Umstrittenes Kölner Beschneidungs-Urteil: Karlsruhe solls jetzt richten

Muslimische und jüdische Verbände fordern ein Gesetz, das Beschneidung an Jungen erlaubt. Die Politiker reagieren verhalten – lieber sollen Verfassungsrichter das Problem lösen.

Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichtes sollen jetzt entscheiden. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Gesetz müsse her, und zwar sofort, verlangen die muslimischen und jüdischen Organisationen Deutschlands. Sie wollen Klarheit: Beschneidung von Jungen müsse erlaubt sein. Seit dem Urteil des Kölner Landgerichts (siehe Kasten) könnten Eltern und Ärzte sich bei Beschneidungen nicht mehr sicher vor Strafe fühlen. Der Bundestag reagiert allerdings eher schüchtern.

„Ich bin vorsichtig und zurückhaltend, ob das eine Sache ist, der sich der Gesetzgeber annehmen sollte“, sagt Maria Flachsbarth, Religionspolitikerin der Unionsfraktion. Das Kölner Urteil hält sie zwar für problematisch. Wer jetzt aber ganz schnell ein Gesetz haben wolle, verkenne, wie lange angesichts der Komplexität der Sache „die qualifizierte Willensbildung des Bundestags“ brauche. „Ich wünsche mir ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Rechtssicherheit schafft.“ Im gleichen Sinne äußerte sich am Dienstag Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als erstes Kabinettsmitglied.

Darauf zu setzen, dass die Gerichte zügiger arbeiteten als der Gesetzgeber, findet der FDP-Integrationspolitiker Serkan Tören falsch. Von den Abgeordneten fordert er am lautesten eine gesetzliche Pro-Beschneidungs-Regelung – „ich muss aber meine Fraktion noch überzeugen“, sagt er. Für eine Klärung in Karlsruhe brauche es „klagewillige Eltern, einen Arzt und eine Staatsanwaltschaft – das ist unzumutbar“.

Urteil: Das Kölner Landgericht hat in einem Urteil Ende Juni eine aus religiösen Gründen durchgeführte Beschneidung als Körperverletzung bewertet.

Fall: Konkret ging es um den Fall eines vierjährigen muslimischen Jungen, bei dem nach der Beschneidung Komplikationen aufgetreten waren. Der behandelnde Arzt wurde dennoch nicht bestraft, weil er nach Ansicht des Gerichts nicht wissen konnte, dass der Eingriff rechtswidrig war. (dapd)

Weil das Strafrecht möglicherweise der unpassende Ort für eine Regelung sei, schlägt Tören vor, sie ins Patientenrechtegesetz hineinzuschreiben. Dies werde ohnehin bald im Bundestag abgestimmt: „Dann ginge das auch am schnellsten.“

„Gesetzgeber ist gefordert“

Wie sich die Opposition zu solch einem Vorstoß verhalten wird, wird auch davon abhängen, wie die Koalition ihn platziert. Das Patientenrechtegesetz ist außerhalb von Schwarz-Gelb unbeliebt, da wird die SPD nicht mitgehen. Dabei denkt auch die SPD-Religionspolitikerin Kerstin Griese, der „Gesetzgeber ist gefordert“. Sie sei schockiert gewesen, zu hören, dass jüdische Freunde angekündigt hätten, „ihre Koffer wieder zu packen“, wenn die Beschneidung nach jüdischem Ritus verboten werde.

Die körperliche Unversehrtheit des Kindes werde bei der Beschneidung „minimal“, ein durch die Religionsfreiheit geschützter Kernbestandteil des Judentums und des Islams durch ein Verbot aber „erheblich beeinträchtigt“, sagt Griese. Bei der aktuellen unklaren Rechtslage könnten „am Ende die Kinder Schaden nehmen“, wenn sich die Eltern an dubiose Nichtmediziner wenden.

Aus ähnlichen Gründen haben sich in dieser Woche für die Grünen-Fraktion auch Geschäftsführer Volker Beck und Chefin Renate Künast für eine Debatte darüber ausgesprochen, „wie notwendige Schritte zur Schaffung der Rechtssicherheit aussehen könnten“. Sie denken offenbar an einen parteiübergreifenden Antrag im Sinne der jüdischen und muslimischen Verbände, vermeiden aber das Wort „Gesetz“.

Keinen Anlass zu einer Regelung sieht dagegen Raju Sharma, religionspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Die körperliche Unversehrtheit des Kindes wiege schwerer als das elterliche Recht auf religiöse Tradition. „Es gibt genügend religiöse Traditionen, die abgeschafft wurden, weil die Gesellschaften sich weiterentwickelt haben“, sagt Sharma. Nun sei bei Islam wie Judentum Kreativität gefragt, um den „archaischen Kult“ der Beschneidung durch einen anderen symbolischen Akt zu ersetzen.

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