundesland: Der Anreiz, auf die stärker staatlich geförderte Biolandwirtschaft umzusteigen, sei kleiner, wenn ohnehin alles gut laufe. Tatsächlich verdienen die Land­wir­t*in­nen hier mehr als überall sonst in der Republik.

Die Landesregierung in Niedersachsen betont vor allem, wie viel sie bereits für die Umstellung tut. Kein Bundesland gebe mehr Fördergeld für den ökologischen Landbau aus, teilt das Landwirtschaftsministerium mit: „Einführer“, also Bauern und Bäuerinnen, die gerade von der konventionellen auf die biologische Produktion umstellen, bekommen vom Land jährlich 403 Euro für den Hektar Grünland, „Beibehalter“ immerhin noch 273 Euro.

Für Gemüse ist es etwa doppelt so viel, für Dauerkulturen das Dreifache. Dazu kommen Fördergelder der EU und des Bundes. Insgesamt erzielen die Bio­land­wir­t*in­nen etwa die Hälfte ihrer Einnahmen über Fördermittel.

Gerade in der Anfangszeit ist diese Förderung wichtig. Denn in den ersten zwei Jahren nach der Umstellung dürfen die Land­wir­t*in­nen ihre Produkte noch nicht mit dem Prädikat „biologisch“ verkaufen – schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass der Boden noch überdüngt oder noch mit Pflanzenschutzmitteln kontaminiert ist.

So richtig meckern möchten die diversen Ökolandwirtschaftsverbände im Norden nicht über ihre Landesregierungen. Auch das Netzwerk Ökolandbau in Schleswig-Holstein und das Kompetenzzentrum Ökolandbau in Niedersachsen profitieren von der Förderung durch die Länder.

Gründe, die es den Land­wir­t*in­nen erschweren, fallen ihnen aber genügend ein. Zu wenig Wissen ist einer. Zum Beispiel gibt es in Niedersachsen bis heute keine Professur für Biolandwirtschaft. Auch in den Berufsschulen seien die Lehrer oft nur schlecht ausgebildet, um die verpflichtenden 80 Unterrichtsstunden Biolandbau kompetent zu vermitteln, sagt Carolin Grieshop, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen.

Die Ökolandwirte und ihre Verbände benennen den limitierenden Faktor für den Ausbau der Biolandwirtschaft: Es ist der Verbraucher

Ein weiteres Problem bei der Umstellung ist, dass der einzelne Landwirt, die einzelne Bäuerin nicht im luftleeren Raum arbeitet. Gerade Betriebe mit Tierhaltung sind in ein komplexes System von Abhängigkeiten eingebunden.

Kühe müssen oft zugefüttert werden, das biologische Futter muss von benachbarten Ökobauern im ausreichenden Maße angeboten werden; Schweinebauern sind oftmals auf biologische Mastbetriebe in ihrer Nähe angewiesen; auch die Weiterverarbeitung muss nach ökologischen Gesichtspunkten vonstatten gehen – wenn eine Molkerei eine Bioverarbeitung neu einrichtet, stellen Milchbetriebe auf ökologische Milcherzeugung um. Gibt es keine entsprechenden Molkereien, gibt es auch keine Biomilch.

Die Förderung allein reicht nicht

Trotz aller Schwierigkeiten: Das Bionetzwerk ist schon viel dichter geworden. Dirk Kock-Rohwer war Anfang der 90er-Jahre ein Biopionier. Als er auf seinem Familienhof in Bönebüttel angefangen hat, ökologisch zu produzieren, gab es in ganz Schleswig-Holstein nur eine einzige Biomolkerei. „Die hat dann Milch im Umkreis von 30 Kilometern abgeholt, alle anderen hatten Pech“, erinnert er sich. Kock-Rohwer verkaufte seine teuer erzeugte Biomilch lange Jahre deutlich billiger als konventionelle Milch.

Bei den Land­wir­t*in­nen, die nach der Jahrtausendwende über einen Wechsel von konventioneller zu biologischer Produktion nachdenken, spielen weniger ideologische Überzeugungen, sondern ökonomische Überlegungen eine Rolle. Das legt eine ältere Studie im Auftrag der Bundesregierung nahe.

