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Umstrittener AusbauReiche muss ihre Gas-Pläne eindampfen

Die Bundeswirtschaftsministerin wird wohl Abstriche beim geplanten Mega-Ausbau von Gaskraftwerken machen. Die EU ist offenbar gegen ihre Pläne.

Oooohhh… wie schade für Wirtschafts-ministerin Katherina Reiche (CDU): Die EU will nicht so, wie sie will Foto: Fabrizio Bensch/reuters

taz | Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) muss ihre Pläne für den Mega-Ausbau von Gaskraftwerken offenbar erheblich zurückfahren. Medienberichten zufolge sollen die EU-Kommission und die Bundesregierung nur noch über den Bau neuer Gaskraftwerke mit einer Kapazität von 12 bis 12,5 Gigawatt verhandeln – angekündigt hatte Reiche einen Ausbau von 20 Gigawatt. Da der Bau neuer Gaskraftwerke staatlich gefördert werden soll, kann die EU die beihilferechtliche Genehmigung verweigern.

Neue Gaskraftwerke sind zur Absicherung der Energiewende erforderlich. Das ist unstrittig. Sie können schnell einspringen, wenn Wind- und Solaranlagen wegen schlechter Wetterbedingungen – sogenannter Dunkelflauten – nicht genug Strom produzieren. Wird das Gas durch grünen Wasserstoff ersetzt, sind die Kraftwerke klimaneutral. Umstritten ist allerdings, wie viele Gaskraftwerke nötig sind.

Kri­ti­ke­r:in­nen halten die von Reiche anvisierten 20 Gigawatt für überdimensioniert. Sie verweisen darauf, dass es klimaschonendere Möglichkeiten gibt, um Dunkelflauten zu überbrücken, etwa Wasserkraft oder Biogas. Sind die Gaskraftwerke erst einmal da, könnten sie die Energiewende verzögern, so die Befürchtung.

Denn fossil ausgerichtete Energieunternehmen dürften dann länger als nötig an ihren Geschäftsmodellen festhalten. Hinzu kommt: Die geplanten Gaskraftwerke sind teuer, weil sie eben als Reserve gedacht sind und der Unterhalt auch bezahlt werden muss, wenn sie keinen Strom erzeugen. Der Staat fördert den Bau, aber die Kosten für den Unterhalt zahlen die Verbraucher:innen.

Die Verhandlungen von Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) mit der EU-Kommission über neue Gaskraftwerke waren zum Zeitpunkt des Bruchs der Ampelkoalition weit fortgeschritten. Die damaligen Pläne sahen einen Ausbau der Kapazitäten von 12,5 Gigawatt vor. Daran hätte Reiche anknüpfen und die Ausschreibungen für die Kraftwerke schnell auf den Weg bringen können. Aber sie wollte mehr. Doch EU-Vizekommissionschefin Teresa Ribera, früher sozialistische Umweltministerin in Spanien, hat sich nun – auch mit Blick aufs Klima – gegen dieses Ansinnen gesperrt.

Ausschreibung erst 2026

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel hat der Leiter der Abteilung Strom im Bundeswirtschaftsministerium, Christian Schmidt, bei vertraulichen Gesprächen mit Ma­na­ge­r:in­nen aus der Energiebranche eingeräumt, dass die Bundesregierung mit der EU nur noch über Gaskraftwerke mit einer Kapazität von 12 bis 12,5 Gigawatt verhandelt.

Das Bundeswirtschaftsministerium will sich zu diesen Zahlen nicht äußern. „Die Gespräche mit der Europäischen Kommission dauern an und sind vertraulich“, sagte ein Sprecher. Auch die EU-Kommission will keine Stellung dazu beziehen. „Wir stehen diesbezüglich in konstruktivem Kontakt mit den deutschen Behörden“, teilte ein Sprecher nur mit.

Dabei drängt die Zeit. Die Energiebranche forderte schon zu Habecks Zeiten eine schnelle Ausschreibung für den Bau der Kraftwerke. Nur wenn genug Reservekapazitäten zur Verfügung stehen, kann der Kohleausstieg wie geplant erfolgen. Ursprünglich wollte Reiche die Ausschreibung 2025 starten. Allerdings hat Abteilungsleiter Schmidt bereits Anfang Oktober bei einer Energiekonferenz berichtet, dass sie erst 2026 beginnen wird.

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12 Kommentare

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  • Der Ausbau von Stromspeichern erscheint mir am sinnvollsten.



