Umweltminister Peter Altmaier: Ein politisches Schwergewicht

Der neue Umweltminister Peter Altmaier ist die Allzweckwaffe der Kanzlerin. Niemand kann die schwarz-gelben Widersprüche so brillant glätten wie er.

Merkels letzter Verbündeter? Peter Altmaier. Bild: dapd

BERLIN taz | Am Tag nach dem Erdrutsch steht Peter Altmaier vor den Glastüren des Berliner Konrad-Adenauer-Hauses und tut das, was niemand in der Union so gut kann wie er. Der Fraktionsgeschäftsführer steht zwischen Journalisten und erklärt die Niederlage. Deutet sie aus. Sucht in dem Schlamassel nach einem Goldkörnchen, das er polieren kann.

Die Sonne spiegelt sich in Altmaiers Glatze. Jeden Hauptstadtkorrespondenten, der sich zu der schnell wachsenden Traube stellt, begrüßt er mit Handschlag. Die ersten schreiben seine Sätze in ihre Blöcke, da winkt Altmaier noch einen Kollegen heran. „Kommen Sie zu uns, wir führen hier ein schönes Gespräch, selbstverständlich unter 3.“ Vertraulich also, Zitate sind nicht erlaubt. Die Kollegen stecken enttäuscht die Stifte weg.

Wäre ja noch schöner. Altmaier weiß, wie das Spiel funktioniert. An diesem Montag reden andere, nicht er. Drinnen im Ludwig-Erhard-Raum hat gerade das CDU-Präsidium getagt, in einer halben Stunde wird die Kanzlerin mit Norbert Röttgen im Foyer der Parteizentrale eine Pressekonferenz zum CDU-Desaster in Nordrhein-Westfalen geben. Sie wird vor der blauen Medienwand mit CDU-Logo in dürren Worten sagen, wie bitter und schmerzhaft die Niederlage sei.

Dann stellt eine Reporterin die entscheidende Frage. Ob Röttgen nach diesem Ergebnis noch Umweltminister bleiben könne? Stille hängt im Saal, ein, zwei Sekunden. Röttgen stiert mit unbewegter Miene geradeaus. Merkel könnte jetzt einfach sagen: Ja, natürlich, Röttgen mache schließlich als Fachminister gute Arbeit. Stattdessen schraubt sie sich in gewundenen Schachtelsätzen durch ihre Antwort. Gerade weil sie so nichtssagend ist, sagt sie viel.

An den Aufgaben des Umweltministers habe sich nichts geändert, sagt Merkel also. „Kontinuität ist nötig.“ Es gebe viel Arbeit, „die erledigt werden muss“. Weder der Name desjenigen, der zwei Meter neben ihr steht, kommt ihr über die Lippen noch die Andeutung eines Lobes. Im Nachhinein betrachtet bestimmen diese Sätze Röttgens Zukunft. Und die Altmaiers.

Mann der Energiewende

Peter Altmaier, 53, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion, soll es richten. Die Kanzlerin servierte am Mittwoch nicht nur Röttgen eiskalt ab, sie übertrug im selben Atemzug Altmaier dessen Amt. Als künftiger Umweltminister soll er schaffen, was sie seinem geschwächten Vorgänger nicht mehr zutraute: Die Energiewende managen, die Stromnetze ausbauen, endlich ein Atommüll-Lager finden, mit dem alle leben können. Ihm, der bisher treu in der zweiten Reihe diente, überträgt sie eines der wichtigsten gesellschaftlichen Projekte dieser Zeit.

Die Entscheidung für ihn ist typisch für die Merkel’sche Logik. Altmaier ist einer ihrer wenigen Vertrauten, bestens vernetzt und von den Spitzenleuten der Opposition anerkannt. Wenn einer die Energiewende mit SPD und Grünen wuppen kann, dann er. Einer, der gerne während Debatten auf Twitter mit dem Grünen Volker Beck scherzt.

Dazu passt, dass er für die liberal-progressive Öffnung der CDU steht. Altmaier trank in den 90ern in der Pizza-Connection mit Grünen Rotwein. Röttgen, mit dem er befreundet ist, saß auch dabei. Altmaier stellte sich gegen die Ausländerpolitik Helmut Kohls und gegen die Unterschriftenkampagne Roland Kochs zur doppelten Staatsbürgerschaft. Früher haben sie den „jungen Wilden“ deshalb in der CDU misstrauisch beäugt.

Merkel förderte ihn. In der großen Koalition diente er als Staatssekretär im Innenministerium, im schwarz-gelben Bündnis ab 2009 machte sie ihn zum Fraktionsgeschäftsführer. Es ist eine Ironie, dass er auch dieses Amt von Röttgen erbte. Und jetzt also Umweltminister. Der ehemalige Nonkonformist stieg zum mächtigen Player auf.

Meister des rhetorischen Gefechts

Altmaier kennzeichnet das, was alle engen männlichen Vertrauten Merkels kennzeichnet. Die Gröhes, die Hinzes, die Pofallas. Er ist kein testosterongeladener Polterer, kein Alphatier, ihm fehlt das Brutale, Rohe, das viele Spitzenpolitiker auszeichnet.