Auch wenn sich heute etwa die Hälfte des Einkommens der Bio­land­wir­t*in­nen aus Fördermitteln von EU, Bund und Land zusammensetzt, geht es nicht ohne den Verkauf der eigenen Produkte. Der Preis für die Bioprodukte ist höher als für konventionell produzierte Lebensmittel, schließlich ist der Ertrag geringer und die Arbeit umfangreicher. Am Ende haben Biobauern im Schnitt ein unwesentlich höheres Jahreseinkommen als ihre konventionellen Kol­le­g*in­nen. Und es unterliegt weniger starken Schwankungen.

Wer umstellen will, braucht Sicherheit

Wo ist dann das Problem? Die Ökolandwirte und ihre Verbände benennen den limitierenden Faktor für den Ausbau der Biolandwirtschaft: Es ist der Verbraucher. „Die Nachfrage muss noch mal anziehen“, sagt Monika Friebl vom Netzwerk Ökolandbau Schleswig-Holstein. „Wer umstellen will, braucht die ­Sicherheit, dass auch gekauft wird.“

Gerade für Milchbauern scheint der Markt derzeit gesättigt zu sein. 2018 durften nach der zweijährigen Umstellungszeit viele neue Bauern ihre Milch als ökologisch produziert vermarkten – mit einem Schlag gab es 19 Prozent mehr Biomilch als 2017; normal ist ein Zuwachs um acht bis zehn Prozent im Jahr. „In solchen Zeiten ist es natürlich schwieriger, seine Milch unterzubringen. So eine große Milchschwemme muss erst einmal verdaut werden“, sagt Kock-Rohwer.

Auch beim Kompetenzzentrum Ökolandbau in Niedersachsen sieht man, dass seit 2017 kaum noch Milchviehbetriebe auf ökologische Erzeugung umstellen, weil die Molkereien kaum noch neue Abnahmeverträge abschließen.

In anderen Bereichen scheint noch eher Luft nach oben zu sein. Laut dem Bund für ökologische Landwirtschaft lag 2016 und 2017 der Anteil der Bioeier bei 10,5 Prozent, der von Biogeflügelfleisch nur bei gut einem Prozent. Beim Schweinefleisch lag der Bioanteil sogar bei unter einem Prozent – und in Niedersachsen wurden gar nur 0,1 Prozent des gesamten Schweinefleisches in Bioqualität produziert.

Wurst- und Fleischfreunde mit Gewissen

Für Grieshop vom Kompetenzzen­trum Ökolandbau Niedersachsen entspricht diese Winzmenge dem Bedarf: „Der typische Biokäufer ist nicht der klassische Schweinefleischesser“, glaubt sie. Hühnchen oder fürs Wochenende Rind kaufe der Biokäufer; vor allem aber gebe es viele Vegetarier.

Gibt es wirklich nur so wenig Wurst- und Fleischfreunde mit Gewissen? Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft geht davon aus, dass die Nachfrage nach Bioschwein das Angebot zumindest leicht übersteigt. Und die Studierendenwerke Bremen und Hamburg argumentieren, eine Umstellung auf Bio sei nicht möglich, da das Angebot an Biowaren im Umland nicht ausreichend groß sei.

Hier beißt sich die Katze in den Schwanz; denn umgekehrt fordert das Kompetenzzentrum Ökolandbau, die großen Städte sollten in den Kantinen auf Bioprodukte umstellen: „Wenn das Studierendenwerk in Bremen erst mal kommt und sagt, in drei Jahren brauchen wir Biofleisch, dann stellen die Bauern um, da bin ich mir sicher“, sagt Grieshop und rechnet vor: Gäbe es in den Bremer Hochschulmensen nur an einem Tag in der Woche Biobratwurst, würden dafür schon rund zwölf Bioschweine benötigt.

Mehr darüber, warum es Land­wir­t*in­nen teilweise schwer haben, auf „bio“ umzustellen, lesen Sie in der taz.am wochenende oder hier.

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