Umstrittene Studie zu Hartz IV: Ökonomen wollen harte Einschnitte

Hartz-IV-Empfänger sollen mit einem monatlichen Regelsatz von 132 Euro auskommen, fordern Wirtschaftswissenschaftler der TU Chemnitz.

Scrabbeln und das auch noch mit Lupe: Viel zu teuer für Hartz IV-Empfänger, finden die Chemnitzer Ökonomen. Bild: dpa

Zwei Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler halten einen Hartz-IV-Regelsatz von 132 Euro für ausreichend - nur rund ein Drittel der bisherigen Höhe. Das geht aus einer Studie hervor, die am Mittwoch auf der Internetseite der Technischen Universität Chemnitz veröffentlicht wurde.

Für alle Bereiche des Lebens, ob Ernährung, Kommunikation oder Kultur, sehen die Wissenschaftler erhebliches Kürzungspotenzial des derzeitigen Regelsatzes von rund 350 Euro. "Die sozialen Geldleistungen sind an der Obergrenze angekommen", sagte der Leiter der Studie, Friedrich Thießen, der taz.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach verurteilte die Studie als "hochgradig interessengeleitet". Die Umsetzung des Vorschlags würde die ohnehin wachsende Einkommensungleichheit massiv verschärfen, sagte sie der taz.

Die Studie platzt mitten in eine neue, heftig geführte Debatte über Hartz-IV-Zahlungen. In Reihen von CDU/CSU mehren sich die Stimmen, die für mehr Härte bei missbräuchlichem Bezug des Arbeitslosengelds plädierten und Sozialleistungen teilweise in Frage stellten. Der Paritätische Wohlfahrtsverband und Gewerkschaften hingegen sprachen sich in jüngster Zeit immer wieder für eine deutliche Anhebung des Regelsatzes aus.

Nach Ansicht der Chemnitzer Ökonomen ist es rechtlich völlig unklar, was unter Existenzminimum zu verstehen ist. "Unsere Gesellschaft hat sich bisher davor herumgedrückt, die Ziele der sozialen Mindestsicherung exakt zu formulieren", heißt es in der Studie. Aus dem Grundgesetz ließen sich lediglich schwammige Leitbilder der "physischen Existenzsicherung" und der "Teilhabe am kulturellen Leben" ableiten. Dafür reichten weitaus geringere Sozialleistungen: Der derzeitige Hartz-IV-Satz liege jedenfalls "weit oberhalb des physischen Existenzminimums".

In einer Tabelle erstellen die Autoren deshalb für alle relevanten Lebensbereiche Richtwerte, die ihrer Meinung nach angemessen sind. Die Preiserhebungen wurden ausschließlich in Discountern und Billig-Ketten durchgeführt. So reiche ein Euro, um den monatlichen Freizeit- und Unterhaltungsbedarf von Hartz-IV-Empfängern zu decken. Mit zwei Euro für "20 Min./Tag Internet in Stadtbibliothek" ließe sich ausreichend kommunizieren. Der Bedarf für Lebensmittel wird auf 68 Euro monatlich taxiert. Auf Alkohol und Tabak müsse verzichtet werden.

DGB-Vorstandsmitglied Buntenbach zeigte sich entsetzt. Sie warf den Autoren vor, die sich ausbreitende Armut mit Theoriespielchen zu verschleiern. "Nicht einmal der laufende Schulbedarf für Kinder ist gedeckt", so Buntenbach. "Der Regelsatz enthält lediglich 1,63 Euro für allgemeine Schreibwaren."

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