Umstrittene Ehrung in Osnabrück: Westfälischer Unfriede

Der syrische Dichter Adonis wird mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis geehrt. Eine Fehlentscheidung, meinen Kritiker.

Adonis während eines Literaturfestivals

„Gemeinsam mit dem Westen werden Theokratien im Mittleren Osten aufgebaut“: der syrische Essayist und Dichter Adonis (Archivbild aus dem Jahr 2012). Foto: dpa

Osnabrück wird froh sein, wenn es den Freitagabend überstanden hat. Bereits im November sollte Ali Ahmad Said Esber, besser bekannt als Adonis, mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt geehrt werden. Nun ist es so weit.

Die Zeremonie wurde nach heftiger Kritik – „aus organisatorischen Gründen“ – verschoben. Syrische Intellektuelle wie Sadiq al-Azm, der 2015 mit der Goethe-Medaille in Weimar ausgezeichnet wurde, bezeichnen die Haltung Adonis als „Orientalismus der übelsten Sorte“. Sie kritisieren, dass der Dichter noch während der Bürgerproteste 2011 Diktator Assad als „gewählten Präsidenten“ bezeichnete.

Auch auf Nachfrage der Zeit hielt Adonis an dem Wörtchen „gewählt“ fest. Assad sei „schließlich nicht durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen“. Nein, wirklich nicht, so al-Azm und andere, denn Assad jun. hat die Macht von seinem Vater ja nur geerbt.

Ähnlich kritisch wie al-Azm äußerte sich der irakische Schriftsteller Najem Wali und griff Adonis in einem Essay im Spiegel scharf an. Adonis stehe politisch bis heute in der Tradition der panarabisch-großsyrischen Rechten. Gegen den Dichter habe er nichts einzuwenden, so Wali. Doch Adonis’ Mitgliedschaft in der faschistischen Syrisch-Sozial-Nationalistischen Partei sei keineswegs eine Jugendsünde gewesen.

Noch im Dezember 2013 habe dieser der libanesischen Zeitung An-Nahar ein Interview gegeben. Angesprochen auf den historischen Führer der Sozial-Nationalistischen Partei, Antun Saadeh, sagte Adonis darin: „Ich halte ihn für den wichtigsten Denker der modernen arabischen Geschichte. Einzig seine Vorstellungen haben sich in der Praxis als richtig erwiesen …“

„Dein Gesicht, oh Westen, ist gestorben“

Saadeh war Rassist und begriff sein imperiales Projekt – es sollte die Territorien von Syrien, Libanon, Jordanien, Palästina/Israel und Zypern umfassen – ähnlich wie später die Assads als explizit antijüdisch und antiwestlich. Im Alter von fast 50 Jahren habe Adonis dann, so Wali, 1979 die Machtübernahme der Islamisten im Iran begrüßt.

O-Ton Adonis damals: „Das Volk des Iran schreibt dem Westen: Dein Gesicht, oh Westen, ist gestorben“ In den Achtzigern zeigte er sich fasziniert von der Renaissance des radikalen Sunnismus. 1983 würdigte er die Schriften Mohammed Bin Abd al-Wahhabs, des Vordenkers des heutigen extremistischen Wahhabismus saudischer Prägung.

Die Bürgermeisterin von Lampedusa mochte den Sonderpreis nicht gemeinsam mit Adonis entgegennehmen

Navid Kermani, der im Herbst den Friedenspreis des deutschen Buchhandels in Frankfurt entgegennahm, lehnte es ab, für Adonis in Osnabrück die Laudatio zu halten. Auch Stefan Weidner, Übersetzer der Werke Adonis’, äußerte sich negativ: „Für einen Literaturpreis taugt Adonis immer. Für einen Friedenspreis scheint mir seine Haltung zu konfrontativ und einseitig, wenig hilfreich.“

Verschwörungstheoretische Weltsicht

Der mit 25.000 Euro dotierte und alle zwei Jahre vergebene Erich-Maria-Remarque-Preis begreift sich laut Statuten als „Erinnerung an das pazifistische Engagement“ des von den Nazis verfolgten Schriftstellers Remarque (“Im Westen nichts Neues“). Geehrt werden Persönlichkeiten, „deren publizistisches Engagement für Frieden, Humanität und die Freiheit des Menschen beispielhaft“ seien.

Auch die Italienerin Giuseppina Maria Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa, mochte den Remarque-Sonderpreis für ihr Flüchtlingsengagement nicht gemeinsam mit Adonis entgegennehmen und sagte ab. Die Jury unter Vorsitz von Professor Wolfgang Lücke und die Stadt halten stoisch an ihm fest. Man habe einstimmig für Adonis votiert, heißt es. Der Jury gehören neben Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert die Politikerin Rita Süssmuth sowie die Publizisten Heribert Prantl, Hubert Winkels und Johano Strasser an.

Im Gespräch mit der Welt erneuerte der 85-jährige Adonis nun seine verschwörungstheoretische Weltsicht. „Gemeinsam mit dem Westen werden Theokratien im Mittleren Osten aufgebaut“, behauptete er. Nähere Erläuterung: überflüssig. Russlands Dauerbombardement der Zivilbevölkerung ist ihm kein Sterbenswörtchen wert.

Dafür behauptet er allen Ernstes, das Vorgehen von Assads Repressionsapparat erinnere ihn „an Guantánamo, an die Gräueltaten der USA“. Assads Gegner, „die sogenannten Revolutionäre“, wirft er in einen Topf mit den Mordbanden des IS. „Adonis kann sagen, was er will,“ so Najem Wali, „aber mit einer humanistischen Persönlichkeit wie Remarque hat er nun wirklich nichts zu tun.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.