Umstrittenes Urteil: Der Geruch des Geldes

Mit geklauten Telefonkarten verdiente K. ein kleines Vermögen. Nun wurde er wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Das war verfassungswidrig, sagt der Verteidiger.

Steuern zahlen muss, wer Prepaid-Karten gewinnbringend vertickt - selbst wenn er die geklaut hat. Bild: dpa

BREMEN taz | Herr K. hat jahrelang Steuern hinterzogen, insgesamt rund 350.000 Euro. Dafür bekam er am Montag vom Amtsgericht zwei Jahre, auf Bewährung, dazu eine Geldstrafe von 1.800 Euro. Das ist so ungefähr die Grenze dessen, wofür man gerade eben nicht in den Knast geht – Staatsanwaltschaft, Richter und Verteidiger hatten einen „Deal“ geschlossen.

Das klingt erstmal plausibel, schließlich hat Herr K., je nach Rechnung, in sechs Jahren, zwischen 900.000 und 1,4 Millionen Euro verdient. Ohne dass dieses Geld je in seiner Steuerklärung auftauchte. Das Problem: Er hat es mit geklauten Prepaid-Telefonkarten verdient. Der 41-Jährige, damals „Mädchen für alles“ einer örtlichen Logistikfirma, schaffte sie während der Arbeit beiseite, ein Freund vertickte sie. Das Amtsgericht in Bremen-Blumenthal verurteilte ihn deshalb schon wegen Diebstahls und Unterschlagung. Nun gab’s eine Gesamtstrafe.

Der Staat will seinen Anteil

Und der Staat, sagt Verteidiger Jesko Trahms, „will seinen Anteil an der Beute haben“. Er findet das „falsch“, ja: „absurd“. Der Staat dürfe nicht an den Erlösen von Straftaten partizipieren, sagt der Wirtschaftsstrafrechtler. „Doch“, sagt Amtsrichter Hans Ahlers, denn: „Geld stinkt nicht.“ Oder, wie der Jurist sagt: Pecunia non olet. Der Abgabenordnung sei erstmal egal, auf welche Weise einer sein Geld verdient.

Es sei „unerträglich“, sagt Ahlers, wenn „ehrliche Kaufleute“ ihre Einnahmen versteuerten, andere aber nicht. Und K. sei als Telefonkarten-Dealer ein gewerblicher Unternehmer gewesen. Also findet das Gericht es „im Grundsatz richtig, sinnvoll und geboten“, Herrn K. wegen nicht gezahlter Umsatz, Gewerbe und Einkommenssteuer zu verknacken.

Aus Sicht des Verteidiger indes ist es verfassungswidrig. Denn niemand muss sich selbst belasten oder anzeigen, sagt der von den Lateinern meist „nemo tenetur“ genannte Rechtsgrundsatz, der auch im allgemeinen Persönlichkeitsrecht steht, also gleich am Anfang des Grundgesetzes. Doch genau das wurde hier von K. erwartet. „Was hätte er denn deklarieren sollen?“, fragt Trahms. Für ihn geht es um „grundsätzliche, moralisch-ethische Fragen“. Ja: „Es geht um die Verfassung.“

Für Amtsrichter Ahlers nicht. Er will derlei Einwände nicht gelten lassen. Das Steuergeheimnis schütze vor weiterer Verfolgung, sagt er in seinem Urteil über Herrn K. Also hätte der gefahrlos angeben könne, dass er 2010 rund 120.000 Euro illegal nebenher verdient hat? Nein, sagt sein Anwalt hinterher, natürlich nicht – denn das Legalitätsprinzip gelte auch für die Finanzbehörden, sie hätten also von Amts wegen ermitteln müssen.

Unternehmerische Tätigkeit

Ob sie das auch bei Bankräubern so handhaben würde wie bei K., will der Verteidiger von der Steuerfahnderin wissen. „Das ist keine unternehmerische Tätigkeit“, antwortet die. Und wenn einer vier, fünf Banken hintereinander überfällt? Schweigen. Es ist ihr erster Fall dieser Art, auch Staatsanwalt, Amtsrichter und der Anwalt aus Düsseldorf haben noch nie so ein Verfahren verhandelt. Der würde es gerne bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchfechten, er ist sich „sicher“, dass auch das Verfassungsgericht so ein Urteil nicht durchgehen lassen würde.

Aber Herr K. wird es akzeptieren. Er verdient gerade mal 1.400 Euro netto, für einen Vollzeitjob als Fahrer, hat zwei kleine Kinder, für die er zahlen, um die er sich kümmern muss, weil die ex-Frau in der Klinik liegt, noch lange. Sein Haus, seinen Resthof musste er abtreten, er wird auf Jahrzehnte ein Leben an der Pfändungsgrenze führen. Also ist er froh über das Urteil.

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