Aber Altmaier beherrscht das rhetorische Gefecht wie kaum ein anderer. Selbst wenn er in Pressekonferenzen nur die vereinbarte Sprachregelung erzählt: Bei ihm klingt sie so, als habe er sich eigene Gedanken gemacht. Gleichzeitig hat er sich eine ironische Distanz zu sich und den eigenen Leuten bewahrt. All dies macht ihn zu einer Ausnahmeerscheinung in Berlin-Mitte.

Auf den ersten Blick passt sein bisheriger Job nicht zu ihm: Die Fraktionsgeschäftsführer – kurz: erste PGFs – sind die Bürokraten des Bundestags. Sie stehen nicht im Licht der Kameras, sondern tüfteln aus, wer wie viele Minuten Redezeit bekommt oder was Thema in der Aktuellen Stunde wird. Aber Altmaier hat den Job immer anders gemacht.

Montagabend, er steht mal wieder bei „Hart aber fair“ am Tresen, NRW verteidigen. Hört sich Witze von Ingo Appelt an, lässt sich von Moderator Frank Plasberg unterbrechen, retourniert die Stanzen von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Als der Abspann läuft, steht Altmaier als Sieger da. Deshalb ist er für Merkel so wichtig. Sie kann sich stets darauf verlassen, dass er loyal und rhetorisch geschickt den Ausputzer gibt. Niemand, wirklich niemand aus Union und FDP kann ihre Querelen und Widersprüche so glätten wie er. Wenn keiner mehr in Talkshows kommen mag – Altmaier steht.

Wohlkalkulierte Show

In jeder Sitzungswoche lädt Altmaier zum Pressefrühstück ein. Dienstagmorgens sitzt er im Jakob-Kaiser-Haus, Raum 1.228, vor 50 Hauptstadtjournalisten. Ein Standardtermin, Altmaier informiert über die parlamentarische Woche. Doch oft gerät er zur – wohlkalkulierten – Show. Hier setzt Altmaier seine Spins, zur irrationalen Opposition, zur klug vorgehenden Koalition, zur Lage der Welt.

Dienstag vor ein paar Wochen, es geht mal wieder ums Betreuungsgeld. Der Parlamentskorrespondent der Welt holt zur Frage aus, schimpft, das Instrument sei „auf allen Ebenen dysfunktional“, wie denn die Koalition dies bitteschön verkaufen wolle. Es ist nicht schön für einen Unions-Mann, dies von einer konservativen Zeitung zu hören. Altmaier lehnt sich zurück, streicht mit der Rechten über seinen Bauch, lächelt fein. „Meine Güte, was hat man Ihnen denn heute morgen gegeben?“ Gelächter. Dann brummt Altmaier beruhigend los: „Ach was, sehen Sie, es ist doch so …“ Und seziert die Vorhaltungen Punkt für Punkt.

Das ist eine seiner großen Qualitäten. Aufregung gibt es in Altmaiers Welt nicht.

Nun ist es an der Zeit, ein paar Worte über seinen Körperbau zu sagen. Bei anderen Politikern mag derlei irrelevant sein, bei Altmaier ist es von Bedeutung. Seine weißen Hemden spannen über seinem Bauch, er schiebt sich in Plenarsitzungen leicht schaukelnd durch die Fraktionsbänke, gerät auf Treppen schnell außer Puste. Während Helmut Kohls bedrohliche Präsenz das Gegenüber klein machte, ist es bei Altmaier andersherum. Seine Präsenz bedroht nicht, sie deeskaliert.

Erst mal zuhören

Demonstrativ in sich zu ruhen, ist keine schlechte Sache für einen PGF. Etwa, wenn eigene Abgeordnete angesichts milliardenschwerer Rettungsschirme für Europa hyperventilieren. Oder sich die Opposition mal wieder aufplustert. Oder sich ein Journalist aufregt. Altmaier hört dann erst mal zu und faltet die Hände vor dem Bauch.

Sein Naturell mag auch seiner Herkunft geschuldet sein. Altmaier stammt aus der Gemeinde Ensdorf im Saarland, aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, die Mutter Krankenschwester, der Vater Bergmann. Er ist, so wie man es den Leuten dieser Region nachsagt, ein echter Genussmensch. Und der Austausch mit Menschen, das Gespräch, ist ihm ein echtes Bedürfnis, nicht nur lästige Pflicht. Gerne lädt sich der Saarländer Journalisten oder Kollegen in seine Altbauwohnung beim Berliner Kurfürstendamm ein, um sie zu bekochen und – vor allem –, um zu diskutieren.

Deshalb wird der neue Job für ihn auch eine Bürde werden. Als Minister wird Altmaier stärker abgeschottet sein als in der Fraktion. Der Generalist wird weniger über Politik philosophieren können und sich stattdessen bei Treffen mit Verbänden durch Details der Solarförderung friemeln. Sein Fachgebiet ist die Umwelt nicht, schon deshalb hat er Respekt vor der Aufgabe.

„Ich übernehme dieses Amt in dem Bewusstsein der großen Verantwortung, die gerade jetzt mit dieser Tätigkeit verbunden ist“, sagte er nach Merkels Ankündigung. Auf Twitter postete er seinen Followern am Mittwochnachmittag einen kurzen Dank für die Glückwünsche: „Ich brauche Ihre/Eure Unterstützung jetzt erst recht!“

Dann hat sich der künftige Umweltminister erst einmal ausgeloggt. Viel Zeit, sich auf das Neue vorzubereiten, bleibt ihm nicht.

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