Umstrittene Haasenburg-Heime: Amtsvormünder bremsen Aufklärung

Die Opposition in der Hamburger Bürgerschaft verlangt, dass die Stadt alle Akten zu den Vorgängen in dem umstrittenen Heim vorlegt. Aber die Amtsvormünder der Jugendlichen stellen sich quer - auch wenn die Jugendlichen die Weitergabe befürworten.

Wenigstens der Weg zur Verwaltung ist ausgeschildert: auf dem Gelände einer Haasenburg-Einrichtung. Bild: dpa

HAMBURG taz | In diesen Tagen erhält die Hamburgische Bürgerschaft die geforderten Akten zu Vorgängen rund um die Haasenburg. Die Akten einiger vom Familieninterventionsteam (FIT) betreuter Jugendlicher werden fehlen. Wie die Sozialbehörde der taz mitteilte, haben Amtsvormünder ihre Zustimmung dafür verweigert, die Akten weiterzugeben. Der 16-jährige Michel W. ist darüber empört. "Ich wollte, dass meine Akte dem Parlament vorgelegt wird." Doch seine Amtsvormünderin habe das verhindert.

Michel W. war von Juni 2011 bis Januar 2013 in dem Heim und hat sich häufig und deutlich über seine Unterbringung in dem Brandenburgischen Heim bei Gericht und beim FIT beschwert. Das sei aus seinen Unterlagen ersichtlich. Als er einen Brief von der Behörde bekam, ob er der Weitergabe seiner Akte zustimmen würde, habe er dies bejaht. "Aber meine Vormünderin war dagegen", berichtet er.

Wie berichtet waren seit 2008 insgesamt 52 Hamburger Kinder- und Jugendliche in den Haasenburg-Heimen untergebracht. Die vier Oppositionsparteien Linke, Grüne, FDP und CDU hatten im August gemeinsam beantragt, dass alle Akten, E-Mails, Gutachten und sonstigen Unterlagen sämtlicher Behörden, Dienststellen und Gremien der Stadt Hamburg über die Haasenburg vorgelegt werden sollen. Die PolitikerInnen wollten klären, über welche Informationen die verantwortlichen Stellen verfügten und wie sie agierten.

Eigentlich sollten die Akten schon Ende September da sein, aber der SPD-Senat hat erst am 29. Oktober die entsprechende Drucksache beschlossen. "Die Akten werden zeitnah der Bürgerschaftskanzlei übergeben", verspricht Sozialbehördensprecherin Nicole Serocka. Da wegen des Sozialdatenschutzes einige Inhalte in den Akten "entfernt oder anonymisiert" werden müssten, habe sich die Zusammenstellung verzögert.

Nachdem die taz über Missstände in den Haasenburg-Einrichtungen berichtete, setzte das Land Brandenburg eine Untersuchungskommission ein. Deren Bericht soll diese Woche veröffentlicht werden.

Hamburger Kinder seien von den kritisierten Maßnahmen nicht betroffen, behauptete im Sommer die Sozialbehörde. Nach taz-Informationen haben aber auch Hamburger Jugendliche wegen ihrer Unterbringungsbedingungen Strafanzeigen gestellt.

Auch die Behörde selbst gab zu Protokoll, dass es von 2008 bis 2013 in der Haasenburg 56 gemeldete "Interventionsmaßnahmen" bei Hamburger Jugendlichen gab, darunter "Anti-Aggressionsmaßnahmen", "kurzzeitige Verhaltensunterbrechung" und "kurzzeitige körperliche Begrenzung".

Das FIT ist ein Sonderjugendamt, das mit einer speziellen Vormundsabteilung der Sozialbehörde zusammen arbeitet. Für elf Jugendliche, die in der Haasenburg waren, hatten oder haben diese Vormünder teilweise oder ganz das Sorgerecht. Die Frage, ob es zutrifft, dass Amtsvormünder die Zustimmung verweigerten, beantwortet die Behörde mit einem schlichten "Ja". Die Frage, ob dies in allen elf Fällen so geschah, beantwortet die Behörde aus Gründen des Sozialdatenschutzes nicht. Auch die Frage, ob die Behördenleitung eine Empfehlung an die Amtsvormünder gab, wie sie sich verhalten sollen, bleibt unbeantwortet.

Nach Auffassung des Büros des Hamburger Datenschutzbeauftragten sind 16-Jährige selber in der Lage, über die Weitergabe ihrer Daten zu entschieden. "Da es um 16-jährige Jugendliche geht, spricht die Erfahrung dafür, dass diese selbst bezüglich ihrer Jugendhilfe-Daten einwilligungsfähig sind", schreibt Sprecher Arne Gerhards.

Allerdings könnten auch die Daten der beteiligten Sachbearbeiter als schützenswert gelten. Hier empfiehlt der Datenschützer, wenn es nicht auf die konkrete Person ankomme, deren persönliche Daten zu schwärzen. Die Vormünderin von Michel W. hätte also um Schwärzung ihres Namens bitten können. Hinzu kommt, dass die Akten nur von den Abgeordneten der Bürgerschaft und deren Mitarbeitern und unter Schutzvorschriften eingesehen werden dürfen.

Jugendpolitiker Mehmet Yildiz von der Fraktion Die Linke will nun abwarten, welche Akten er in die Hände bekommt. Sollten tatsächlich Akten von Jugendlichen fehlen, die eine Weitergabe ans Parlament wünschten, "missbrauchen die Vormünder ihre Macht". Und das, sagt Yildiz, müsste ein Nachspiel haben.

Der Aktenvorlage gern zugestimmt haben auch Eva Lobermeyer und Regina Schunk, die Mütter zweier Jungen, die in der Haasenburg waren. "Ich will, dass alles auf den Tisch kommt und alles offengelegt wird", sagt Lobermeyer. Sie habe den Eindruck, dass der Hamburger Senat an Aufklärung nicht interessiert sei.

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