    Angesichts der Tatsache, dass in Neubaugebieten kaum noch Häuser ohne Photovoltaik gebaut werden und selten ohne Wärmepumpe, wären ein zentraler Speicher pro Gebiet sinnvoll, statt ein kleiner in jedem Haus. Die Stadtwerke könnten diese Leistung mit anbieten, die HäuslebauerInnen den Beitrag zusammen mit der Erschließung zahlen. So etwas wären sinnvolle Fördermaßnahmen.



    Und wie schon bei der Photovoltaik spürbar, würde nicht nur der Absatz, sondern auch die Forschung beschleunigt und letzlich die Anlagen immer günstiger.



    Mit einer Wirtschaftsministerin, die in erster Linie als Lobbyistin auftritt, sind derartige Schritte aber kaum zu erwarten.

  • Was hat uns diese Pippi-Langstrumpf-Politik bisher gebracht?

    In Afrika sterben die Leute durch Kochen mit Holz und Kohle an den Abgasen. Wuerde mit Gas nicht passieren, aber wir geben keine Kredite mehr fuer Fossile.

    Durch den gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle und Atom sind wir auf das angewiesen, was wir anderen verwehren wollen: Die Uebergangstechnologie Gas. Deshalb bauten wir Northstream 1+2 und finanzierten so den Krieg Russlands gegen die Ukraine mit.

    Wir schreiben via EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie anderen vor, was wir selbst nicht schaffen. Katar droht deshalb der EU kein Gas mehr zu liefern. Wie gut, dass wir uns im Wirtschaftsabkommen mit den USA zur Abnahme des Klimakillers Nummer 1 Fracking-LNG verpflichtet haben.

    Die Erfolgsgeschichte: Atom -> Kohle -> Pipelinegas -> LNG -> Fracking-LNG.



    Ergebnis:



    Deutschland ist in der EU (ex mancher Ostblockstaaten) die groesste CO2-Drecksschleuder pro erzeugter kWh, weshalb wir auf der Nachfrageseite einparen muessen. Die Folgen sind bekannt: Weltweit hoechster Strompreis (Wind und Sonne schicken keine Rechnung), Wohnungskrise, Wohlstandsverlust durch Industrieabbau und trotz Megaschulden kein Geld fuer Bildung und Infrastruktur.

  • "Sie verweisen darauf, dass es klimaschonendere Möglichkeiten gibt, um Dunkelflauten zu überbrücken, etwa Wasserkraft oder Biogas."

    Die alte Leier. Wasserkraft ist in Deutschland spärlich und kaum noch auszubauen, Biogas ein bißchen aber lange nicht ausreichend. Batterien noch kleiner und noch teurer. Wasserstoff ist der Champagner der Energiewende, nur ein Feigenblatt um Erdgaskraftwerke nachhaltig zu schminken.



    Irgendwann wird Reiche die realistischen Optionen ganz einfach formulieren müssen: entweder Erdgas, oder Kohle, oder Kernenergie.

    • @Descartes:

      Was ist mit Stromspeicherung? Was mit Strom sparen? Wenn mnan sich ernsthaft !! darum kümmert, dann geht das auch. Nur das gefällt den Protagonisten der fossilen Energie ganz und gar nicht. Die Ultra-Lobbyistin Reiche wird es nicht wagen, sich mit ihren Auftraggebern anzulegen. Sie WILL die Energiewende nicht. Das ist mehr als offensichtlich.

    • @Descartes:

      Kohle und Kernenergie sind nicht realistsisch, der Kohleausstieg ist beschlossen, da wird schon mit geplant, Kraftwerke sind nicht mehr in der Menge vorhanden und durch die steigende CO2 steuer wird Kohle zunehmend unrentabel. Kernkraft dauert der Bau Jahrzehnte, kostet unsummen und der Betrieb müsste subventioniert werden um überhaupt vernünftige strompreise anbieten zu können. Abgesehen davon, dass das meiste Uran aus Russland kommt, Atomkraftwerke nicht versicherbar und mit erheblichen Risiken verbunden sind. Gaskraftwerke sollen ja gebaut werden, niemand sagt, dass garkeine Kraftwerke gebaut werden sollen, es geht hier darum, dass wir unnötige Überkapazitäten schaffen, anstatt in Zukunftstechnologien zu investieren.

