Umwelt-Gipfel der UNO: Wer atmet, lebt gefährlich

Die UNO debattiert über globale Umweltverschmutzung: Giftige Luft, Böden und Gewässer sind verantwortlich für fast jeden vierten Todesfall weltweit.

Menschen mit Atemmaske im Smog

Smog in Chinas Hauptstadt Peking Foto: ap

BERLIN taz | Vor 65 Jahren erstickte London am Smog. Schätzungsweise 4.000 Menschen starben zwischen dem 5. und 9. Dezember 1952 an einer tödlichen Mischung aus Nebel und Abgas. Der Fortschritt: Heute sterben in der britischen Hauptstadt statistisch betrachtet „nur noch“ 8.700 Menschen – im Jahr – vorzeitig an Luftverschmutzung. Aber das Problem der Umweltgifte ist längst nicht gelöst. Ganz im Gegenteil: Fast jeder vierte Todesfall weltweit geht laut Weltgesundheitsorganisation WHO auf Ökoprobleme zurück.

Das ist das zentrale Thema der „Umweltversammlung“ der UNO, die noch bis Mittwoch im kenianischen Nairobi tagt. 2.500 Teilnehmer, darunter Umweltminister aus etwa 100 Staaten, sind dazu an den Sitz des UN-Umweltprogramms Unep gekommen. „Unser Ziel muss es sein, die Verschmutzung drastisch zu reduzieren“, sagte der Präsident der Versammlung, Umweltminister Edgar Gutierrez aus Costa Rica. „Nur durch starkes gemeinsames Handeln können wir den Planeten säubern und zahllose Leben retten.“

Wie drängend das Problem ist, hat die Unep gerade im Bericht „Auf dem Weg zu einem Planeten ohne Verschmutzung“ gezeigt: Demnach sterben jedes Jahr 12,6 Millionen Menschen an Umweltschäden – vor allem an Luftverschmutzung. Allein 4,3 Millionen von ihnen sterben an Atemwegsproblemen durch das Kochen mit offenem Feuer und Rauch in ihren Häusern. Eigentlich sind wir sogar fast alle betroffen: Neun von zehn Menschen weltweit – also fast 6 Milliarden Menschen – atmen Luft, die nicht den Mindestanforderungen der WHO entspricht.

Mit Plastikmüll verdreckte Ozeane

Für die Unep sind die größten Killer neben der Luftverschmutzung vor allem Chemikalien, Abfall und die Vergiftung von Trinkwasser, Böden und Meeren. 58 Prozent der Durchfall­erkrankungen, die bei Kindern oft zum Tod führen, gehen auf verschmutztes Wasser zurück. Über 100.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen von Asbest. Und 64 Millionen Menschen weltweit werden von riesigen Müllhalden bedroht. Fast jeder Zweite, 3,5 Milliarden, ernährt sich vor allem aus den Ozeanen, die aber jährlich mit 5 bis 12 Millionen Tonnen Plastikmüll verdreckt werden.

Weltweit gibt es inzwischen 500 „Todeszonen“, wo wegen Sauerstoffmangels im Meer nichts lebt. Betroffen von Umweltschäden sind vor allem Arme und Kinder, besonders groß ist die Gefahr in Asien. Über 7 von insgesamt 12,6 Millionen Öko-Todesfällen geschehen hier, verglichen mit 1,4 Millionen in Europa und Russland.

Die Ökokatastrophe richtet auch schwere ökonomische Schäden an, zeigt der Bericht. Allein die Kosten der Luftverschmutzung wurden mit weltweit 5 Billionen Dollar geschätzt. Die Kosten wegen schlechter Wasser- und Abwassersysteme oder wegen Bodenverlustes können in manchen armen Ländern bis zu 10 Prozent der Wirtschaftskraft verschlingen.

Was die Staaten tun sollten, ist aus Sicht der Unep klar: politische Führung zeigen, Strategien entwickeln, sich auf Verträge einigen und vor allem ihre groß erklärten Ziele auch mal umsetzen

Eine nachhaltige Produktions- und Lebensweise bringe dagegen Jobs und Einkommen, wirbt die Unep. „Umweltschutz wurde lange mit Kosten und gebremstem Wachstum gleichgesetzt“, heißt es im Bericht. „Das stimmt nicht mehr. Eine nachhaltige Wirtschaft ist die einzige sinnvolle Entwicklung, auch in finanzieller und ökonomischer Hinsicht.“

Was die Staaten tun sollten, ist aus Sicht der Unep auch klar: politische Führung zeigen, Strategien entwickeln, sich auf Verträge einigen und vor allem ihre groß erklärten Ziele auch mal umsetzen. Dazu wäre es sinnvoll, Investitionen in grüne Techniken zu fördern und die Bevölkerung zu informieren, um nachhaltigere Lebensstile zu propagieren.

Die Unep erinnert gern daran, dass das durchaus funktionieren kann. Beim Schutz der Ozonschicht oder dem Verbot einzelner Chemikalien sei das gelungen. Allerdings führen die Umweltbeamten der UNO auch auf, wo überall wegen dringender Problem schnell Regelungen und Verbote erlassen werden müssten: bei hochgiftigen Pestiziden, Blei, Stickstoff, Phosphor, Feinstaub, Ruß, Lösungsmitteln oder den resistenten Keimen aus Antibiotika gebe es „wissenschaftliche Beweise, um die Risiken zu minimieren“. Man müsse es eben nur auch tun.

Keine völkerrechtliche Verpflichtung

Eine Verpflichtung der Staaten dazu wird es aber nicht geben. Das Treffen wird am Mittwoch nur mit einem „dramatischen politischen Appell“ zu Ende gehen, hieß es von Teilnehmern. Wichtig sei der Austausch von Praktiken und Erfahrungen, aber die Länder würden sich nicht völkerrechtlich zu irgendetwas verpflichten. Der Unep-Bericht werde von der Versammlung zur Kenntnis genommen.

Auch für Qian Cheng von Greenpeace Ostasien ist klar, dass „die Ziele einer Welt ohne Verschmutzung eine langfristige Version sind“. Die Regierung sollten sie nutzen, um „ein klares Signal an die Verschmutzer zu senden“ und systemische Veränderungen anzustoßen. Die Versammlung sei nicht umsonst – sondern ein „globaler Gesundheitstest für die Umwelt und ein Ideenlabor“, um darauf aufmerksam zu machen „wie drängend die Krise der weltweiten Verschmutzung ist“.

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