Umstellung im Klinikum Ost: Mit Hochdruck in die Ambulanz

Die Schließung einer psychiatrischen Station am Klinikum Ost ist nur der erste Schritt zu mehr Tagespflege. Angehörige fürchten aber, dass es dafür viel zu früh ist.

Soll stärker auf ambulante Versorgung umgestellt werden: Die Psychiatrie des Klinikums Ost rangiert Betten aus. Bild: Jürgen Howaldt/Wikimedia

Eine psychiatrische Station im Außengelände mit eigenem Garten, Veranda und Grillecke: Am 15. März schließt das „Haus 3“ am Klinikum Bremen-Ost. Zwar ist das alte Gebäude sanierungsbedürftig, hinter dem Aus steckt aber ein anderer Grund: Bremens Psychiatrielandschaft wird derzeit grundlegend umgestaltet. Stationäre Betten sollen reduziert, Tageskliniken und ambulante Versorgung dafür weiter ausgebaut werden.

Die 20 Betten in Bremen-Ost seien „ein erster kleiner Schritt in diese Richtung“, sagt Geno-Sprecherin Karen Matiszick. Die Umstellung auf Ambulanz erfolge auch im Sinne der PatientInnen, die „auf diese Weise nicht aus ihrem vertrauten Umfeld gerissen werden“.

Langfristig wollen eigentlich alle Beteiligten weg von der stationären Unterbringung, die von Psychiatrie-Erfahrenen seit Jahren als „Verwahrung“ bemängelt wird. Der Senat ist auch dafür – und die Krankenkassen sowieso. Schließlich ist die Betreuung im eigenen Heim günstiger als der Verbleib im Krankenhaus. Studien bezeugen zudem geringere Rückfallquoten.

Darum verwundert es zunächst, dass die Schließung nicht nur bei wegrationalisierten MitarbeiterInnen und ihren Betriebsräten, sondern auch bei Selbsthilfegruppen von Psychiatrie-Erfahrenen und Angehörigen auf Kritik stößt. Es geht ihnen zu schnell.

Die Betreuung zu Hause muss organisiert werden – und zwar im „Trialog“, fordert der Angehörigen-Verein Expa. Gemeint ist damit, dass Behandelnde, Betroffene und Angehörige gemeinsame Behandlungspläne entwickeln und sich wechselseitig auf dem Laufenden halten, auch wenn gerade kein Notfall anliegt. Bisher fühlen sich viele Betroffene im Alltag allein gelassen.

Expa-Vorsitzender Frank Robra-Marburg hält es für „unvernünftig und vorschnell“, Betten abzubauen, bevor alternative Programme zuverlässig funktionieren. In Ansätzen gibt es die zwar bereits, aber während bei stationärer Behandlung auch auf unscheinbare Warnsignale reagiert werden kann, passiert nach Ansicht von Betroffenen-Gruppen daheim oft erst dann etwas, wenn Krisen akut werden. Und wenn erst die Polizei vor der Tür steht, haben Betroffene und deren Familie oft nicht mehr viel zu melden.

Die aus Sicht der Angehörigen mangelnde Vorbereitung ist aber nicht ihr einziger Einwand gegen die geplante Umstellung. Robra-Marburg bedauert zudem, dass ausgerechnet „Haus 3“ geschlossen wird. Verglichen mit anderen sei diese Station nämlich noch verhältnismäßig gut aufgestellt. Besonders die angenehmen Räumlichkeiten und das angenehme Umfeld seien wichtig für die Genesung.

Für Robra-Marburg ist es daher „absolut unverständlich“, die Einrichtung im Park zu schließen, während die nebenan im Turm untergebrachte „Station 63“ weiterbestehe. Die Zustände dort nennt er „menschenunwürdig“. Den PatientInnen fehlen Rückzugsräume und statt mit Begleitung im Freien, laufen sie auf einem kreisförmigen Flur unter Videoüberwachung herum.

Überbelegt ist die 63 offenbar noch dazu: In Behandlungsräumen stünden seit Kurzem zusätzliche Betten, berichtet eine Besucherin. Auch die vom Gesundheitssenator berufene Besuchskommission kritisiert diese Station bereits seit Jahren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der letzte Komissionsbericht von 2013: Einige bemängelte Aspekte seien zwar beseitigt worden, aber insgesamt mache die Station einen „atmosphärisch stark beeinträchtigenden Eindruck“, heißt es dort.

Eine Entscheidung zwischen den beiden Einrichtungen stand bei der Geno allerdings nie auf der Tagesordnung. Unternehmenssprecherin Matiszick erklärt, beim „Haus 3“ wäre die Umstellung am Naheliegendsten gewesen – hier sei auch die Zusammenarbeit mit den Tageskliniken weiterentwickelt.

Böse Absicht unterstellt auch Robra-Marburg nicht. Er spricht eher von einer Gedankenlosigkeit, die an den PatientInnen vorbeigehe. Zwar sei die Umstellung auf Ambulanz immer sein „absoluter Wunsch“ gewesen. Doch diese plötzliche Stationsschließung habe ihm den „Boden unter den Füßen weggezogen“.

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