    • @Descartes:

      Bei Reiches Konzept geht es um einen zentralen organisierten Kapazitätsmarkt mit planwirtschaftlichen Vorgaben und um Subventionen für eine einzige vorab festgelegte Technik, der Gasturbine. Subventioniert wird einmal, um die Kraftwerke zu bauen und danach dauerhaft damit die Kapazität vorgehalten wird. Das Geld dafür kommt aus den Steuersäckel um wird in weitaus größerem Umfang auf alle Stromkunden dauerhaft umgelegt. Die Rede ist von 2 Cent je kWh, für immer. Ein sehr gutes Geschäft für RWE und E.on, Reiches vorherigen Arbeitgeber. Dem normalen Stromkunden wird so ein dreistelliger Milliardenbetrag abgezwungen.



      Im Gegensatz zu Reiches Konzept steht das marktwirtschaftliche Konzept, ohne Subventionen, ohne Fixierung auf eine einzige Technik und dezentral bei allen Marktteilnehmern aufgestellt mit konkreten gesetzlichen Vorgaben zur Erfüllungsverpflichtung an die Unternehmen.



      Meiner Meinung nach will Reiche hier ein gutes Geschäft für E.on sichern und möchte kleinere Konkurrenten außen vor halten. Ist, nach dem was sie bei der VKU geleistet hat, alles andere als abwegig.

  • "Sind die Gaskraftwerke erst einmal da, könnten sie die Energiewende verzögern..."



    Und sind sie nicht da, wird es bei Wärmepumpenheizern eben manchmal kalt, und die E-Autos bleiben stehen.



    Anscheinend ist manchen Ökolinken die innere Widersprüchlichkeit ihrer Argumentation nicht so richtig klar.

    • @sollndas:

      Anscheinend ist Ihnen nicht ganz klar, dass Deutschland mitten in Europa liegt.



      Über das gemeinsame Stromnetz ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Wärmepumpe ausfällt, bzw. das Elektroauto nicht geladen werden kann, ziemlich unwahrscheinlich.



      Der Strom wird dann einfach von woanders geliefert.

      • @Philippo1000:

        "Der Strom wird dann einfach von woanders geliefert."



        Leider ist es in ganz Europa im Winter kälter als im Sommer. Da brauchen die Leute "woanders" ihren Strom selbst.

    • @sollndas:

      Es gibt Alternativen zu Reiche's teurem und hochsubventionierten, zentralen Kapazitätsmarkt, der nur auf Gasturbinen setzt und Deutschland weiterhin in Abhängigkeit hält. Z.B. BESS: die Investoren stehen Schlange bei den Übertragungsnetzbetreibern, dürfen aber nicht bauen obwohl die keine Subventionen wollen und brauchen. Zuletzt 500 GW Antragsstau.



      Lastmanagement: Die mit großem Abstand kostengünstigste Variante, aber begrenzt. Da gibt es außerdem noch ein weites Feld an unerschlossenen Flexibilisierungsstrategien.



      Bestands Biogas: Wird derzeit nicht als Reserve genutzt, könnte aber entsprechend umgerüstet werden. Ähnlich teuer wie Reiches Pläne, aber immerhin lokal erzeugt und eh schon da.



      Bestand Wasserkraft: Begrenzt sind noch Flexibilisierung in der Fahrweise möglich.



      Grüner Wasserstoff: Abwarten. Nicht konkurrenzfähig mit Erdgas. Allerdings bei dem, was Reiches Pläne kosten sollen macht Wasserstoff auch nichts mehr aus.

    • @sollndas:

      Niemand redet davon, dass wir Gaskraftwerke nicht brauchen, es geht darum, dass wir viel zu viel davon bauen wollen....Deutsche Panik mal wieder....nachdem wir auf russiches Gas verzichtet haben ist bei uns auch nicht das Licht ausgegangen....btw. was soll dieser dämliche abwertende Begriff "Ökolinke"?



      Übrigens haben immer mehr Menschen, die sich Wärmepumpen und E-auto leisten können, auch PV-Anlagen und kleinere Batteriespeicher und können einen Teil ihres Stroms selbst erzeugen, was sie unabhängiger von Gaskraftwerken macht, die Tendenz ist hier seid Jahren steigend

  • Gerade heute morgen beim Blick auf den prognostizierten ztagesertrag, 11 kWh bei 17 kWp, der Oktober läuft vergleichsweise eher schlecht, habe ich mich gefragt, ob es nicht mal wieder einen Artikel zu zu viel PV, Abschaltung, 0 ct gibt. Aber nein, es ist nun wieder Zeit für Dunkelflaute.